1.64.1 (vpa2p): [Änderungen in der Reichsverwaltung]

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[Änderungen in der Reichsverwaltung]

Es wurde der beiliegende Entwurf von Änderungen in der Reichsverwaltung1 besprochen.

1

Der Entwurf abgedr. als Anlage zu diesem Dokument. Er ist undatiert und nicht unterzeichnet; Hinweise auf seinen Konzipienten (Ressort?) sowie auf die Umstände seiner Übermittlung an die Rkei konnten in den einschlägigen Aktenbeständen (R 43 I, R 18, R 2) nicht ermittelt werden. – Zu den bisherigen Verhandlungen über Verwaltungsreformmaßnahmen s. Dok. Nr. 17; 31, P. 3; 160. Vgl. auch die Vorschläge Saemischs und Goerdelers vom 30. 7. und 8.8.32 (Dok. Nr. 97, dort bes. Anm 3 ff.).

[877] Reichskanzlei.

Der Herausnahme der Presseabteilung der Reichsregierung aus dem Auswärtigen Amt und der Überleitung der Reichsgeschäftsstelle der Deutschen Nothilfe2 auf das Reichsministerium des Innern stimmte der Reichskanzler zu.

2

Die „Deutsche Nothilfe“, entstanden aus dem im Januar 1923 zur Unterstützung der Bevölkerung im besetzten Ruhrgebiet geschaffenen „Deutschen Volksopfer“, war im November 1923 durch Bildung des „Reichsarbeitsausschusses der Deutschen Nothilfe“, dem unter Vorsitz des RK u. a. Vertreter der Länder, der Wirtschaft und der freien Wohlfahrtsverbände angehörten, ins Leben gerufen worden. Ihre Einnahmen, die von der „Reichsgeschäftsstelle der Deutschen Nothilfe“ nach den Beschlüssen des „Reichsarbeitsausschusses“ zur „Linderung leiblicher Notstände“ verteilt wurden, stammten im wesentlichen aus Spenden der Auslandsdeutschen, der Wirtschaft und aus dem Verkauf von Wohlfahrtsbriefmarken im ganzen Reichsgebiet. Umfangreiche Aktenmaterialien über Gründung, Organisation und Tätigkeit der „Deutschen Nothilfe“ (u. a. Aufrufe, Korrespondenzen, Niederschriften über Sitzungen des Reichsarbeitsausschusses) befinden sich in R 43 I /843 –845.

Der Reichsminister des Innern betonte, daß die gesamte Wohlfahrtspflege im Reichsministerium des Innern zusammengefaßt werden müsse.

Der Reichsminister des Innern führte ferner aus, daß der Reichswehrminister den Wunsch geäußert habe, das Rote Kreuz mehr als bisher aus amtlichen Mitteln zu fördern. Nach Ansicht des Reichswehrministers sei ein jährlicher Zuschuß von 2,5 Millionen nötig. Der Zuschuß betrage zur Zeit 135 000 RM.

Der Reichskanzler führte aus, daß man eine Erhöhung dieses Zuschusses für später ins Auge fassen könne. Im Etat für 1933 werde die Erhöhung nicht möglich sein.

Der Reichsminister des Innern stimmte dieser Auffassung zu.

Auswärtiges Amt.

Der Unterstellung der Presseabteilung unter die Reichskanzlei stimmte der Reichskanzler zu.

Desgleichen bestand Übereinstimmung über die Überleitung der kulturellen Institute auf das Reichsministerium des Innern. Dieses wird eine Verbindung der Institute zum Preußischen Kultusministerium herstellen.

Reichsministerium des Innern.

Es bestand Übereinstimmung über die Übertragung der Angelegenheiten der Grenzlande auf die Länder. Auch Kulturfragen, insbesondere Theaterwesen und Kunst, sollen auf die Länder übertragen werden, soweit es sich nicht um reichswichtige Zentraleinrichtungen handelt.

Der Reichsminister des Innern betonte hierzu, daß grundsätzlich alles auf Länder und Gemeinden übertragen werden müsse, was nicht unbedingt zu den Reichsaufgaben gehöre. Insbesondere müßten die Reichsfonds für diese Zwecke gestrichen werden.

Der Reichsminister der Finanzen führte aus, daß es sich nur um geringe Fonds handele. Er wisse im Moment noch nicht, wie er den Finanzausgleich dieser Fonds wegen ändern solle. Vielleicht könne man jedoch die Einkommensteuer unter einem Betrage von z. B. 2400 RM den Kommunen überlassen und eine Relation zu den Realsteuern herbeiführen.

Es bestand ferner Übereinstimmung über die Übertragung der Bearbeitung[878] von Unwetterschäden landwirtschaftlicher Art an das Reichsernährungsministerium, von Schäden sonstiger Art an das Reichswirtschaftsministerium.

Eine Verbindung des Reichsverlagsamts und der Preußischen Gesetzsammlung soll angestrebt, die beiden Ämter sollen möglichst vereinigt werden.

Die Leitung des Deutschen Reichs- und Preußischen Staatsanzeigers soll nach Möglichkeit dem Reich übertragen werden. Erwünscht erschien auch die Herstellung einer engeren Gemeinschaft zwischen den Reichsarchiven und den Staatsarchiven, desgleichen zwischen der Deutschen Bücherei und der Preußischen Staatsbibliothek.

Desgleichen sollen die Zuständigkeiten zwischen dem Reichsgesundheitsrat und dem Landesgesundheitsrat (bisher Wohlfahrtsministerium) klarer abgegrenzt werden.

Reichsfinanzministerium.

Der Reichsminister des Innern warf die Frage auf, ob die Reichsfinanzverwaltung auf die Länder übertragen werden solle.

