1.162 (bru3p): Nr. 676 Chefbesprechung über Bankensanierung vom 16. Februar 1932, 18 Uhr

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 5). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Die Kabinette Brüning I und II Band 3Das Kabinett Brüning I Bild 183-H29788NS-Wahlversammlung im Sportpalast Bild 102-10391Arbeitslose Hafenarbeiter Bild 102-11008Bankenkrise 1931 Bild 102-12023

Extras:

 

Text

RTF

Nr. 676
Chefbesprechung über Bankensanierung vom 16. Februar 1932, 18 Uhr

R 43 I /648 , Bl. 140–142

Anwesend: Brüning, Dietrich; StS Pünder, Trendelenburg; MinR Claußen; RbkPräs. Luther; RBankKom. Ernst; Protokoll: MinR Feßler.

Der Reichskanzler führte aus, daß bei der Reorganisation des Bankwesens eine Umgestaltung der leitenden Gremien der Institute in möglichst weitem Umfange erforderlich sei, andernfalls würde der Zweck der Maßnahmen in Frage gestellt. In der Personalbesetzung müsse erreicht werden, daß das Zutrauen zu den Banken wieder steigen werde. Die Persönlichkeiten, von denen eine zweckmäßige Durchführung der Pläne nicht zu erwarten sei, müßten ausscheiden. Im übrigen stehe die starke Konzentration der Banken zu den Dezentralisationsbestrebungen der Reichsregierung in den Wirtschaftsbetrieben allgemein in einem gewissen Gegensatz. Die Leitung der Banken müsse deswegen so zusammengesetzt sein, daß sie bereits eine gewisse Vorstellung darüber habe, wie das Filialnetz selbständiger gestaltet werden könnte als bisher. Keinesfalls dürften Persönlichkeiten in den Leitungen sein, die bei ihren eigenen Banken auf Spekulationskonto verschuldet seien. Die Vorstände müßten sich verpflichten, grundsätzlich gegen Kredit keine Effekten auf eigene Rechnung zu kaufen.

Hierzu wies der Reichsbankpräsident darauf hin, daß bis zu einem gewissen Grade Stützung der eigenen Aktien durch ein Konsortium der Bankvorstände erwünscht sei und insoweit nicht getroffen werden dürfe.

[2299] Im übrigen wurde darüber berichtet, daß die Dresdner Bank ihre Vorstände und auch Filialleiter gezwungen hätte, in ziemlich erheblichem Umfange Aktien der Bank zu übernehmen. Die Lage der Betroffenen sei deswegen schwierig, weil sie erhebliche Verluste erleiden, wenn es sich um ordnungsmäßige Geschäfte handelt. Werden sie dagegen als Scheingeschäfte betrachtet, so liegt der Tatbestand der Verschleierung vor. Die Käufe sollen auf Vorschuß erfolgt sein.

Es bestand Einverständnis darüber, daß alle Tatbestände, die nicht einwandfrei seien, rechtzeitig beseitigt werden müßten. Der Reichsbankenkommissar wurde beauftragt, diese Aufgabe durchzuführen.

Im Anschluß hieran wurden die Personalfragen bei den einzelnen Banken eingehend durchgesprochen. Auch in dieser Richtung soll die Reorganisation mit Entschiedenheit durchgeführt werden. Neue tüchtige Kräfte sind, insbesondere auch für die Spezialaufgaben, zur Durchführung der Pläne, zu gewinnen1.

1

Vgl. hierzu Dok. Nr. 677, Anm. 1.

Soweit noch lebensfähige Privatbanken bestehen, soll erwogen werden, Filialen der Großbanken, die in Frage kommen, mit diesen zu vereinigen, so insbesondere beispielsweise in Stettin und in Schlesien. Es soll dafür gesorgt werden, daß Württemberg ein eigenes Bankinstitut erhält. Gegen generelle Maßnahmen wurden Bedenken geltend gemacht, die sich aus den Rechten der ausländischen Gläubiger aufgrund des Stillhalteabkommens ergeben könnten. In der Öffentlichkeit müsse bei der neuen Regelung das Empfinden wachgerufen werden, daß nicht die Gelder aus dem Lande nach Berlin wandern und dort verspekuliert werden.

Das Bankwesen wird sich, hierin bestand Übereinstimmung, von übermäßigen Stützungen der eigenen Kurse, wie sie seit 1929 erfolgt sind, fernhalten müssen. Durch eine Evidenzzentrale wird dafür zu sorgen sein, daß nicht Großschuldner bei mehreren Instituten gleichzeitig Kredite in Anspruch nehmen, die insgesamt weit über die Sicherheiten des Unternehmens hinausgehen. Die bisherige Übung der Banken, sich ohne Rücksicht auf die gesamte Produktionslage einzelner Industrien gleichzeitig anzunehmen, beispielsweise der Automobilindustrie, wird abzustellen sein. Der Einfluß der öffentlichen Hand ist in dieser Richtung geltendzumachen. Eine Treuhandstelle wird hierfür tätig sein.

