2.156.8 (feh1p): 8. Entwurf eines Gesetzes über die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Aufsichtsrat.

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8. Entwurf eines Gesetzes über die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Aufsichtsrat3.

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Am 15.12.1920 hatte der RArbM den „Entw. eines Gesetzes über die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Aufsichtsrat“ vorgelegt und hatte um eine Beschlußfassung im Kabinett gebeten (R 43 I /2065 , Bl. 428 f.). Es handelte sich hier um ein Ausführungsgesetz zum § 70 des Betriebsrätegesetzes (RGBl. 1920, S. 147  f.; s. dazu auch u. Anm. 5).

Eine längere Erörterung fand über die Bestimmung des § 3 statt, durch die die Betriebsratsmitglieder vollgültige Mitglieder des Aufsichtsrats werden4. Das Reichsjustizministerium sowie das Reichsarbeitsministerium sind der Auffassung, daß § 3 lediglich den im § 70 des Betriebsrätegesetzes bereits festgelegten Rechtsstandpunkt wiederhole5. Der Reichsschatzminister erklärt, daß[415] er über die Richtigkeit dieser Auslegung kein Urteil abgeben wolle, daß es aber bei Voraussetzung der Richtigkeit sich empfehle, aus Gründen der politischen Zweckmäßigkeit den § 3 fortzulassen, der die alten Streitpunkte wiederaufrolle6. Wenn die Frage in der Kommission7, wie die beiden Ministerien annähmen, dennoch aufgerollt würde, könnten sie Einwendungen gerade von ihrem Standpunkt aus begegnen. Der Reichswirtschaftsminister trat dem Reichsschatzminister bei. Ein Antrag auf Streichung des § 3 wurde schließlich mit 5 gegen 5 Stimmen abgelehnt, wobei die Stimme des Reichskanzlers den Ausschlag gab8.

4

Der § 3 des GesEntw. lautete: „Soweit nicht im Betriebsrätegesetz und im folgenden etwas anderes bestimmt ist, finden auf die in den Aufsichtsrat entsandten Beriebsratsmitglieder die gesetzlichen Bestimmungen Anwendung, welche für die übrigen Aufsichtsratsmitglieder gelten.“ (R 43 I /2065 , Bl. 427).

5

Der § 70 des Betriebsrätegesetzes legte fest, daß in Unternehmungen, für die ein Aufsichtsrat bestand, ein oder zwei Betriebsratsmitglieder in den Aufsichtsrat entsandt werden sollten. Die in diesem Zusammenhang entscheidende Bestimmung des § 70 lautete: Die Betriebsratsmitglieder werden in den Aufsichtsrat entsandt, „um die Interessen und Forderungen der Arbeitnehmer sowie deren Ansichten und Wünsche hinsichtlich der Organisation zu vertreten. Die Vertreter haben in allen Sitzungen des Aufsichtsrats Sitz und Stimme.“ (RGBl. 1920, S. 162 ).

In der Begründung zu dem GesEntw. über die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Aufsichtsrat (s. o. Anm. 3) hieß es über den Zusammenhang von § 3 des GesEntw. mit dem § 70 des Betriebsrätegesetzes u. a.: „Die Auffassung, die an die Einfügung des Satzes mit ‚um … vertreten‘ im § 70 anknüpft und darin eine Einschränkung der Rechtssphäre der Betriebsratsmitglieder im Aufsichtsrat erblickt, ist unzutreffend. Aus Satz 2 des § 70, der den entsandten Betriebsratsmitgliedern in allen Aufsichtsratssitzungen Sitz und Stimme verleiht, folgt vielmehr mit völliger Klarheit, daß der mit ‚um‘ beginnende Satz nur den Grund für die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Aufsichtsrat und die damit bezweckte Vertretung des Produktionsfaktors Arbeit in der obersten Leitung der mit Aufsichtsräten ausgestatteten Unternehmungen angibt. Irgendein Anhalt dafür, daß der fragliche Satz die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat auf die Wahrnehmung der rein sozialpolitischen, d. h. aus dem Arbeitsverhältnis im engeren Sinne entspringenden Arbeitnehmerinteressen, habe beschränken wollen, ist nicht gegeben; eine solche gesetzgeberische Absicht ist auch schon deshalb nicht anzunehmen, weil die Interessen der Arbeitnehmerschaft bei der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage und der zunehmenden gemeinwirtschaftlichen Gestaltung des Wirtschaftslebens in gleicher Weise der Sozialpolitik wie der Wirtschaftspolitik zugewandt sind. Eine Scheidung beider Interessenkreise wäre in der Praxis unmöglich. Sie würde bei Anwendung auf den vorliegenden Fall zu einem dem Wirtschaftsfrieden abträglichen Kampf in jeder Aufsichtsratssitzung und damit zu einem dem Sinne des Betriebsrätegesetzes entgegengesetzten Ergebnis führen.“ (R 43 I /1363 , Bl. 174).

6

Über die Fassung des § 3 des GesEntw. war es bereits bei den Vorverhandlungen der RReg., der Länder und der Vertreter der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber zwischen den beiden letzteren zu Meinungsverschiedenheiten gekommen. Während die Arbeitnehmer den Standpunkt vertraten, daß die in den Aufsichtsrat entsandten Betriebsratsmitglieder den übrigen Aufsichtsratsmitgliedern gleichberechtigt seien, argumentierten die Arbeitgeber, daß die Rechte der im Aufsichtsrat tätigen Betriebsratsmitglieder auf Organisations- und Lohnfragen beschränkt seien (Protokolle der Vorverhandlungen v. 29. 10. und 8.11.1920, R 43 I /2065 , Bl. 401–419 sowie v. 11.12.1920, R 43 I /2066 , Bl. 5–12).

7

Gemeint ist hier der Ausschuß des RT, der den GesEntw. zu beraten hatte (Der RSchM an den StSRkei am 26.1.1921, R 43 I /2066 , Bl. 16).

8

Der GesEntw. wurde bei den Beratungen im RT noch mehrfach verändert; s. dazu RT-Drucks. Nr. 3110 und 3454, Bd. 370  sowie RT-Drucks. Nr. 3458 , 3464, 3467 und 3468, Bd. 371.

Zum endgültigen Text des Gesetzes s. RGBl. 1922, I, S. 209  f.

[…]

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