2.26.2 (sch1p): 2. [Alliierte Lebensmittellieferungen]

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[101]2. [Alliierte Lebensmittellieferungen]

Reichsminister Erzberger bittet um den Beschluß des Kabinetts2 über die Art und Weise, wie die auf Grund des Lebensmittelabkommens3 für uns im Ausland käuflichen Lebensmittel bezahlt werden sollen4.

2

Der Erörterung im RKab. ging ein Schreiben des REM an den RMinPräs. vom 21.3.1919 voraus: „Nachdem nunmehr durch die in Brüssel getroffenen Vereinbarungen die Versorgung Deutschlands mit Lebensmitteln durch die Lieferung der 270 000 t aus dem Trierabkommen vom 17.1.1919 und weitere Mengen durch die all. und ass. Regierungen sowie durch den Einkauf und die Einfuhr aus neutralen Ländern in Höhe von monatlich 370 000 t bis zum Ende des Erntejahres der Menge nach zugestanden ist, verbleibt nur die Notwendigkeit, diese Lieferung durch Beschaffung von Zahlungsmitteln und Krediten entsprechend den getroffenen Abmachungen zu finanzieren.“ Hierzu wird weiter ausgeführt, daß für bereits in Rotterdam lagernde Lebensmittel von der Rbk 100 Mio M und 25 Mio M in Devisen zu bezahlen seien. Für die restlichen Mengen an Nahrungsmitteln sei als Unterpfand für die ass. Regierungen weitere rd. 225 Mio M in Gold zu hinterlegen. Darüber hinaus hätten die all. und ass. Regierungen 100 000 t Lebensmittel, die sofort verfügbar seien, angeboten; hierfür müßten weitere 150 Mio M in Gold bei einer holländischen oder belg. Bank hinterlegt werden. Im übrigen sei zu beachten, daß die Lebensmitteleinfuhren im voraus zu bezahlen seien; deshalb müßten bereits jetzt die Zahlungsmittel für die Lebensmittellieferungen im Mai beschafft werden. Auch ein norwegisches Angebot von über 100 000 t Heringen sei zu berücksichtigen, für das etwa 70 Mio Kronen zu bezahlen sei. „Da die Verhandlungen mit den zuständigen Ressorts zu einer Einigung über Beschaffung der danach erforderlichen Zahlungsmittel nicht geführt haben, beehre ich mich Eure Exzellenz ergebendst zu bitten, einen Beschluß der RReg. dahin herbeizuführen, daß die obengenannten Goldbeträge zur Zahlung und Hinterlegung seitens der Rbk sofort zur Verfügung zu stellen sind, daß weiterhin mit der Verwertung der beschlagnahmten fremden Wertpapiere begonnen und der daraus erzielte Erlös zur Beschaffung von Lebensmitteln verwendet wird, endlich, daß sofort die Verhandlungen über die Gewährung von Krediten zur Lebensmittelbeschaffung mit den neutralen Staaten aufgenommen werden. Ich darf ergebendst darauf hinweisen, daß die bisher von der Rbk und dem RSchAmt erhobenen Bedenken überwunden werden müssen, wenn die Lebensmittelversorgung Deutschlands auch wirklich sichergestellt werden soll. Die Entscheidung darüber, welche Mengen eingeführt werden müssen, muß ich für mich beanspruchen […]“ (R 43 I /1266 , Bl. 134 f.).

3

Siehe Dok. Nr. 14b, P. 1.

