1.109 (vpa2p): Nr. 238 Adolf Hitler an Staatssekretär Meissner. Weimar, 30. November 1932

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 3). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Das Kabinett von Papen Band 2Das Kabinett von Papen Bild 183-R1230-505Wahllokal in Berlin Bild 102-03497AGöring, Esser und Rauch B 145 Bild-P046294Ausnahmezustand in Berlin während des „Preußenschlages“.Bild 102-13679

Extras:

 

Text

RTF

[1034] Nr. 238
Adolf Hitler an Staatssekretär Meissner. Weimar, 30. November 19321

1

Auch abgedr. in Hubatsch, Hindenburg und der Staat, Dok. Nr. 102. – Zur unmittelbaren Vorgeschichte dieses Schreibens vermerkte Meissner in einer „Aktennotiz“ vom 1. 12. u. a.: Am 30. 11. sei durch einen „Mittelsmann“ des RWeM an Hitler die Aufforderung ergangen, „er wolle zu einer Aussprache über die politische Lage sich am Donnerstag, dem 1. Dezember, 11.30 Uhr beim Herrn Reichspräsidenten einfinden. Diese Einladung habe ich dann später sowohl dem Adjutanten Görings, Körner, der mich aufsuchte, mündlich, als auch dem Reichstagspräsidenten Göring gegenüber, der mich von Weimar aus anrief, telephonisch wiederholt. Körner suchte mich auf, um auf Anweisung von Hitler bei mir zu erfragen, welches der Gegenstand der Besprechung sein sollte, ob Hitler noch einen anderen der Führer der NSDAP mitbringen sollte, und schließlich, ob es möglich sei, daß Hitler auch zunächst, wie das letzte Mal [vgl. Dok. Nr. 222], mit dem Herrn Reichspräsidenten unter vier Augen spreche. Ich habe ihm hierauf erwidert, daß der Herr Reichspräsident die gesamte politische Lage mit Hitler zu besprechen wünsche, wobei naturgemäß die Frage der Tolerierung eines etwaigen Kabinetts Schleicher durch die NSDAP zu erörtern wäre; jedoch sei die Unterhaltung nicht umgrenzt; ihr Umfang und ihr Inhalt bestimme sich aus dem Laufe der Unterhaltung der beiden Herren. Die Teilnahme eines anderen Führers – gedacht war wohl an Göring – wünscht der Herr Reichspräsident nicht, da alle Besprechungen mit den Parteiführern nur von dem jeweiligen Parteiführer allein geführt wurden. Einer Besprechung unter vier Augen, also in meiner Abwesenheit, stände gar nichts im Wege. Herr Körner stellte mir dann baldige Antwort in Aussicht; ich nahm an, daß diese Antwort eine Zusage sein würde; die Ausführungen Körners hinterließen bei mir den Eindruck, daß er derselben Ansicht sei.“ Später habe dann Göring ihn, Meissner, aus Weimar angerufen und folgendes ausgeführt: „Hitler käme durch einen neuen Besuch beim Herrn Reichspräsidenten in eine unangenehme Lage. Alles, was er dem Herrn Reichspräsidenten zu sagen habe, habe er ihm schon gesagt. Er habe auch ein präzises Programm gemacht [vgl. unten Anm 3]. Die Auffassung bei Hitler sei unverändert, deshalb verspräche er sich von dieser Aussprache nichts; sie würde nur wieder im Volke neue Hoffnung wecken, und wenn sie resultatlos verliefe, neue Enttäuschung bereiten. Ich erklärte ihm, die Situation habe sich doch seit der letzten Besprechung Hindenburgs mit Hitler wesentlich geändert, es stehe jetzt fest, daß man keinerlei Mehrheit haben könnte, und man stehe jetzt vor der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die NSDAP ein Präsidialkabinett Schleicher tolerieren würde. Darüber müsse man doch einmal sprechen. Natürlich sei es auch Herrn Hitler unbenommen, über dieses Thema hinaus seine Auffassung zur derzeitigen Lage und der weiteren Entwicklung darzulegen. Der Herr Reichspräsident setze der Besprechung keinerlei Beschränkung. Auch könne Hitler unter vier Augen mit dem Herrn Reichspräsidenten sprechen. Göring wiederholte seine Bedenken, so daß ich schließlich sagte, wenn Herr Hitler eine Einladung des Herrn Reichspräsidenten ablehne, so solle er das eben ruhig sagen und der Öffentlichkeit das Urteil hierüber überlassen. Göring lenkte dann wieder ein und versprach, baldigst Antwort zu geben. Aus dieser Unterhaltung hatte ich den Eindruck, daß Göring die Aussprache Hitler–Hindenburg verhindern wolle. Am späten Abend rief Körner dann in meiner Wohnung an und teilte mir mit, daß Herr Hitler nicht kommen würde und daß ein Brief mit der Absage an mich während der Nacht mit einem Kurier nach Berlin käme. Ich verabredete mit ihm, daß er mir diesen Brief heute vormittag 9.30 Uhr überreichen möge. Am 1. Dezember 9.30 überreichte dann Körner den [oben abgedruckten] Brief Hitlers, den ich unverzüglich dem Herrn Reichspräsidenten zur Kenntnis brachte und abschriftlich dem Reichskanzler, Reichswehrminister und Reichsminister des Auswärtigen von Neurath zuleitete.“ (BayHStArch. M/629, Fotokopie aus Dt. ZArch. Potsdam, Büro des Reichspräsidenten, Bd. 47).

