1.166.2 (lut2p): 2. Gesetz über den Volksentscheid.

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[1277]2. Gesetz über den Volksentscheid.

Der Reichskanzler teilte den Parteien mit, daß auf Grund des von dem Abg. Best betriebenen Volksbegehrens über eine höhere Aufwertung5 die Regierung sich dahin schlüssig gemacht habe, im Wege einer authentischen Interpretation klarzustellen, daß unter die Bestimmung des Art. 73 Absatz 46 auch eine Regelung der Aufwertung falle, weil eine erhöhte Aufwertung sowohl den Haushalt belaste als auch zur Deckung steuerliche Maßnahmen erforderlich mache; auch die nicht rein auf Aufwertung abzielenden Bestimmungen des Bestschen Entwurfs, wie z. B. diejenigen über Mietzinsregelung, würden indirekt den Haushalt belasten, daher falle der ganze Gesetzentwurf unter den Art. 73 Absatz 4. Es sei aber erforderlich, dies klarzustellen.

5

Vgl. Anm. 4–6 zu Dok. Nr. 327 und Dok. Nr. 332.

6

S. Anm. 4 zu Dok. Nr. 332.

Der Abg. Scholz hielt es für bedenklich, dem Herrn Reichspräsidenten auch für diese Beschränkung der Aufwertung die Verantwortung zuzuschieben. Nach seiner Meinung sei es zweifelhaft, ob nicht mehr als eine Auslegung, nämlich eine Ergänzung der Reichsverfassung vorliege. Er halte es daher für zweckmäßiger, gleich den direkten Weg zu gehen und die Verfassung in der Richtung abzuändern, daß Volksbegehren zugunsten einer finanziellen Besserstellung bestimmter Bevölkerungskreise ausgeschaltet würden.

Der Abg. Bell hielt es für taktisch richtiger, die beabsichtigten Maßnahmen nicht von vornherein als Verfassungsänderung zu bezeichnen, sondern sich entsprechend den Regierungsvorschlägen auf den Standpunkt zu stellen, daß es sich um eine authentische Interpretation handele.

Der Abg. Becker schloß sich diesem Standpunkt an und verwies darauf, daß der Herr Reichspräsident die Verantwortung im Rahmen des Art. 73 Abs. 4 zu tragen habe und daher auch alle Auslegungen dieser Bestimmung decken müsse.

Der Reichsminister der Justiz unterstrich nachdrücklich, daß ein Volksbegehren nach dem Antrage Best und noch mehr ein solches nach den zu erwartenden weiteren Anträgen ein finanzielles Unheil bedeuten würde. Es sei daher von seiten der Regierung die größte Brutalität zur Abwendung eines drohenden wirtschaftlichen Zusammenbruchs erforderlich.

Der Reichsminister des Innern schloß sich diesem Standpunkt an. Es sei nötig, mit aller Schärfe von vornherein gegen den Wahnsinn der Bestschen Bestrebungen aufzutreten. Er stellte fest, daß die Parteien sämtlich materiell der Meinung seien, daß gegen die Absichten der Aufwertungsfreunde mit allem Nachdruck eingeschritten werden müsse.

Der Abg. v. Richthofen erklärte die augenblickliche Unruhe hinsichtlich der Aufwertungsgesetze damit, daß diese in manchen Punkten nicht zureichend seien. Es gebe eine erhebliche Anzahl von Gerichtsentscheidungen, die das Aufwertungsgesetz praktisch außer Kurs setzten. Es sei daher seiner Meinung nach erwünscht, im Wege der Gesetzgebung einige Änderungen des Aufwertungsgesetzes durchzuführen, ohne daß dabei an der Grundlage gerüttelt werden dürfe. Wenn von irgendeiner Seite Änderungsanträge gestellt werden[1278] sollten, so sollten sich die Regierungsparteien vorher darüber schlüssig werden, ob sie eine Novelle in diesem oder jenem Sinne unterstützen wollten.

Der Reichskanzler betonte mit allem Nachdruck, daß für die Reichsregierung eine Änderung der Aufwertungsgesetze überhaupt nicht in Frage komme. Wenn sie in einem Punkt nachgäbe, so wäre dann unvermeidlich, daß von allen Seiten neue Anträge eingebracht würden. Die Reichsregierung sei daher entschlossen, weder die Volksbegehren noch irgendwelche Abänderungsanträge zuzulassen. Sie würde die Verantwortung für die Folgen nicht übernehmen können und daher zurücktreten müssen, wenn die Parteien sich diesem Standpunkt nicht anschlössen.

Der Abg. v. Guérard erklärte für seine Fraktion das grundsätzliche Einverständnis mit den Absichten der Regierung. Die Anregung des Abg. v. Richthofen halte er nicht für zweckmäßig, er sei vielmehr dafür, daß mit größter Beschleunigung die geplanten Abwehrmaßnahmen gegen das Volksbegehren getroffen würden.

Die Abg. Lüders wies auf die Schwierigkeiten hinsichtlich der Fürstenabfindung hin.

Der Abg. Wunderlich hielt eine Verabschiedung des geplanten Volksentscheidgesetzes nicht für dringlich, da seiner Meinung nach das Volksbegehren einen Erfolg nicht haben werde.

Der Reichskanzler stellte abschließend die Zustimmung sämtlicher Parteien zu den Plänen der Regierung fest und behielt die Formulierung des Gesetzentwurfes einer auf den 20. April einzuberufenden Kabinettssitzung vor, da nach Übereinstimmung der Parteien schleuniges Handeln unbedingt notwendig sei7.

7

Das Kabinett behandelt diesen GesEntw. erst in seiner Sitzung am 21. 4. (Dok. Nr. 340, P. 3).

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