Im übrigen wurden die Einzelheiten der Fusionierungspläne und der Hilfe von Reich und Reichsbank eingehend durchgesprochen2. Nach längeren Auseinandersetzungen wurde Übereinstimmung darüber erzielt, daß die Banken, denen unmittelbare Hilfe zuteil wird, ihre Aktien im Verhältnis von 10 : 3 einheitlich zusammenzulegen haben. Die Zustimmung des Reichswirtschaftsministers, der durch Krankheit verhindert war an der Sitzung teilzunehmen, wurde telephonisch herbeigeführt.

2

Vgl. die NotVo. über die Sanierung von Bankunternehmen vom 20.2.32 (RGBl. I, S. 83 ) und die Vo. über die Verschmelzung der Darmstädter und Nationalbank mit der Dresdner Bank und des Barmer Bankvereins mit der Commerz- und Privat-Bank vom 11.3.32 (RGBl. I, S. 129 ).

Staatssekretär Dr. Trendelenburg machte als Mitglied des Aufsichtsrats der Golddiskontbank erhebliche Besorgnisse dahin geltend, daß die Aktienübernahme für das Institut ein ungünstiges Geschäft sein würde3. Er fürchtete Schwierigkeiten bei der Bilanzierung des Unternehmens.

3

Die Golddiskontbank übernahm von der Dresdner Bank Aktien im Wert von 48 MioRM, von der Commerzbank 45 MioRM mit einem Agio von 15% und einem Großteil der neuen Aktien der Deutschen Bank (RFM Dietrich auf der Pressekonferenz vom 22.2.32, WTB Nr. 397 in R 43 I /648 , Bl. 145–146).

[2300] Der Reichsbankenkommissar schlug vor, diese Schwierigkeiten dadurch zu verringern, daß die Golddiskontbank einen Kredit an die Treuhandstelle gewährt und diese daraus die Aktien erwirbt.

Der Reichsbankpräsident behielt sich vor, hierzu nach Fühlungnahme mit der Golddiskontbank Stellung zu nehmen.

Hinsichtlich der Organisation der Treuhandstelle wurde dem Vorschlage des Reichsbankpräsidenten zugestimmt, daß je eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung für das Reich und für die Reichsbank geschaffen würde, die durch Personalunion im Vorstande und Aufsichtsrate auf das engste verbunden wären. Diese Gremien könnten sich, dem Vorschlage des Reichswirtschaftsministers entsprechend, aus zwei Vertretern der Reichsregierung, zwei Vertretern der Reichsbank (diese vier jederzeit ersetzbar und an Weisungen gebunden) sowie aus fünf Vertretern der Bevölkerung zusammensetzen. Gedacht sei beispielsweise an den Präsidenten des Reichsverbandes der Deutschen Industrie, Exzellenz von Batocki, Exzellenz Dernburg, einen Vertreter der bayerischen öffentlichen Wirtschaft, etwa Herrn von Wolf, und einen Vertreter der württembergischen mittleren oder kleineren Industrie. Diese fünf Vertreter müßten auf mehrere Jahre bestellt werden und durchaus unabhängig sein4. Der Reichsbankenkommissar würde mit diesen Gesellschaften zusammenarbeiten. Er solle in Verbindung mit den Verbänden des Bankgewerbes eine Evidenzzentrale für den angegebenen Zweck schaffen. Daneben würde die Treuhandstelle sich einen intensiven Einblick in die Geschäfte der in Frage kommenden Bankinstitute erwerben müssen. Sie müsse die Rechte aus dem Aktienbesitz und aus der Überweisung von Reichsschatzanweisungen ausüben sowie auch die sonstigen öffentlichrechtlichen Interessen vertreten, außer dem Aufgabenkreis der Reichs-Kreditgesellschaft und der Viag.

4

Zur Konstruktion der Treuhandstelle siehe auch das Schreiben des RWiM vom 5.3.32, in dem als Vertreter der württembergischen Industrie der Fabrikant Gminder aus Reutlingen genannt wurde. Vorsitzender der Treuhandstelle sollte GehR Reusch werden (R 43 I /648 , Bl. 175–177).

Der Reichsminister der Finanzen behielt sich hierzu die letzte Entscheidung vor. Die Geschäftsführung der beiden Gesellschaften soll möglichst durch einen geeigneten Beamten im Ruhestand oder auf Wartegeld wahrgenommen werden.

Auf diesen Grundlagen wird der Reichsminister der Finanzen am 17. Februar 1932 mit den Banken abschließend verhandeln5.

5

Über diese Verhandlungen befindet sich in den Akten der Rkei kein Material.

Extras (Fußzeile):