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4. Außerhalb der Tagesordnung: Eisenbahnunglück in Polen15.
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Am 1.5.25 war der Schnellzug Eydtkuhnen-Berlin in der Nähe von Pr. Stargard entgleist und eine hohe Böschung hinuntergestürzt. Das Unglück forderte dreißig Todesopfer.
Der Reichsverkehrsminister berichtete über das Ergebnis der Untersuchung des Schiedsgerichts. Ein für Deutschland positives Ergebnis werde zunächst nicht herauskommen16. Mit Rücksicht auf die aber zweifellos an anderen Stellen[287] bestehende Vernachlässigung des Eisenbahnkörpers im polnischen Gebiet sei zu erwägen, ob nicht aus diesem Anlaß Deutschland ein generelles Besichtigungsrecht der durch deutsche Züge benutzten Strecken im polnischen Korridor verlangen sollte. Er bitte um die Ermächtigung, in diesem Sinne bei passender Gelegenheit vorgehen zu dürfen17.
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Mit dem Hinweis auf Meinungsverschiedenheiten über die Ursache des Unglücks – die poln. Behörden glaubten an einen verbrecherischen Anschlag, die dt. Seite war von der mangelhaften Instandhaltung der Durchgangsstrecke überzeugt („Die Zeit“ vom 2. und 5.5.) – hatte die RReg. beim Schiedsgericht in Danzig (vgl. dazu Art. 11 des Abkommens zwischen Dtld., Polen und der Freien Stadt Danzig über den Eisenbahndurchgangsverkehr, RGBl. 1921, S. 1069) eine Gleisbesichtigung beantragt. Diese führte am 12. 5. zur Feststellung des im wesentlichen einwandfreien Zustandes der betreffenden Streckenabschnitte („Die Zeit“ vom 12., 13. und 15.5.25).
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Durch Interpellation vom 4. 5. hatte die DNVP die RReg. ersucht, in Verhandlungen mit der Poln. Reg. zu erreichen, „daß die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft zur verantwortlichen Instandhaltung des Oberbaus und der Kunstbauten […] mit herangezogen wird.“ (RT-Drucks. Nr. 857, Bd. 400). In ihrer Stellungnahme, abgegeben durch StS Schubert in der RT-Sitzung am 20. 5., sagt die RReg. zu, „bei den gegenwärtig stattfindenden Verhandlungen über Abänderungen des Korridorabkommens [s. Anm. 16] neue Bestimmungen“ vorzuschlagen, „die eine erhöhte Sicherheit des Durchgangsverkehrs zu gewährleisten geeignet sind.“ (RT-Bd. 385, S. 1986). Diese Verhandlungen führen am 27.3.26 zur Unterzeichnung eines neuen „Abkommens über den gegenseitigen Eisenbahnverkehr zwischen Deutschland einerseits, Polen und der Freien Stadt Danzig andererseits“ (RGBl. II, S. 755).
Der Reichskanzler hielt diese Anregung für sehr wertvoll.
Das Kabinett stimmte dieser Auffassung bei.