2.102.6 (feh1p): 6. Entwurf eines Reichswehrgesetzes.

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6. Entwurf eines Reichswehrgesetzes7.

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Ein erster Entw. eines Reichswehrgesetzes war Ende Juli 1920 mit Rücksicht auf die ablehnende Haltung der Länder aus dem RR zurückgezogen worden. Siehe Dok. Nr. 11, P. 2 und Dok. Nr. 34. Mit Anschreiben vom 19.10.1920 hatte der RWeM dem RK einen neuen „Entwurf eines Wehrgesetzes“ übersandt und hatte um die Beschlußfassung des Kabinetts gebeten (R 43 I /609 , Bl. 162 und 150–161).

Reichsminister Geßler wies beim Vortrag des Reichswehrgesetzes darauf hin, daß drei Fragen Anlaß zu größeren politischen Erörterungen geben würden:

1. Die Bestimmungen über die Heeres- und Marinekammer (§ 8),

2. die landsmannschaftlichen Bestimmungen (Abschnitt II),

3. die Frage des Koalitionsrechts (§ 33).

Zu 1 wurde beschlossen, daß im § 88 im Satz 1 hinter dem Wort „sind“[264] die Worte „beim Reichswehrministerium“ eingeschaltet werden sowie daß der Satz 2 dieses Paragraphen gestrichen wird. Das Kabinett ging bei den vorgenommenen Änderungen von der Auffassung aus, daß die Heeres- und Marinekammer dem Reichswehrminister unterstehen, dem die weitere innerdienstliche Regelung obliegt. Diese im Gesetz zum Ausdruck zu bringen, wurde für unnötig und unzweckmäßig gehalten.

8

Der § 8 des KabEntw. lautete: „Als beratende und begutachtende Körperschaften sind eine Heeres- und Marinekammer zu bilden, deren Mitglieder aus geheimer Wahl hervorgehen. Erstere untersteht dem Chef der Heeresleitung, letztere dem Chef der Marineleitung.“ (R 43 I /609 , Bl. 150).

Zu einer politischen Erörterung der Bestimmungen über die Heeres- und Marinekammer drohte es zu kommen, weil die Kammern bereits im Oktober 1920 Gegenstand einer Auseinandersetzung zwischen der SPD und General von Seeckt gewesen waren. Siehe dazu RTBd. 345, S. 807 –808; vgl. auch den Artikel „Strammstehkammer“, Vorwärts Nr. 438 vom 3.9.1920.

Zu 2: Die Minister Koch, v. Raumer, Heinze, Brauns und Groener waren übereinstimmend der Anschauung, daß durch die Bestimmung dieses Abschnitts die Einheit der Reichswehr und die zentrale Befehlsgewalt des Reiches gefährdet würde9.

9

Es handelte sich dabei um die §§ 10–15 des KabEntw., die die landsmannschaftlichen Bestimmungen des Wehrgesetzes enthielten (R 43 I /609 , Bl. 150–151). Danach sollten in den Ländern auf Verlangen Landeskommandanten ernannt werden. Diese sollten innerhalb ihres Dienstbereiches die besonderen Landesinteressen wahrnehmen (§ 10).

Weiterhin sollten in den Ländern nach Möglichkeit geschlossene Verbände gebildet werden; der bayer. Anteil sollte dabei prinzipiell einen geschlossenen Verband unter einheitlicher Führung bilden (§ 12).

Ferner sollten Verbände und Truppeneinheiten ihren Standort in dem Lande erhalten, aus dem sie sich hauptsächlich ergänzen sollten (§ 13).

Abschließend war festgelegt, daß bei der Neuauflage, Veränderung oder Aufhebung von militärischen Anlagen sowie im Beschaffungswesen die Interessen der Länder berücksichtigt werden sollten (§ 14).

Reichswehrminister Geßler, der die Bedenken gegen diesen Abschnitt teilte, wies auf die Vereinbarung hin, die über die landsmannschaftliche Ausgestaltung des Heeres in Weimar getroffen worden sei10.

10

Während der Monate Februar bis Mai 1919 hatten die Länder Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg und Baden in Weimar Verhandlungen über die Gestaltung des zukünftigen Heerwesens geführt. Das Ergebnis dieser Verhandlungen war die sogenannte „Weimaraner Vereinbarung“ gewesen. In dieser Vereinbarung hieß es: „Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg und Baden sind dahin übereingekommen, daß unter Aufhebung aller unter ihnen und mit dem Reich bestehenden Verträge, Abmachungen und Reservatrechte auf dem Gebiete des Heerwesens das künftige Reichswehrgesetz die vollkommene Einheitlichkeit des dt. Heerwesens gewährleisten muß.“ Gleichzeitig hatten sich die Länder jedoch vorbehalten, daß eine Reihe von Grundsätzen über die landsmannschaftliche Gliederung des neuen Heeres in das Reichswehrgesetz mitaufgenommen werden müßten (R 43 I /609 , Bl. 154, Text der Weimaraner Vereinbarung). Die RReg. hatte in der Kabinettssitzung vom 16.6.1919 diesen Grundsätzen zugestimmt (Kabinettsprotokoll, R 43 I /609 /159). Die Grundsätze der „Weimaraner Vereinbarung“ waren im wesentlichen in den §§ 10–15 des KabEntw. enthalten.