Der Reichsminister der Finanzen erwiderte, daß er auf eine eigene Reichsfinanzverwaltung nicht verzichten könne. Auf jeden Fall sei die Zollverwaltung nötig, aber auch auf eine eigene Steuerverwaltung werde das Reich nicht verzichten können.

Dieser Auffassung wurde zugestimmt.

Die artfremden Aufgaben der Reichsfinanzverwaltung3 sollen auf die Länder übertragen werden, wenn diese sie übernehmen wollen. Andernfalls ist die Reichsfinanzverwaltung weiter bereit, artfremde Aufgaben zu betreuen.

3

Gemeint sind die von den Finanzbehörden des Reichs (u. a. Landesfinanzämter) seit langem wahrgenommenen Landesaufgaben wie „die Verwaltung des Landesvermögens, die Verwaltung indirekter Gemeindesteuern und -gefälle, fiskalischer Gefälle, die Auszahlung von Gehältern und Ruhegehältern“ (vgl. Niederschrift über die Sitzung des Reichsratssonderausschusses für die Vereinfachung der öfftl. Verwaltung vom 5./6.3.26 in R 2 /20167 ).

In diesem Fall kommt jedoch eine Gegenleistung der Länder in Betracht.

Die Reichsfinanzverwaltung soll auch landessteuerliche und sonstige Landesaufgaben übernehmen, wenn die Länder es wünschen.

Zur Übertragung der Reichsbauverwaltung als Auftragsangelegenheit an die Länder, jedenfalls an Preußen, vertrat der Reichsminister der Finanzen die Auffassung, daß das Reich jedenfalls eine kleine Bauverwaltung nicht werde entbehren können. Grundsatz müsse sein, daß der, der baue, auch selbst den Bau vorbereiten und veranschlagen müsse.

Der Reichsminister des Innern stimmte dieser Auffassung grundsätzlich zu, warf jedoch die Frage auf, ob z. B. noch eine besondere Post- und Heeresbauverwaltung notwendig sei.

Der Reichsminister der Justiz vertrat die Auffassung, daß eine zentrale Reichsbauverwaltung nötig sei. Dieser Auffassung wurde zugestimmt.

Was die Bauverwaltungen in den Ländern anlangt, so soll den Ländern eine Vereinfachung ihrer Bauverwaltungen anempfohlen werden.

[879] Reichswirtschaftsministerium.

Eine weitere Entlastung des Reichsaufsichtsamts für Privatversicherung durch Übertragung von Aufgaben an die Länder wurde als wünschenswert bezeichnet.

Desgleichen wurde eine Zentralisierung der ganzen Statistik als erstrebenswert bezeichnet.

Es bestand Übereinstimmung, daß das Preußische Statistische Landesamt entbehrlich sei und vom Statistischen Reichsamt übernommen werden könne.

Weiter bestand Übereinstimmung, daß das Statistische Reichsamt auch weiterhin dem Reichswirtschaftsministerium unterstehen müsse. Eine Vereinfachung dieses Amts sei jedoch dringend erforderlich.

Der Reichsminister der Finanzen wies darauf hin, daß Ministerialdirigent Boenicke vorgeschlagen habe, die gesamte Statistik des Deutschen [Reichs] zu zentralisieren. Zur Zeit werde die Personalstatistik von den verschiedensten Stellen, u. a. von der Polizei, der Reichssteuerverwaltung usw. betrieben.

Reichsarbeitsministerium.

Eine Dezentralisation im Geschäftsbereich des Reichsarbeitsministeriums wurde als dringend notwendig bezeichnet. Über die Einzelheiten der Dezentralisation wird der Reichsminister des Innern mit dem Reichsarbeitsminister Fühlung nehmen.

Einverständnis bestand darüber, daß sämtliche Wohlfahrtsaufgaben auf das Reichsministerium des Innern übergehen sollen. Als Fernziel wurde die Vereinigung des Reichswirtschafts- und des Reichsarbeitsministeriums entsprechend der für Preußen getroffenen Regelung bezeichnet.

Reichswehrministerium.

Der Reichsminister des Innern äußerte Bedenken gegen die Übertragung des Gestütswesens auf die Heeresverwaltung. Diese Frage soll noch weiter geprüft werden.

Zur Frage der Aufhebung einer besonderen Heeresbauverwaltung wurde betont, daß die Zusammenfassung sämtlicher Bauverwaltungen des Reichs in einer Spitze dringend geboten sei.

Reichspost- und Reichsverkehrsministerium.

Die Vereinigung beider Ressorts, jedenfalls unter einer gemeinsamen Leitung, wie sie jetzt schon besteht, wurde als dringend erwünscht bezeichnet. Als Endziel wurde ein Reichsverkehrsministerium in Aussicht genommen, dem ein Generaldirektor der Post und ein Generaldirektor der Reichsbahn zu unterstellen sind.

Gegen eine Verreichlichung der Wasserstraßenverwaltung wurden gewisse Bedenken geäußert.

Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft.

Es wurde als erwünscht bezeichnet, die Durchführung der ländlichen Siedlung[880] auf die Länder zu übertragen. Die Aufsicht über die Deutsche Siedlungsbank4 soll beim Reich bleiben5.

4

Die auf Grund der VO vom 26.9.30 (RGBl. I, S. 457 ) und des pr. Gesetzes vom 31.7.31 (Pr. Gesetzsammlung, S. 142) in Berlin errichtete Bank war als einheitliches Siedlungsfinanzierungsinstitut des Reichs und Preußens Träger sämtlicher „Zwischen- und Dauerkredite für die ländliche Siedlung“.

5

Zum Fortgang s. Dok. Nr. 216, P. 10.

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