2.34 (vpa1p): Nr. 34 Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft an den Reichskanzler, z. Z. in Lausanne. 22. Juni 1932

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Nr. 34
Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft an den Reichskanzler, z. Z. in Lausanne. 22. Juni 1932

R 43 I /2045 , Bl. 187–188

[Arbeitsbeschaffung, Siedlungsprogramm, Getreidebewirtschaftung, Länderkonferenz]

Sehr verehrter Herr Reichskanzler!

Herzlichen Dank für die gütigen Zeilen vom 19. d. Mts.1.

1

Vgl. Dok. Nr. 32.

Ich darf zu den einzelnen Fragen kurz Stellung nehmen:

1) Das Arbeitsbeschaffungsprogramm muß nach meiner Ansicht im Vordergrund aller Wirtschaftspolitik des Kabinetts stehen. Es wird zur Zeit federführend im Arbeitsministerium bearbeitet, während die anderen Ressorts jeweilig mitarbeiten. Die Folge davon wird ein unbeschreiblicher und schwer einzudämmender Federkrieg zwischen den einzelnen Ministerien sein und damit die Durchführung jedes Programms verlangsamen und gefährden. Ich bitte daher, doch einmal die Frage zu prüfen, ob nicht ein Reichskommissar für Arbeitsbeschaffung[116] eingesetzt werden solle, dem dieser ganze Fragenkomplex übertragen wird. Die einzelnen Ressorts stellen ihre Referenten (unter Belassung in ihren Etatstellen) insoweit dem Reichskommissar zur Verfügung, als sie Einzelfragen des Arbeitsbeschaffungsprogramms zu bearbeiten haben. Meine Ansicht über die Notwendigkeit eines solchen Kommissars teilen nach den bisherigen Besprechungen sowohl Herr von Schleicher als auch Herr von Gayl; mit Herrn Gürtner habe ich nur vorübergehend darüber gesprochen. Ich könnte mir denken, daß ein Mann wie Staatssekretär Schmidt (sogenannter Schweineschmidt)2 oder eine andere starke Persönlichkeit, die in Berlin genau Bescheid weiß, ein solches Amt übernehmen müßte. Auch politisch würde es für das Kabinett gut sein, wenn die Arbeitsbeschaffung nach außen hin so stark in den Vordergrund gerückt würde. Mit Herrn Schäffer habe ich übrigens bisher nicht Gelegenheit gehabt, über diese Angelegenheit zu sprechen3.

2

Gemeint ist Carl Christian Schmid, StS im RMinbesGeb. von 1926 bis 1932. Während des Ersten Weltkrieges hatte Schmid – damals RegR im PrIMin. – maßgeblich an der Ausarbeitung einer VO mitgewirkt, derzufolge 1916/17 eine Massenschlachtung von Schweinen durchgeführt wurde, um die Verfütterung wichtiger Lebensmittel zu verhindern.

3

Vgl. Dok. Nr. 33, P. 4 a.

2) Siedlungsprogramm: Trotz dauernden Drängens ist es mir aus bestimmten im Arbeitsministerium liegenden Gründen, auf die ich hier nicht eingehen möchte, bisher nicht möglich gewesen, endgültig die Siedlung auf das Ernährungsministerium zu überführen4. Ich habe dieserhalb aber bereits so eindringliche Vorstellungen erhoben, daß ich hoffe, die Sache wird morgen erledigt sein. Die letzte große gesetzgeberische Aktion in der Siedlungs- und Osthilfenfrage ist aber bereits von mir in Angriff genommen, nämlich die Frage der Auffangorganisation für nicht rettungsfähige Güter5. Der Gesetzentwurf liegt mir vor, hat aber soviel politische und wirtschaftliche Haken, daß ich ihn auf das genaueste durcharbeiten will, ehe ich ihn dem Kabinett vorlege. Für heute nachmittag habe ich mich bereits mit Generallandschaftsdirektor von Grolmann verabredet, um über diese Dinge zu sprechen6, auch weiß Mussehl darüber genau Bescheid.

4

Vgl. Dok. Nr. 33, P. 4 b.

5

Der Plan, eine „Auffangorganisation“ des Reiches für nicht mehr entschuldungsfähige landwirtschaftliche Grundstücke im Osthilfegebiet zu schaffen, um diese möglichst rasch der Siedlung zuführen zu können, war schon in dem gescheiterten Siedlungsentwurf der Reg. Brüning (vgl. Anm. 2 zu Dok. Nr. 32) enthalten gewesen. Zur Vorgeschichte einige Materialien (u. a. betr. Auseinandersetzungen zwischen Schlange-Schöningen und Stegerwald) in R 43 I /1289 .

6

Zum Ergebnis der weiteren Bemühungen v. Brauns in dieser Frage vgl. seine Mitteilungen in der Ministerbesprechung am 28. 7. (Dok. Nr. 89, P. 3).

3) Ich darf im Anschluß hieran noch kurz berichten, daß die Frage der Getreidebewirtschaftung für die Ernte 1932 von uns soweit durchgearbeitet ist, daß wir sie in dieser Woche mit der „Grünen Front“ besprechen und in der nächsten Woche Einzelheiten bekannt geben wollen. Von einem Monopol (wie es Knebel, Flügge usw. wünschen) komme ich schon aus dem Grunde ab, weil es in so kurzer Zeit garnicht auf die Beine zu stellen ist. Der Apparat würde sehr groß werden, der Durchstecherei wäre Tür und Tor geöffnet. Bisher haben auch nur Zuschußländer das Monopol eingeführt (Schweiz, England); für Länder, die ihren Nahrungsmittelbedarf im wesentlichen selbst decken, wie[117] Deutschland, bestehen außerordentliche, übrigens auch finanzielle Gefahren, die wir m. E. nicht eingehen können. Ob die Zukunft zu monopolartiger Regelung zwingt, möchte ich heute dahingestellt sein lassen7.

7

Vgl. Dok. Nr. 33, P. 4 c.

4) Der Frage der Abschreibung uneintreibbarer Forderungen in der Landwirtschaft, der Erhöhung der Liquidität der Genossenschaften und der Bildung eines niedrigeren Zinsfußes galten sehr eingehende Verhandlungen zwischen den Reichsressorts, die zu Resultaten geführt haben, von denen Krosigk weiß. Wir sind auf diesem Gebiet ein gutes Stück vorwärts gekommen.

5) In Sachen der Länderkonferenz will es mir dringend erforderlich erscheinen, daß man mit äußerster Energie die Autorität des Reiches und des Herrn Reichspräsidenten verteidigt, auch auf die Gefahr hin, daß man einzelnen Ländern im Süden wehtut8.

8

Zur Länderkonferenz (22. 6.) vgl. Dok. Nr. 33, P. 3; 38, P. 6; 40, P. 4.

Für heute dieses kurze Stimmungsbild in der Hoffnung, Sie, sehr verehrter Herr Reichskanzler, bald wieder bei uns zu wissen.

Ihr Ihnen herzlich ergebener

Braun

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