Nach eingehender Erörterung wurde auf Vorschlag des Herrn Reichskanzlers beschlossen, daß das Reichswehrministerium, das Reichsjustizministerium und das Reichsministerium des Innern mit größter Beschleunigung eine Kommission bilden sollen, die den Abschnitt II des Gesetzes umzuarbeiten hat. Das Reichswehrministerium wird das hierzu Erforderliche am 3. November 1920 früh veranlassen.

Zu 3: Der Reichswehrminister führte aus, daß die Reichswehr unpolitisch bleiben müsse. Eine politische Betätigung innerhalb des Dienstbereichs sei der Reichswehr durch den Absatz 1 des § 33 untersagt11. Die Mitglieder der[265] Reichswehr dürften daher politischen Vereinen nicht beitreten. Die Schwierigkeiten lägen aber besonders in der Frage der Zugehörigkeit zu wirtschaftlichen Vereinen, denn diese suchten häufig wirtschaftliche Ziele mit politischen Mitteln durchzusetzen. Insbesondere bildeten die verschiedenen Bünde eine Gefahr für die Disziplin des Heeres. Aus diesen Gründen sei die Zugehörigkeit zu nichtpolitischen Vereinen im Entwurf an die Genehmigung der Vorgesetzten geknüpft.

11

Der § 33 des KabEntw. lautete: „Die Angehörigen der Wehrmacht dürfen sich innerhalb des Dienstbereichs politisch nicht betätigen. Den Soldaten ist die Zugehörigkeit zu politischen Vereinen und die Teilnahme an politischen Versammlungen verboten. Sie dürfen nichtpolitischen Vereinen mit Genehmigung des Vorgesetzten angehören. Untereinander dürfen sie sich mit Genehmigung der Vorgesetzten versammeln oder vereinigen. Für die Soldaten ruht das Recht zum Wählen oder zur Teilnahme an Abstimmungen im Reiche, in den Ländern und in den Gemeinden.“ (R 43 I /609 /152). Dazu hieß es in der Begründung des GesEntw.: „Wenn man die Ausübung dieser Rechte [der Rechte der politischen Betätigung] den Soldaten belassen wollte, so würde man auch agitatorische Einflüsse auf sie und politische Bewegungen in ihren eigenen Kreisen mit Erfolg nicht hindern können. Sie würden nicht vor dem Kasernentor haltmachen, sondern durch die Soldaten, sowohl Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften, in den dienstlichen Bereich, auf den Exerzierplatz und in die Kasernenstuben hineingetragen werden. Wenn das Wahlrecht nicht ruhen würde, könnte der Soldat nicht gehindert werden, sich nicht nur eine politische Anschauung zu bilden, sondern sich auch einer Partei anzuschließen. Dazu müßte er Versammlungen besuchen und sich mit anderen über Parteipolitik aussprechen können. Und damit wäre dem Geist der Zersetzung in der Wehrmacht Tür und Tor geöffnet. Die Waffe würde schartig und unbrauchbar. Nur durch volle Durchführung des Grundsatzes, daß die Wehrmacht über den Parteien steht und daher am politischen Kampf nicht teilnimmt, kann das erreicht werden, was zum Wohl des Ganzen unbedingt erforderlich ist, dem Reich eine in allen Lagen ergebene und zuverlässige Macht zur Durchführung der Anordnungen der Regierung zu sichern.“ (R 43 I /609 , Bl. 156–157).

Reichsminister Brauns schlägt vor, statt der Fassung des Entwurfs eine Anmeldepflicht mit Widerspruchsrecht der Vorgesetzten vorzusehen.

Auf Vorschlag des Herrn Reichskanzlers beschließt das Kabinett, daß die Minister Geßler und Brauns eine neue Fassung des § 33 vereinbaren sollen.

Die Weiterberatung des Gesetzes wird auf Freitag, den 5. November, 5 Uhr, vertagt12.

12

Siehe Dok. Nr. 104, P. 1. In den einzelnen Bestimmungen entsprach der KabEntw. des Wehrgesetzes im wesentlichen dem GesEntw., wie er dem RT zugeleitet wurde. Siehe dazu RT-Drucks. Nr. 1330, Bd. 365 . Zu dem endgültigen Text des Wehrgesetzes s. RGBl. 1921, S. 329  f.

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