1.194 (bru3p): Nr. 708 Vermerk des Regierungsrats Krebs vom 4. April 1932

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RTF

Nr. 708
Vermerk des Regierungsrats Krebs vom 4. April 1932

R 43 I /1812 , Bl. 320

Betrifft: Kürzung der Ost- und Westhilfe

Trotz der in der Anlage beiliegenden eingehenden Vorstellungen des Reichsministers des Innern vom 29. Februar d. Js. sowie auch der von hier weitergeleiteten (ebenfalls anliegenden) Darlegungen des Bayerischen Staatsministeriums des Äußern vom 25. Februar d. Js. hat der Reichsminister der Finanzen mit seiner anliegenden zweiten Entscheidung zu der Angelegenheit vom 24. März den Standpunkt seiner Entscheidung vom 29. Januar d. Js. aufrechterhalten, nach der die Mittel der Ost- und die Westhilfe mit Rücksicht auf die Etatslage wesentlich gekürzt werden sollen1.

1

In seinem Schreiben an den RIM vom 29.1.32 hatte der RFM dargelegt, daß im Rechnungsjahr 1932 mit einem so erheblichen Ausfall an Einnahmen zu rechnen sei, daß die beantragten Haushaltsbeträge weiter gekürzt werden müßten. Die Kürzungen im Osthilfeetat hatte Dietrich mit den eingeleiteten Maßnahmen von RM Schlange zur beschleunigten Entschuldung gerechtfertigt, die weitere Maßnahmen nicht mehr erforderlich machten. Für die Westhilfe hatte der RFMMioRM statt der geforderten 12 MioRM angeboten. Gestrichen waren auch die Mittel für kulturelle Bestrebungen für die Pfalz und den oldenburgischen Landesteil Birkenfeld (Abschrift in R 43 I /1812 , Bl. 317–319). Der RIM hatte in seinem Antwortschreiben vom 29.2.32 auf die bindende Verpflichtung des Reichs nach dem OsthilfeGes. vom 31.3.31 hingewiesen, Mittel auf dem Gebiete der Lastensenkung, der Frachtensenkung und für die Förderung sonstiger Zwecke bereitzustellen. Der RIM hatte die Besorgnis geäußert, daß eine Kürzung der Mittel ohne vorherige Gesetzesänderung zu Schadensersatzansprüchen führen würde, deren gerichtlicher Austrag nicht zweifelshaft sein könnte. „Welcher Eindruck im übrigen die von dort vorgesehene Kürzung im deutschen Osten hervorrufen würde und welche Beunruhigung in die Kreise der beteiligten Provinzen getragen würde, glaube ich im einzelnen nicht darzulegen zu brauchen“. Aus politischen Gründen hatte der RIM auch die Kürzungen der Westhilfe abgelehnt (Abschrift in R 43 I /1812 , Bl. 181–186, Zitat Bl. 181).

Gegen die Kürzung der Ost- und Westhilfe hatte MinPräs. Held für das Bayer. Staatsmin. des Äußern mit Schreiben vom 25.2.32 an den RK protestiert. Er hatte auf die politisch schwierige Stimmung in der Pfalz und auf die negativen Auswirkungen einer Kürzung der Reichshilfe auf die Bevölkerung des Saarlandes hingewiesen: „Wie seit 1923 ist die Lage in der Pfalz wirtschaftlich und auch politisch wieder so ernst gewesen wie heute. […] Nicht weniger bedenklich wäre die Auswirkung einer solchen Maßnahme auf das Saargebiet, dem jetzt schon die französische Propaganda zu beweisen sich bemüht, daß das Saargebiet bei Deutschland doch keine Hilfe zu erwarten hätte. Daß die in der Pfalz betreuten Unternehmungen das Saargebiet unmittelbar mitbearbeiten, soll nur nebenbei erwähnt werden. […] Darüber hinaus erscheint es mir aber von größter politischer Bedeutung, daß die Reichsregierung auch alsbald zu erkennen gibt, daß die westlichen Grenzgebiete und besonders die Pfalz auch im Reichshaushalt 1932 auf Förderung im Rahmen der Reichswesthilfe rechnen können. Auch für den Ausfall der kommenden Wahlen wird es nicht ohne Bedeutung sein, ob die westlichen Grenzgebiete die Sicherheit haben, daß ihre große Not trotz der allgemeinen Not des Reichs besondere Beachtung findet“ (R 43 I /1812 , Bl. 165–167). Am 19.3.32 hatte der Bayer. Ges. v. Preger noch einmal an die unverkürzte Gewährung der West- und Osthilfe erinnert und zum Ausgang der RPräs.-Wahl am 13.3.32 bemerkt: „Ich darf bezüglich des Westfonds darauf aufmerksam machen, daß das Wahlergebnis gerade in den nach Frankreich und dem Saargebiet gelegenen Grenzorten abweichend von dem Gesamtergebnis in der bayerischen Pfalz ähnlich wie in Ostpreußen kaum ein befriedigendes genannt werden kann“ (R 43 I /1812 , Bl. 304). Mit Schreiben vom 24.3.32 hatte der RFM an seinem Standpunkt mit folgender Begründung festgehalten: „Bei aller Anerkennung der Notlage in den östlichen und westlichen Grenzgebieten muß aber im Interesse der Bekämpfung der Not im gesamten deutschen Vaterland erwartet werden, daß selbst notleidende Gebiete ihren Teil zur Gesundung der Finanzen beitragen“. Die Kürzung der Beihilfen für kulturelle Zwecke in der Pfalz hatte der RFM allerdings zurückgenommen (Abschrift in R 43 I /1812 , Bl. 315, mit der Auszahlungsanordnung für die Reichswesthilfe an den Präs. des Landesfinanzamts Würzburg, Bl. 316).

