1.137 (bru3p): Nr. 651 Vermerk des Ministerialrats Feßler über eine Besprechung zum Wagemann-Plan am 28. Januar 1932, vormittags

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[2241] Nr. 651
Vermerk des Ministerialrats Feßler über eine Besprechung zum Wagemann-Plan am 28. Januar 1932, vormittags

R 43 I /317 , Bl. 391

Am 28. Januar 1932 vormittags 10 Uhr fand in der Reichskanzlei unter dem Vorsitz des Herrn Reichskanzlers eine Besprechung über Reparationsfragen1 und über die Verlängerung des Rediskontkredits der Reichsbank2 statt.

1

Dok. Nr. 650.

2

Dok. Nr. 649.

Anwesend:

die Herren

Reichskanzler Dr. Brüning,

Reichsminister der Finanzen Dietrich,

Reichswirtschaftsminister Dr. Warmbold,

Staatssekretär Dr. von Bülow,

Reichsbankpräsident Dr. Luther.

(eine genaue Anwesenheitsliste befindet sich in der Niederschrift über die vorgenannten Beratungsgegenstände.)

Im Anschluß an diese Besprechung wurde außerhalb der Tagesordnung noch folgender Punkt behandelt:

Plan Wagemann.

Der Reichskanzler führte aus, durch die Wirkungen, die der Plan3 in der Öffentlichkeit[2242] auslöse4, würde die Politik der Reichsregierung gefährdet. Es werde nicht möglich sein, die sozialen Reformen durchzuführen, wenn die Arbeitnehmerschaft glaube, daß durch künstliche Schöpfung von Krediten in Höhe von zwei Milliarden RM eine Besserung der Lage erreicht würde.

3

Der Präs. des Statistischen Reichsamts Prof. Wagemann hatte dem RK mit Schreiben vom 20.1.32 seine Broschüre „Geld- und Kredit-Reform“ übersandt, nachdem sein Plan in der Presse (vgl. den Artikel „Antideflation – ein neuer Währungsplan“ in Nr. 30 des Berliner Börsen-Couriers vom 19.1.32 in R 43 I /2438 , Bl. 72) bekannt geworden war (R 43 I /2428 , Bl. 41; die Broschüre a.a.O., Bl. 3–36). Wagemann hatte die offizielle Deflationspolitik der RReg. einer scharfen Kritik unterzogen, da sie zur Wertvernichtung der Produkte in Industrie und Landwirtschaft führe. Wagemann hatte vorgeschlagen, die Summe der umlaufenden großen Noten (ab 100 RM), der Reservedepositen der Kreditinstitute und der übrigen privaten Guthaben mit mindestens 40% durch Gold und deckungsfähige Devisen und zu 60% durch gute Handelswechsel zu decken. Die Deckung der kleinen Noten (50 RM und darunter) sollte bis zum Betrag von 3 Mrd. RM durch eine verzinsliche Schuld, darüber hinaus durch festverzinsliche Schuldverschreibungen, bzw. Gold, Devisen und Handelswechsel erfolgen. Bis zum 31.12.36 sollte die Gesamtsumme der zur Deckung der kleinen Noten und der Giroguthaben des Reichs dienenden Schuldverschreibungen und Lombarddarlehen den Betrag von 2 Mrd. RM nicht überschreiten dürfen. Die gesamte Wertpapierdeckung sollte auf 5 Mrd. RM begrenzt werden. Der Vorschlag zielte auf eine Lockerung der Goldverbundenheit des Notenumlaufs bei gleichzeitiger Verkettung der Girokonten mit den Auslandswährungen (Gold und Devisen). Damit näherte sich der Plan dem englischen Banksystem der Trennung von Depositen- und Spekulationsgeschäft, wodurch die weitere Verwendung kurzfristiger Gelder für Anlagezwecke, eine Hauptursache für die Bankenkrise des Sommers 1931, verhindert werden sollte. Die vorgeschlagene Notenreform sollte das Publikum dazu bewegen, mittel- und langfristige Gelder nicht mehr auf fällige Konten einzuzahlen, sondern zum Ankauf festverzinslicher Wertpapiere zu verwenden. Nach Wagemanns Vorstellungen konnte die Kreditpolitik der Rbk elastischer als bisher auf konjunkturelle Schwankungen reagieren. Vgl. auch hierzu Schultheß 1932, S. 12 f.

Dem Plan standen GehR Schmitz und Dir. Reinhart nahe (Nachl. Luther  Nr. 339, Bl. 46).

4

Eine Presseausschnittsammlung zum Plan Wagemanns befindet sich im Nachl. Luther , Nr. 339, Bl. 32–83, Bl. 100–119, Bl. 144–146, Bl. 150–157, Bl. 155–178 und Bl. 188–192.

Reparationspolitisch sehe er schwere Gefahren. Das Ausland würde glauben, daß Deutschland nun versuchen werde, durch künstliche Kreditschöpfung seine Wirtschaft zu verbessern und den Reparationszahlungen zu entgehen. Nach seiner Auffassung werde es möglich sein, die Besserung der Wirtschaft auf anderen Wegen zu erreichen. Insbesondere müßten Maßnahmen zu Krediterweiterungen, gegebenenfalls mit äußerster Vorsicht und unauffällig, getroffen werden. Es werde zu versuchen sein, auf Wagemann dahin einzuwirken, daß er den Vortrag absage, der für den 1. Februar vorgesehen sei5. Im übrigen werde im engsten Kreise über den Plan und die taktische Seite der Angelegenheit zu sprechen sein.

5

Die Studiengesellschaft für Geld- und Kreditwirtschaft hatte zu dem Vortrag von Wagemann: „Geld- und Kreditreform als Weg aus der Krise“ am 1.2.32 eingeladen (Einladung in R 43 I /2438 , Bl. 45). Nach Schäffers Tagebuch war die Studiengesellschaft im November 1931 gegründet worden, um dem brit. Nationalökonomen Keynes und dem schwedischen Volkswirtschaftler Gustav Cassel ein Forum zu geben. Keynes habe schon in Hamburg gesprochen, Cassel sei nicht greifbar gewesen, deshalb sei Wagemann zum Vortrag gebeten worden (IfZ ED 93, Bd. 17, Bl. 148).

Der Reichsbankpräsident stimmte den Ausführungen zu. Er sah in dem Plan von Wagemann die Inflation. Die Maßnahmen auf dem Gebiet der Geld- und Kreditpolitik seien möglich in einem Lande, das Gold im Übermaße angehäuft hätte, nicht aber in einem verarmten Volke. Nötigenfalls müsse von der Reichsbank aus gegen die Veranstaltung von Wagemann eine Gegenkundgebung erfolgen. Das Vertrauen sei schwer gefährdet. Auch der Generalrat und das Direktorium der Reichsbank hätten sich in diesem Sinne ausgesprochen. Der Plan werde von der Reichsbank in Verbindung mit der Reichsregierung eingehend erörtert werden. Dazu sollten prominente Persönlichkeiten von der Reichsbank eingeladen werden6.

6

Vgl. auch Luthers Tagesbericht vom 28.1.32 im Nachl. Luther , Nr. 367, Bl. 261–264, auszugsweise auch in Schulz, Politik und Wirtschaft in der Krise, Dok. Nr. 412.

Die Verhandlungen sollen am 29. Januar nachmittags fortgesetzt werden7.

7

Vgl. Dok. Nr. 653.

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