2.125.2 (bau1p): 2. Bevorstehende Note der Entente.

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Das Kabinett BauerKabinett Bauer Bild 183-R00549Spiegelsaal Versailles B 145 Bild-F051656-1395Gustav Noske mit General von Lüttwitz Bild 183-1989-0718-501Hermann EhrhardtBild 146-1971-037-42

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2. Bevorstehende Note der Entente.

Der Reichskanzler weist darauf hin, daß nach umlaufenden Gerüchten einige Mitglieder des Kabinetts sich entgegen der bisher vom Kabinett eingenommenen Stellung geäußert haben sollten, wonach die geforderten Entschädigungen für Scapa Flow und die protokollarische Anerkennung weiterer[460] Einmarschmöglichkeiten3 von Deutschland nicht angenommen werden könne. Diese Gerüchte werden von den beteiligten Ministern als unzutreffend zurückgewiesen4.

3

Zum Gesamtzusammenhang s. Dok. Nr. 113.

4

Über die Kabinettsberatungen liegen wortprotokollartige Aufzeichnungen im Nachl. Koch-Weser  vor. Danach hat der RK über allgemein umlaufende Vorwürfe berichtet, wonach die Minister Erzberger und David eine „abweichende Haltung einnahmen und in die Presse brachten. Es wäre das allerdümmste, wenn der angefeindete Erzberger, wenn auch nur in Privatgesprächen, sich mit solchen Anschauungen hören ließe. Ich muß verlangen, daß, wer anderer Meinung wird, sie hier im Kabinett durchzusetzen versucht, aber nicht draußen gegen das Kabinett arbeitet.“ Die angesprochenen Minister leugnen, eine „Intrige“ gesponnen zu haben. Der RFM äußert dazu u. a.: „Ich habe mit keinem Menschen über die ganze Sache gesprochen. Allein Freitag [5. 12.] mit den Herren Müller, David und Koch. Auch den Franzosen Haguenin, der jetzt überall Anknüpfungen sucht, habe ich nicht empfangen. Außerdem habe ich Sonnabend [6. 12.] dem Reichspräsidenten meine Auffassung gesagt. Ich habe mich um die Frage zu wenig bekümmert. Das ganze ist eine Viktor Naumannsche Intrige.“ In diesem Zusammenhang berichtet RM Geßler: „Viktor Naumann hat mir, als er Unterstaatssekretär bei mir werden wollte, gedroht, daß er, wenn die Regierung nichts für ihn tue, die Regierung stürzen werde.“ Abschließend äußert sich der RPräs.: „Wenn wir Widerstand erheben, wird sich immer derselbe Lärm bei der Entente erheben. Kein Grund zur Beunruhigung. Geschlossenheit des Kabinetts die Hauptsache.“ (Hschr. Aufzeichnung vom 8.12.19; zit. nach der mschr. Übertragung im Nachl. Koch-Weser, Nr. 22, Bl. 25 f.).

Die Zweckmäßigkeit des Verhaltens von Simsons in Paris wird mit Rücksicht auf die Auswahl der für die weiteren Verhandlungen zu entsendenden Persönlichkeiten erörtert5. Es wird in Aussicht genommen, die Abordnung zusammenzusetzen aus Herrn von Haniel, Herrn von Simson, dem Abgeordneten Petersen und einigen Sachverständigen. Erwogen wird auch die Entsendung[461] von Minister Geßler und Minister Mayer. Auf Wunsch von Minister Geßler wird sein Name zurückgestellt, weil seine Entsendung erst nach dem Abschluß des Friedensvertrags zu direkten Verhandlungen mit Minister Loucheur erwünscht ist.

