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Fortsetzung der Aussprache über die Sanierungsmaßnahmen.
Beamtenbesoldung und Pensionskürzung.
Der Reichsminister der Finanzen legte neue Entwürfe für die Kapitel Beamtenbesoldung und Pensionskürzung vor1.
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Die Vorlagen über die Beamtenbesoldung und die Pensionskürzung sind in das Manuskript der 3. NotVO zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen eingearbeitet worden (R 43 I/2374, S. 555–677, hier S. 593–594, S. 595–611).
Der Reichswehrminister erklärte hierzu, daß er die neuen Vorschläge, insbesondere die §§ 3 und 7 des Kapitels Pensionskürzung für gerecht halte2. Über die politische Seite der Entwürfe sich zu äußern, halte er nicht[1806] für seine Aufgabe. Zu der im Entwurf der Bestimmungen über Beamtenbesoldung noch enthaltenen Aufrückungssperre in den Dienstaltersstufen erklärte er, daß er diese Lösung für einen Irrweg halte3. Aufgabe der Reichsregierung sei es, den Staat stabil zu erhalten. Das erste und wichtigste Mittel zu diesem Ziel erblicke er darin, die Wehrmacht nicht zu erschüttern und die Erhaltung eines treuen und unerschütterten Beamtentums zu sichern. Durch eine Nadelstichpolitik der vorgeschlagenen Art werde dieses Ziel nicht erreicht.
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§ 3 des Entw. setzte die Pension auf höchstens 75% des ruhegeldfähigen Diensteinkommens fest. § 7 sah bei Pensionen von mehr als 12 000 RM im Jahr Kürzungen vor, sofern der Pensionär in der Besoldungsgruppe, aus der sein Ruhegeld berechnet wurde, weniger als fünf Jahre beschäftigt war und seine ruhegeldfähige Dienstzeit weniger als 40 Jahre betrug (R 43 I/2374, S. 596–598).
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§ 1 des Kapitels Beamtenbesoldung sah eine Verlängerung der Dienstaltersstufen um zwei Jahre vor (R 43 I/2374, S. 591).
Der Reichsminister des Innern warnte gleichfalls davor, die Aufrückungssperre in die Notverordnung aufzunehmen. Mit den Vorschriften über die Pensionskürzung insbesondere mit dem neuen § 7 erklärte er sich abfinden zu wollen, wenn die Stellung des Reichswehrministers gegenüber der Wehrmacht durch diese Regelung gefestigt werde.
Der Reichswehrminister erwiderte, daß er in dem vorgeschlagenen § 7 nur einen Akt der Gerechtigkeit gegenüber der Wehrmacht erblicke. Im übrigen sei es ein falscher Weg, wenn der Staat die Jugend vor den Kopf stoße und das Alter durch unverständliche Maßnahmen kränke.
Staatssekretär TrendelenburgTrendelenburg führte aus, daß bei der Beratung des kommenden Wirtschaftsprogramms und bei der Erörterung des Lohnniveaus auch die Beamtenfrage angepackt werden müsse; darum meine er, daß man jetzt die Aufrückungssperre nicht bringen sollte. Vielmehr soll man sich jetzt auf eine Beschneidung der hohen Pensionen und eine Kürzung der Doppelverdiener beschränken.
Der Reichspostminister schloß sich den geäußerten Bedenken gegen die Aufrückungssperre an, indem er sich auf seine praktischen Beobachtungen in seiner Verwaltung berief. Er befürchtete, von Maßnahmen der vorgeschlagenen Art eine unerwünschte Radikalisierung des Beamtentums4.
Der Reichsarbeitsminister führte aus, daß man die Überspannungen in der Beamtenbesoldung, die in den Jahren nach der Revolution eingeführt worden waren, zurückentwickeln müsse. Nach seiner Meinung müsse man den Reichssparkommissar mit einer gutachtlichen Prüfung der Frage beauftragen, ob und inwieweit man auf die Besoldungsverhältnisse des Jahres 1913 zurückgehen könne. Auch in den vom Reichsminister der Finanzen vorgelegten neuen Kapitelentwürfen sei noch manches enthalten, was ihm nicht gefalle. Aber schließlich könne er sich mit den Entwürfen abfinden. Der Standpunkt von Staatssekretär Trendelenburg scheine ihm der richtige zu sein.
Staatssekretär JoëlJoël führte aus, daß er gar keinen Grund sehe, warum man die allgemeine Senkung der Pensionen auf 75 v.H. jetzt nicht bringen wolle. Der Prozentsatz von 75% sei altes deutsches Beamtenrecht. Gegen die Aufrückungssperre dagegen habe auch er Bedenken.
Der Reichskanzler ließ sodann über die Vorschläge von Staatssekretär Joël abstimmen. Es ergab sich eine Mehrheit von 9 Stimmen für die Vorlage[1807] des Reichsministers der Finanzen, in der die Aufrückungssperre gestrichen ist5.
Sparkassenreform.
Ministerialdirektor Dr. ReichardtReichardt erläuterte die neuen Vorschläge6.
Der Reichspostminister äußerte schwerste Bedenken. Die Vorlage löse die Aufgabe nicht, die Sparkassen von den Gemeinden loszulösen. Sie bedeute einen weiteren Schritt zur Zentralisierung des Geldwesens und stände mit der Verfassung nicht mehr in Einklang. Das Sparkassenwesen sei bisher der Zuständigkeit der Länder unterworfen gewesen. Daran dürfe nichts geändert werden. Die Bestimmungen würden im Süden einen Ansturm auf die Sparkassen zur Folge haben. Er bat um entsprechende Änderung der Vorschläge. Eine Majorisierung sei in dieser Frage nicht möglich. Er müsse sich dann weitere Schritte vorbehalten7.
