1.81.1 (vpa2p): [Anlage]

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Das Kabinett von Papen Band 2Das Kabinett von Papen Bild 183-R1230-505Wahllokal in Berlin Bild 102-03497AGöring, Esser und Rauch B 145 Bild-P046294Ausnahmezustand in Berlin während des „Preußenschlages“.Bild 102-13679

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Text

RTF

[Anlage]

Als Sicherung gegenüber der im Verhältnis zwischen Preußen und dem Reich getroffenen Regelung gibt die Reichsregierung den Ländern über folgende Punkte die nachfolgende verbindliche Erklärung ab:

I.

1.

Die Reichsregierung und die unterzeichnete Landesregierung sind sich einig in der Anerkennung des bundesstaatlichen Charakters des[941] Reichs und der Eigenstaatlichkeit der Länder. Die Reichsregierung sichert zu, daß bei allen künftigen Maßnahmen des Reichs auf die ungeschmälerte Erhaltung des Staatscharakters der Länder entsprechend Bedacht genommen wird.

1)

2.

Die Reichsregierung erkennt an, daß durch die für Preußen getroffene Regelung eine tiefgreifende Gleichgewichtsverschiebung eingetreten ist, zu deren Behebung ein genügender Ausgleich für die außerpreußischen Länder unerläßlich ist.

Die Reichsregierung und die unterzeichneten Landesregierungen kommen dahin überein, daß der im Verhältnis zwischen dem Reich und Preußen geschaffene Zustand bis zur endgültigen verfassungsrechtlichen Regelung die in der nachstehenden Vereinbarung vorgesehenen Maßnahmen notwendig macht. Da die Reichsregierung und die unterzeichneten Landesregierungen einig sind in der Anerkennung des bundesstaatlichen Charakters des Reichs und der Eigenstaatlichkeit der Länder, erkennt die Reichsregierung ihrerseits an, daß die Gleichgewichtsverschiebung im Verhältnis zwischen Reich und Preußen einen Ausgleich für die außerpreußischen Länder notwendig macht und daß auf die ungeschmälerte Erhaltung des Staatscharakters dieser Länder bei allen künftigen Maßnahmen des Reichs entsprechend Bedacht genommen wird.

3.

Die Reichsregierung sichert zu, daß weder im Wege der ordentlichen noch der Notgesetzgebung aus Art. 48 RV., noch der Gestaltung der finanziellen Beziehungen Maßnahmen getroffen werden, durch die die Aufgabengebiete der Länder und ihre Hoheitsrechte geschmälert werden. Insbesondere sichert die Reichsregierung zu:

2)

Die Reichsregierung sichert zu, weder im Wege der ordentlichen noch der Notgesetzgebung nach Art. 48 RV., noch der Gestaltung der finanziellen Beziehungen Maßnahmen zu treffen, durch die die Aufgabengebiete der Länder und deren Hoheitsrechte geschmälert werden, insbesondere gibt sie die Zusicherung:

a)

daß keine Regelung erfolgt, die das Gemeindewesen hinsichtlich der Gesetzgebung oder der Verwaltung oder in der Gestaltung der finanziellen Beziehungen der Gemeinden ganz oder teilweise aus dem Hoheitsbereich der Länder ausgliedert und in das Reich überführt,

a)

wie 3 a linke Spalte

b)

daß unbeschadet des Gesetzgebungsrechts des Reichs keine Reform der Sozialverwaltung erfolgt, bei der die Versicherungsträger oder die Versicherungsbehörden der bestehenden organisatorischen Eingliederung in die Landesverwaltung oder in die Landesaufsicht entzogen werden,

b)

wie 3 b linke Spalte

c)

daß die Reichswasserstraßenverwaltung als Auftragsverwaltung gemäß den abgeschlossenen Staatsverträgen bei den Ländern bleibt.

c)

wie 3 c linke Spalte

II.

Die Reichsregierung sichert zu, daß die Länder vor der Verabschiedung des Verfassungsreformentwurfs im Reichskabinett nicht nur gehört, sondern an der ursprüngl. und späteren Ausgestaltung des Entwurfs maßgeblich beteiligt werden.

III.

4.

Die Reichsregierung und die unterzeichneten Landesregierungen sind darin einig, daß der Verfassungsreformentwurf von folgenden Erwägungen ausgehen muß, daß

Die Reichsregierung und die unterzeichneten Landesregierungen sind ferner darin einig, daß der Verfassungsentwurf von folgenden Gedanken getragen sein muß:

a)

der Reichsrat ohne Hereinnahme fremder Elemente als Organ zur Vertretung der Länder erhalten und nach dem Vorbild des ehem. Bundesrats als gleichberechtigter Faktor der Gesetzgebung aufgebaut wird,

a)

Der Reichsrat wird ohne Hereinnahme fremder Elemente als Organ der Gesamtheit der Länder erhalten und nach dem Vorbild des ehem. Bundesrats als gleichberechtigter Faktor der Gesetzgebung ausgebaut;

b)

der Art. 48 RV., sei es durch Verfassungsänderung, sei es durch Erlaß eines Ausführungsgesetzes nach Abs. 5 im Sinne einer stärkeren Sicherung der Rechte der Länder neugestaltet oder klargestellt wird,

b)

der Art. 48 RV. wird im Sinne einer stärkeren Sicherung der Rechte der Länder neugestaltet oder durch ein Ausführungsgesetz nach Abs. 5 näher umgrenzt;

c)

auf dem Gebiete des Finanzwesens die Steuerquellen zwischen Reich und Ländern grundsätzlich geschieden werden mit dem Ziele, das System der Steuerüberweisungen auf ein Mindestmaß zu beschränken5,

c)

auf dem Gebiete des Finanzwesens werden die Steuerquellen zwischen Reich und Ländern grundsätzlich geschieden mit dem Ziele, das System der Steuerüberweisungen auf ein Mindestmaß zu beschränken;

