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Anlage

Entschließung

der Deutschnationalen Reichstagsfraktion vom 24.5.1932.

Eine in Berlin erscheinende Korrespondenz veröffentlicht den Referentenentwurf einer Verordnung des Reichspräsidenten über die angebliche Förderung der landwirtschaftlichen Siedlung, der nach unwidersprochenen Zeitungsnachrichten bereits dem Reichskabinett zur Beratung vorgelegen habe2. Dieser Entwurf stellt das Ungeheuerlichste an Verletzung bestehender Rechtsgrundsätze dar, was bisher das deutsche Volk erlebt hat. Während bisher nur ein Gläubiger, der eine Forderung an den Eigentümer eines Grundstücks hat, eine Zwangsversteigerung betreiben kann, soll nach dem Referentenentwurf das Reich, ohne daß es eine Forderung an den Eigentümer eines Grundstücks hat, berechtigt sein, „im öffentlichen Interesse“ Zwangsversteigerung derjenigen landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder gärtnerischen Grundstücke, die im Sicherungsverfahren waren und die angeblich nicht mehr saniert werden könne, zu betreiben. Diese Notverordnung soll der Förderung der landwirtschaftlichen Siedlung dienen, läßt jedoch vollkommen außer acht, daß für landwirtschaftliche Siedlung unendlich viel landwirtschaftlich genutzte Flächen angeboten sind, also aufgenommen werden können, daß also auch ohne ein derartig rigoroses Gesetz die Möglichkeit weitester Förderung der Siedlung gegeben ist.

2

Vgl. Dok. Nr. 741 und Dok. Nr. 759, Anm. 8–9.

[2579] Der Weg, den die Reichsregierung mit dieser Notverordnung zu gehen gewillt ist, stellt sich als vollendeter Bolschewismus dar. Die wichtigsten Rechtsgarantien, die bisher bei Zwangsversteigerungen für Eigentümer und Gläubiger gegeben waren, fallen hin. Die Entscheidung, ob das Grundstück vom Reich versteigert oder ersteigert werden kann (nach den Bestimmungen des Entwurfs also praktisch enteignet), liegt in den völlig unkontrollierbaren Händen des Reichskommissars für die Osthilfe, des Reichsarbeitsministers oder der von ihnen bezeichneten Dienststellen, so daß keine Gewähr für eine objektive Handhabung so ungeheuerer Machtbefugnis gegeben ist. Keine gerichtlichen oder sonst unabhängigen Instanzen können angerufen oder zur Mitentscheidung herangezogen werden.

Der Preis, zu dem Erwerb erfolgen soll, wird einseitig und ohne Berufsinstanz von der Behörde festgesetzt und soll so gestaltet sein, daß eine spätere erfolgreiche landwirtschaftliche Siedlung ermöglicht wird.

Genau so wie die betroffenen Grundstückseigentümer werden auch alle ihre bisherigen Gläubiger enteignet und ihrer bis dahin gesetzlich festgelegten Rechte beraubt, denn mit den Bestimmungen des § 3 der geplanten Notverordnung sind die wesentlichsten Gläubigerschutzbestimmungen aufgehoben. Damit vollendet sich der Niederbruch auch des städtischen Mittelstandes und der Genossenschaften im deutschen Osten.

Sollten wirklich die dem Entwurf der Notverordnung zugrunde liegenden Pläne durchgeführt werden, so bedeutet das furchtbares Unrecht am deutschen Osten. Besitzer landwirtschaftlicher, forstwirtschaftlicher oder gärtnerischer Betriebe, die etwa durch eigene Schuld im Wege der Zwangsversteigerung ihren Besitz verlieren, trifft damit die gerechte Strafe der Enteignung. Der deutsche Osten ist aber nicht durch eigene Schuld, sondern durch die verheerenden Folgen der falschen Wirtschaftspolitik der Regierungen der Nachkriegszeit zwangsversteigerungsreif geworden.

Die vorliegende Notverordnung bringt niemandem eine Hilfe, weder dem Eigentümer noch dem Gläubiger, weder dem Staat noch dem Volk. Sie verletzt aber brutal alle Grundsätze der in der Verfassung verbürgten Eigentumsrechte. Sie vermehrt die wirtschaftliche Not in Stadt und Land, wird Tausende von Menschen von Haus und Hof jagen; vor allem aber steigert sie das Gefühl der Rechtsunsicherheit der Menschen im deutschen Osten gegen die Willkür der eigenen Regierung und schwächt daher die heute besonders wichtige seelische Widerstandskraft der Deutschen im bedrohten Osten.

Wir warnen die Reichsregierung, den in dem Notverordnungsentwurf angedeuteten Weg zu beschreiten und kündigen allerschärfsten und unerbittlichsten Kampf mit allen Mitteln an für den Fall, daß die Reichsregierung auch diese unsere Warnung in den Wind schlagen sollte.

Berndt

Bürgermeister

Stellvertretender Vorsitzender der

Deutschnationalen Reichstagsfraktion

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