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Gegen die geplante Sparkassenreform hatten bereits der Bayer. MinPräs. Held (Telegramm und Schreiben an den RK vom 1.10.31, R 43 I/2374, S. 813–814, S. 815–818), der BVP-Vorsitzende Fritz Schäffer (Schreiben an den RK vom 1.10.31, R 43 I/2374, S. 819–820) und der Sächs. MinPräs. Schieck (Telegramm vom 3.10.31, R 43 I/2374, S. 825) scharfen Einspruch erhoben.
Der Preußische Minister des Innern konnte für die Preußische Staatsregierung nicht Stellung nehmen. Persönlich vertrat er die Auffassung, daß den Landeszentralbehörden mehr Rechte eingeräumt würden als zweckmäßig sei. Es bestände die Gefahr, daß die Deutsche Girozentrale zum Erliegen käme. Wenn die süddeutschen Länder von den ihnen einzuräumenden Rechten Gebrauch machten, dann würde Preußen allein nicht die Deutsche Girozentrale mit Geld versorgen können. Die süddeutschen Vertreter hätten auf der Sparkassentagung8 den Vorschlägen hinsichtlich der Girozentrale zugestimmt. Baldige Reform sei nötig, sonst bestände die Gefahr weiterer Abzüge von den Sparkassen. Es sei notwendig, daß die Deutsche Girozentrale eine größere Liquiditätsreserve erhalte.
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Die Tagung des Dt. Sparkassenverbands hatte am 28.9.31 stattgefunden (Schultheß 1931, S. 210 ff.).
Der Reichsminister der Finanzen fürchtete, die Entwicklung würde schließlich dahingehen, daß es nur noch Länder-Girozentralen gebe. Das Reich sei nicht in der Lage, für die Deutsche Girozentrale Gelder zu schaffen.
Der Reichsbankpräsident wies darauf hin, daß keine Girozentrale aus eigener Kraft Sparkassengelder zurückzahlen könne. Bayern habe in den kritischen Zeiten über die Reichsgirozentrale 20 Millionen der Reichsbank erhalten. Das sei nur möglich gewesen, weil diese Girozentrale bestanden habe. Sonst hätten die Sparkassen in Bayern längst schließen müssen, ebenso in anderen Ländern.
Jedes Land wünsche ein möglichst großes Kontingent für seine Sparkassen. Es sei aber nicht möglich, an verschiedenen Stellen Spezialreserven zu halten. Sie müßten viel größer sein als eine einheitliche Reserve. Die Reichsbank habe[1808] für den Notfall Hilfe zugesagt. In den schwierigen Zeiten dürfte keine Reserve dorthin gelegt werden, wo sie nicht unbedingt notwendig sei.
Das Geld würde gleichmäßig zur Verfügung gestellt. Eine übermäßige Zentralisierung finde nicht statt. Der Anschluß an die einzige wirkliche Geldquelle sei für jede Sparkasse von größtem Interesse. Die Reichsbank möchte sich auf ihr altes Handelswechselgebiet zurückziehen. Sie müsse aber das ganze Geldwesen betreuen. Es handele sich um keine Zuständigkeitsverschiebung und keine Eingriffe in die Selbständigkeit der Länder, sondern um die Geldeinheit und ihre Nutzbarmachung im ganzen Reiche.
Ähnlich äußerte sich Staatssekretär Dr. TrendelenburgTrendelenburg. Die Liquiditätsreserve sei schließlich jetzt eine Zurückzahlung der Schulden der Sparkasse.
Der Reichskanzler erklärte, er könne nicht von den Ländern ultimative Forderungen hinnehmen. Wenn Bayern Schwierigkeiten mache, müsse es sehen, wie es durchkommt.
Hinsichtlich der Festlegung der Reserven in Länder- und Gemeindepapieren führte der Reichsbankpräsident aus, daß die Reichsbank Lombardisierung nicht wünsche. Es handele sich um eine Reserve zweiten Ranges, neben der Barreserve. Die Lage müsse in allen Teilen Deutschlands dieselbe sein. Es sei allerdings gleich, ob durch Notverordnung oder im Wege der Vereinbarung.
Wenn die Kommunalobligationen später lombardfähig würden, so würden sich seine sachlichen Bedenken abmildern. Er bat diese Ausführungen im Protokoll festzuhalten.
Staatssekretär Dr. TrendelenburgTrendelenburg fürchtete eine starke Abwanderung von den Länderpapieren zu den Reichsanleihen, wenn nur diese lombardfähig blieben. Die Sparkassen würden auf lombardfähige Anleihen Wert legen. Die weitere Entwicklung müsse der Zukunft überlassen werden.
Der Reichsbankpräsident sprach sich gegen die Regelung aus, die in Ziffer 10 der beiliegenden Änderungsvorschläge vorgesehen ist9. Sie würden ein Abweichen von der bisherigen Linie bedeuten, daß die Sparkassen von den Gemeinden losgelöst werden. Die Regelung könne späterer Verordnung vorbehalten werden.
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Ziffer 10 der Änderungsvorschläge wurde durch den hier nicht abgedruckten Kabinettsbeschluß gestrichen. Den endgültigen Text der Sparkassenreform s. in der 3. NotVO zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen vom 6.10.31, 5. Teil, Kapitel I (RGBl. I, S. 554).
[Das Kabinett faßte Beschlüsse über strittige Punkte des Verordnungsentwurfs.]