5

Über diesbez. Verhandlungen des RFM mit den Landesregierungen vgl. Dok. Nr. 216, P. 6. – Nach Heindl (Die Haushalte von Reich, Ländern und Gemeinden in Deutschland 1925–1933, S. 96) waren die Länder am Aufkommen der „Überweisungssteuern“ z. Zt. beteiligt: Einkommen- und Körperschaftsteuer (75%), Umsatzsteuer (30%), Kraftfahrzeugsteuer (96%), Grunderwerbsteuer (96%), Rennwettsteuer (96%), Biersteuer (16⅔%).

d)

Art. 9 RV. (Bedarfsgesetzgebung) gestrichen wird und Art. 10 und 11 (Grundsatzgesetzgebung) nach Begriff und Gegenstand auf das Notwendigste eingeschränkt werden,

d)

unter Fortfall des Begriffs der Bedarfsgesetzgebung und unter Einschränkung der Grundsatzgesetzgebung nach Begriff und Gegenstand sollen die Zuständigkeiten des Reichs nach Art. 9 bis 11 RV. gegenüber den Ländern neu abgegrenzt werden;

e)

die Einheit der Verwaltung in der Hand der Länder durch Streichung des Nebensatzes in Art. 14 RV.6, durch Übergabe verreichlichter Verwaltungszweige an die Länder und durch ausreichende finanzielle Ausstattung dieser hinsichtlich der übertragenen Verwaltungszweige (Aufgaben und Organisation) wiederhergestellt wird,

e)

der Übernahme neuer Verwaltungszweige auf das Reich soll durch Änderung des Art. 14 RV. Einhalt geboten werden; ferner soll die Einheit der Verwaltung in der Hand der Länder durch Übergabe verreichlichter Verwaltungszweige an die Länder und durch ausreichende finanzielle Ausstattung dieser hinsichtlich der übertragenen Verwaltungszweige (Aufgaben und Organisation) wiederhergestellt werden;

f)

in den neuen Entwurf der Reichsverfassung Bestimmungen eingebaut werden, die in höherem Maße als bisher, etwa nach dem Vorbilde der Bismarckschen Reichsverfassung7, zum Schutze der den Ländern zustehenden Hoheitsrechte Verfassungsänderungen entweder gegen den Willen der beteiligten Länder ausschließen oder erschweren mit der bindenden Auslegung, daß diese Vorschrift der „Kompetenz-Kompetenz“8 des Reichs nicht unterworfen ist.

f)

in den neuen Entwurf der Reichsverfassung sollen Bestimmungen eingebaut werden, die in höherem Maße als bisher, etwa nach dem Vorbilde der Bismarck’schen Reichsverfassung, zum Schutze der den Ländern zustehenden Hoheitsrechte Verfassungsänderungen entweder gegen den Willen der beteiligten Länder ausschließen oder erschweren.</duolan

6

Art. 14 RV: „Die Reichsgesetze werden durch die Landesbehörden ausgeführt, soweit nicht die Reichsgesetze etwas anderes bestimmen.“

7

In der ursprünglichen Fassung des Länderentwurfs ist in diesem Zusammenhang auf. Art. 78 Abs. 2 der RV vom 16.4.1871 hingewiesen. Vgl. Dok. Nr. 203, Anlage 2, dort Anm 7.

8

Der Begriff umschreibt das Recht des Reichs, seine Kompetenz durch verfassungsändernde Gesetze in verschiedenster Hinsicht, aber auch im Reich-Länder-Verhältnis zu erweitern oder zu vermindern. Vgl. Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. 1, S. 180 f.

5.

Die Reichsregierung sagt zu, daß die Länder vor der Verabschiedung der Reformentwürfe im Reichskabinett nicht nur gehört, sondern an der ursprüngl. und späteren Ausgestaltung der Entwürfe maßgeblich beteiligt werden.

IV.

Die Reichsregierung sichert schließlich zu, daß

6.

Die Reichsregierung sagt zu, daß bei der Gestaltung des Finanzausgleichs, der Vergebung der Reichsaufträge und der Gestaltung der deutschen Wirtschaftspolitik die Gefahr vermieden wird, daß sich die Personalunion9 einseitig zu Gunsten Preußens und seiner Wirtschaftsinteressen auswirkt.

a)

bei der Gestaltung des Finanzausgleichs, der Vergebung der Reichsaufträge und der Gestaltung der deutschen Wirtschaftspolitik für alle Teile des Reichs nach gleichen Grundsätzen verfahren und die Gefahr vermieden wird, daß sich die Personalunion einseitig zu Gunsten Preußens und seiner Wirtschaftsinteressen auswirkt;

7.

Die Reichsregierung sagt zu, daß die Eisenbahnabfindung10 in einer für die Länder tragbaren Weise geregelt wird11.

b)

die Eisenbahnabfindung in einer für die Länder tragbaren Weise geregelt wird.

9

Vgl. Anm 6 zu Dok. Nr. 203.

10

Zum Sachverhalt s. Anm 19 zu Dok. Nr. 42.

11

Zur weiteren Behandlung s. Dok. Nr. 216, P. 6.

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