R 43 I /1309 , S. 581–583 Abschrift in Durchschrift2

2

Von Meissner am 1.12.32 an den RK zur „vertraulichen Kenntnisnahme“ übersandt (R 43 I /1309 , S. 579).

[Hitler lehnt erneute Aussprache mit Hindenburg ab]

Sehr verehrter Herr Staatssekretär!

Soeben übermittelt mir Herr Reichstagspräsident Göring Ihre Einladung, morgen beim Herrn Reichspräsidenten abermals in einer Aussprache zur politischen[1035] Lage und zu den zu treffenden Maßnahmen Stellung zu nehmen. Da ich mündlich und schriftlich meine diesbetreffenden Auffassungen gegenüber dem Herrn Reichspräsidenten und der Öffentlichkeit bereits eingehendst dargelegt habe und mich darüber hinaus eine Woche lang in Berlin zu jeder Erläuterung zur Verfügung hielt, weiß ich nach gewissenhaftester Prüfung zu meinen damaligen Ausführungen nichts Ergänzendes noch vorzutragen, umsomehr als sich eine wesentliche Änderung der politischen Situation nicht ergeben hat.

Im übrigen habe ich ja den positiven Vorschlag, der, meiner innersten Überzeugung entsprechend, allein zu einer dauernden Behebung der Krise führen kann, dem Herrn Reichspräsidenten bereits erfurchtsvollst unterbreitet3. Wie Sie, Herr Staatssekretär, mir mitteilen lassen, soll dieser Vorschlag nicht Grundlage der Besprechung sein. Ich glaube es daher auch vor der öffentlichen Meinung nicht mehr verantworten zu können, bei ihr durch neuerliche Besprechungen Hoffnungen zu erwecken, deren Nichterfüllung nur eine schwere Enttäuschung sein müßte. Da ich mich zu alledem mitten im Thüringischen Wahlkampf befinde, erscheint mir auch aus diesem Grunde ein somit nur informatorischen Zwecken dienender Besuch schwer möglich, und ich bitte daher den hochverehrten Herrn Reichspräsidenten ehrerbietigst, in diesem Augenblick von einer Einladung meiner Person gütigst absehen zu wollen.

3

Durch Schreiben an Meissner vom 23. 11. (Dok. Nr. 226).

Ich darf Sie, verehrter Herr Staatssekretär, weiter bitten, dem Herrn Reichspräsidenten erneut meine tiefste Ergebenheit zu versichern.

Mit dem Ausdruck meiner vorzüglichen Hochachtung

Ihr

gez. Adolf Hitler

Extras (Fußzeile):