[2414] Für die Osthilfe sollen im Etat 1932 eingesetzt werden

a)

für die Frachtensenkung statt der vorgesehenen 12 nur 6 Millionen,

b)

für die Lastensenkung statt der vorgesehenen 30 nur 20 Millionen,

c)

für die sonstigen Maßnahmen statt der vorgesehenen 20 nur 10 Millionen.

Zu b) soll außerdem die Übertragung der in den letzten Jahren ersparten 2 Millionen auf das neue Etatjahr unterbleiben, obwohl der Reichsminister des Innern diese Reserve zum Ausgleich von Schwankungen der Höhe der zu erstattenden betreffenden Steuern bisher zur Erzielung einer glatten Abwicklung der Hilfsmaßnahmen für dringend erforderlich gehalten hat.

Die Westhilfe soll nach dem Plan des Reichsministers der Finanzen gekürzt werden von 15 auf 5 Millionen, während der Reichsminister des Innern 12 Millionen vorgeschlagen hatte.

Die Kürzung der Ansätze für die Osthilfe widersprechen dem Osthilfegesetz vom 31. März 1931, da darin unter § 3 und § 5 die bisherigen Zuwendungen als[2415] Mindestsätze festgelegt worden sind2. Der Reichsminister der Finanzen macht geltend, daß die besonderen Hilfsmaßnahmen an Berechtigung verloren haben durch die Beschleunigung und Vermehrung der Hilfe für die landwirtschaftliche Entschuldung. Der Reichsminister des Innern sieht dagegen in dem Kürzungsplan des Reichsministers der Finanzen eine Zerschlagung der Osthilfe. Ministerialrat Tiedje befürchtet von den jetzigen Erörterungen, die bereits in den betroffenen Gebieten bekannt geworden sind, politisch ungünstige Auswirkungen schon für den zweiten Wahlgang zur Reichspräsidentenwahl, wie auch namentlich für die Preußenwahl. Die vom Reichsfinanzministerium vorgeschlagene Kürzung der Westhilfe würde das Reichsministerium des Innern nur für vertretbar halten, falls man das Saargebiet abschreiben wolle. Das Reichsministerium des Innern lehnt unter diesen Umständen ab, den Etat entsprechend dem Standpunkt des Reichsministers der Finanzen aufzustellen. Ministerialdirektor Dammann hat deswegen die zweite erwähnte Entscheidung des Reichsministers der Finanzen nicht in den Geschäftsgang gegeben, sondern umgehend Herrn Staatssekretär Dr. Zweigert gebeten, aufgrund derselben eine Chef- oder Kabinettsbesprechung der Angelegenheit herbeizuführen. Bei der politischen Bedeutung der Frage dürfte mindestens eine Chefbesprechung der Angelegenheit erforderlich sein. Herr Staatssekretär Zweigert soll die Absicht haben, sich deswegen zunächst mit dem Herrn Staatssekretär mündlich in Verbindung zu setzen3.

2

§ 3 und § 5 des OsthilfeGes. vom 31.3.31 bestimmten, daß in den Rechnungsjahren 1932–1936 Reichsmittel in mindestens gleicher Höhe wie 1931 für Lastensenkung und für Förderung sonstiger Zwecke mindestens 20 MioRM bereitgestellt werden müßten (RGBl. 1931 I, S. 117 ).

3

Zwischen RFM und RIM konnte am 13.5.32 ein Kompromiß erzielt werden, wonach im neuen Etatsjahr 9 MioRM statt 12 MioRM für Frachtensenkung, für Lastensenkung 25 MioRM statt bisher 30 MioRM und für sonstige Maßnahmen statt bisher 20 MioRM künftig 10 MioRM vorgesehen waren (Vermerk von RegR Krebs vom 14.5.32, R 43 I /1812 , Bl. 345).

K[rebs]

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