5

Nach den Aufzeichnungen RIM Kochs wird die diesbezügliche Diskussion vom RAM mit der Bemerkung eröffnet, daß die Entente wahrscheinlich nicht auf ihren Forderungen beharren werde, da die Heere der Verbündeten nicht mehr so marschbereit ständen wie im Frühjahr. Auch fange die Entente an, „unsere nationalistische und militaristische Bewegung zu fürchten“; hinzu kämen Sorgen der Verbündeten, von Amerika im Stich gelassen zu werden. Nachdem von Lersners Auftreten Eindruck gemacht habe (vgl. Dok. Nr. 113, Anm. 5), wolle er eine neue Verhandlungsdelegation unter Beteiligung des MinDir. von Simson nach Paris schicken. Während der RFM Simsons Abreise vom 22. 11. (vgl. Dok. Nr. 109) für „einen großen politischen Fehler“ hält, wird der Vorgang vom RK prinzipiell befürwortet; aber Simson „hätte wieder hinreisen müssen, ohne eine Antwort des Schiedsgerichts über Scapa Flow abzuwarten. In dem Fortbleiben liegt eine Brüskierung, die ich mir als Sieger nicht hätte gefallen lassen. Jetzt aber können wir nicht hingehen, da das den denkbar schlechtesten Eindruck machen würde. Jetzt muß die Note abgewartet werden.“ Dagegen führt der RWeM aus, daß von Simsons Abreise „im Ausland mindestens nicht geschadet und im Inlande den besten Eindruck gemacht“ habe. „Offiziell werden die Franzosen noch immer dicke Töne reden. Es müssen also nach Frankreich Leute hin, die hintenrum ihre gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen ausnützen. Denn nicht Clemenceau, sondern Leute wie Loucheur setzen sich schließlich durch. – Die Franzosen fragen mich immer, ob, wenn sie vorrücken, nicht geschossen werden würde, und drücken immer die Hoffnung aus, daß ich in einem solchen Falle zurücktreten könne, denn Deutschland müsse in Ordnung gehalten werden. Es darf das Protokoll mit dem Schlußsatz nicht unterschrieben werden. Im Sommer wären die Feinde wie eine Sturmflut über Deutschland gekommen. Heute liegt die Sache ganz anders. Es gibt nur kleine Truppen, die sogar den Guerilla-Krieg fürchten.“ Gegen die vom RWeM als Delegationsteilnehmer vorgeschlagenen Industriellen wendet sich RWiM Schmidt, da diese „nur Interessenpolitik und daneben alldeutsche Politik“ machten, doch wird ihm in dieser Hinsicht von den demokr. Ministern Schiffer und Koch widersprochen, die ihrerseits den Ausführungen des RAM beipflichten. Nachdem schließlich der RPräs. „unbedingt“ für die Entsendung von Simsons eingetreten ist, nominiert der RK die nachfolgend im Prot. aufgeführte Delegation (hschr. Aufzeichnung vom 8.12.19; zit. nach der mschr. Übertragung im Nachl. Koch-Weser , Nr. 22, Bl. 24–26).

Der Entente soll durch Freiherrn von Lersner mitgeteilt werden, daß beabsichtigt ist, eine Abordnung zu entsenden. Die letzte Instruktion an Lersner soll veröffentlicht werden6.

6

Zur Beschlußfassung über diese Instruktion s. Dok. Nr. 113, insbesondere Anm. 5. – Der RK hatte sie auszugsweise bereits am 6. 12. anläßlich eines Empfangs des Vereins der Berliner Presse im Berliner Rathaus bekanntgegeben, um Verdächtigungen, die RReg. verzögere die Ratifikationsverhandlungen über das o. a. Schlußprotokoll, entgegenzutreten (DAZ Nr. 602 vom 7.12.19). Ein Gesamtabdruck der dem Vorsitzenden der dt. Friedensdelegation am 28. 11. erteilten Instruktion findet sich – außer in der Tagespresse – in der am 4.3.20 vom RAM vorgelegten Dokumentation betr. „Die Verhandlungen über die Versenkung der deutschen Kriegsschiffe in Scapa Flow“ (NatVers.-Bd. 431 , Drucks. Nr. 2326 ).

Das Kabinett beschließt ausdrücklich: Bevor bei künftigen Verhandlungen der Entschluß zur Abreise und Unterbrechung der Verhandlungen gefaßt wird, soll stets die Zustimmung des Kabinetts eingeholt werden.

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