4

Als Möglichkeiten, um die im Brüsseler Abkommen vom 14.3.1919 geregelte all. Lebensmittelzufuhr für Dtl. zu bezahlen, waren in Anlage II, Art. 3 des Abkommens genannt: a) Die Ausfuhr von Waren und der Verkauf der Ladungen dt. Schiffe, die sich in neutralen Ländern befanden; b) Kredite in neutralen Ländern; c) Der direkte Verkauf ausländischer Wertpapiere oder ausländischen Besitzes; d) Die Schaffung von Vorschüssen gegen Verwendung von ausländischen Wertpapieren oder ausländischen Besitzes als Unterpfand; e) Das Verheuern dt. Schiffe; f) Gold konnte als Unterpfand für Aufnahme von Anleihen benutzt werden, das wieder frei wurde, wenn für die Rückzahlung der Anleihen andere Zahlungsmöglichkeiten geschaffen werden konnten. Der direkte Verkauf von Gold wurde dagegen nur gestattet, wenn die Alliierten anerkannten, daß die übrigen vorgesehenen Zahlungsmöglichkeiten nicht genügten (Waffenstillstand, II, S. 182 f.).

Es fand eine ausführliche Aussprache darüber statt, inwieweit es notwendig sei, zu diesem Zwecke Gold ins Ausland zu legen, welche Tragweite solche[102] Abgabe aus den Goldbeständen der Reichsbank ins Ausland haben würde, inwieweit die Einfuhr von Nahrungsmitteln zu Gunsten der Einfuhr von Rohstoffen eingeschränkt werden müsse sowie wann und in welchem Umfange auf Grund des Aufrufs der ausländischen Wertpapiere fremde Werte zu Zahlungszwecken benutzt werden könnten. In dieser Aussprache vertreten Reichsbankpräsident Havenstein und Reichsminister Schiffer die Bedeutung der Goldreserve und Reichsminister Wissell die Notwendigkeit flüssiger Mittel für die Einfuhr von Rohstoffen. Es wurde indessen namentlich auf Grund der Darlegungen des Ministerpräsidenten und der Reichsminister Schmidt, Bauer und Erzberger zum Schlusse allgemein anerkannt, daß Deutschland in allererster Linie Lebensmittel einführen müsse, und daß es notwendig sei, dem Reichsernährungsminister die Ermächtigung zu geben, daß er den in dem Lebensmittelabkommen für die Einfuhr von Lebensmitteln bestimmten Höchstbetrag voll ausnutze5. Da bis Ende des Monats Deckung in Höhe von 150 Millionen Mark vorhanden sein muß, soll der hierzu notwendige Betrag in Gold sofort an einem neutralen Ort deponiert werden; die Reichsbank wird versuchen, durch Beschaffung anderer Zahlungsmittel diesen Goldbetrag sobald als möglich wieder auszulösen6. Zur Bezahlung der in Norwegen bereitliegenden 100 000 Tonnen Heringe, die sofort gekauft werden sollen, wird die Reichsbank möglichst die inzwischen aufgerufenen ausländischen Wertpapiere benutzen.

5

Laut Anlage II, Art. 2 des Brüsseler Abkommens vom 14.3.1919 hatte Dtl. das Recht, „bis zu 300 000 t Brotstoffe und 70 000 t Fette einschließlich Schweinefleischprodukte, pflanzliche Öle und kondensierte Milch monatlich bis 1. 9. zu kaufen und einzuführen“ (Waffenstillstand, II, S. 182).

6

Dieses Verfahren bezog sich auf die Klausel in Anlage II, Art. 3 Abs. f. des Brüsseler Abkommens, s. Anm. 4.

In der Aussprache wurde zur Erwägung gestellt, den Landwirten für reichliche Ablieferungen und für Frühdrusch Prämien zu gewähren, anderseits den Arbeitern in Kohlenbezirken und anderen Bergwerken für den Fall der Erreichung gewisser Produktionsleistungen Prämien in Fett und anderen Nahrungsmitteln zusätzlich zu versprechen. Die Gewährung von Prämien an die Landwirtschaft wurde allseitig abgelehnt mit Rücksicht auf die ungünstigen Erfahrungen, die man auf diesem Gebiete gemacht habe. Die Reichsminister Bauer und Schmidt sprachen sich auch gegen die Prämien an die Arbeiter aus. Auf Vorschlag des Reichsministers Erzberger wurde das Reichsernährungsministerium ermächtigt, über diese Frage von Fall zu Fall zu entscheiden.

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