2.48.1 (bau1p): Umtausch von Banknoten und Abstempelung von Wertpapieren.

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Umtausch von Banknoten und Abstempelung von Wertpapieren2.

Der Reichsminister der Finanzen führte aus, daß es zur restlosen Beseitigung der Kapitalflucht und bestmöglichen Erfassung des Vermögens für das Reichsnotopfer erforderlich sei, sämtliche im Umlauf befindlichen Banknoten umzutauschen. Ein Teil der Banknoten müsse infolge der Fälschungen doch aus dem Verkehr herausgezogen werden, außerdem würden erhebliche Beträge der Banknoten gerade jetzt in der Schweiz verkauft und drückten den Kurs. Man müsse daher die Gewißheit haben, daß nicht später dieselben Erscheinungen einträten. Der Umtausch der Tausend- und Hundertmarknoten könne bald3 vollzogen werden. Die übrigen Noten könnten bis zum 31. März [1920], gegebenenfalls könnte man die Frist noch länger erstrecken, umgetauscht sein. Bis dahin würde es noch möglich sein, die erforderlichen Ersatznoten zu beschaffen. Politisch sei die Maßnahme notwendig, weil nur so eine gerechte Steuererfassung zu erzielen sei; steuerlich und technisch sei seiner Auffassung nach der Umtausch durchführbar. Desgleichen halte er die Abstempelung und Anmeldepflicht aller deutschen Wertpapiere technisch für durchführbar, weil 80% im Besitze der Banken seien und außerdem die Frist auf längere Zeit[192] hinaus erstreckt werden könne. Was die im Ausland befindlichen Wertpapiere anlange, so verhandle er zur Zeit mit der Entente bzw. mit den neutralen Ländern, um zu erreichen, daß die Banken sich verpflichten, die Depotauszüge deutscher Besitzer einzureichen; außerdem wolle er mit der Entente verabreden, daß nicht angemeldete Wertpapiere deutscher Besitzer im Auslande der Wiedergutmachungs-Kommission verfallen sollten. Er hoffe auch, daß der Einfluß der Entente in den neutralen Ländern stark genug sein werde, die in deutschem Besitz befindlichen Wertpapiere auch dann zu ermitteln, wenn sie auf den Namen von Strohmännern deponiert seien.

Der Reichsbankpräsident brachte dem Gedanken, alles zu erfassen, was an Geld und Wertpapieren gehamstert und geflüchtet sei, volle Sympathie entgegen, verneinte jedoch die Zweckmäßigkeit der angekündigten Maßregeln und erhob schärfste Einwendungen gegen ihre Anwendung. Als Grund führte er an eine noch nicht dagewesene Zahlungsmittelkrisis, eine Krisis für die Markvaluta und die Undurchführbarkeit aus technischen Gründen4 bzw., falls sie sich ermöglichen lassen sollte, die Zwecklosigkeit. Wenn der Herr Finanzminister die gehamsterten Noten auf 8 Milliarden schätze, so sei dies zu hoch, es kämen allerhöchstens 4–5 Milliarden in Frage. Im übrigen wies er darauf hin, daß schon die bloße Ankündigung dieser Maßregel in der Zeitung einen ungeheuren Kurssturz zur Folge gehabt hätte; auch die Durchführung in technischer Beziehung sei unmöglich, außerdem so kostspielig, daß der Erfolg nur ganz gering anzuschlagen sei.

Der Reichsminister der Finanzen suchte die Bedenken der Reichsbank eingehend zu widerlegen5.

Der Preußische Finanzminister glaubte, daß die Entente zur Ermittlung der gehamsterten bzw. der ins Ausland geflüchteten Beträge die Hand nicht bieten würde. Außerdem war er der Auffassung, daß nicht das ganze gehamsterte Geld auf die Bank zum Umtausch gebracht werden würde, sondern daß damit Käufe abgeschlossen würden und eine ungeheure Preistreiberei die Folge sein werde. Gegen den Zweck der Maßnahme wolle er nichts vorbringen; er halte nur die Durchführung für unmöglich bzw., falls sie technisch möglich sei, für unseren Zahlungsverkehr für verhängnisvoll.

Der Reichsbankpräsident und der Vizepräsident wiesen nochmals darauf hin, daß eine Zahlungsmittelknappheit unter allen Umständen eintreten müsse und daß diese dann unbedingt zur Panik führen müsse, die verhängnisvoll werden würde6.

[193] Der Vizepräsident der Reichsbank machte den Vorschlag, von den Zensiten den Offenbarungseid zu verlangen und glaubte auf diese Weise die versteckten Vermögen restlos erfassen zu können.

Der Handelsminister schloß sich gleichfalls den Bedenken des Preußischen Finanzministers an.

Der Reichsschatzminister hielt gleichfalls die Tendenz der Maßnahme für richtig, war aber der Auffassung, daß die Aufspeicherung der Banknoten nicht zu Steuerfluchtzwecken, sondern aus mangelndem Vertrauen in die politischen Verhältnisse erfolgt sei. Werde die Maßnahme jetzt beschlossen, so bestehe die Gefahr, daß das Geld in bleibende Werte umgewandelt werde und dann doch der Steuer entgehen würde, indem einmal Auslandswerte zum Teil im Schleichhandel angekauft und sodann im Inland befindliche Wertgegenstände, Holz pp. in Mengen gekauft werden würden. Auch im Ausland seien die Noten nicht zu Steuerfluchtzwecken angesammelt, sondern als Unterlage für Kredite. Das Ausland würde zweifellos ablehnen, die neu auszugebenden Noten zu nehmen und andere Unterlagen verlangen. Bezüglich der Abstempelung der Wertpapiere teile er die Bedenken der Reichsbank nicht ganz.

Der Reichsbankpräsident hob nochmals die schweren Bedenken gegen die Maßnahme hervor und machte den Vorschlag, durch eine Zwangsanleihe die geflüchteten Gelder zu erfassen.

Der Reichskanzler war der Auffassung, daß man ohne Anhörung von Sachverständigen heute zu einem Abschluß nicht kommen könne und daß man daher tunlichst bald Sachverständige hören müsse; er sei allerdings auch der Auffassung, daß man, wenn irgend möglich, durchgreifende Maßnahmen treffen und die Schwierigkeiten zu überwinden versuchen müsse.

Auf Anregung des Reichsministers des Innern wurde ferner beschlossen, in der Presse mitzuteilen, daß die Beratungen über die Frage noch nicht abgeschlossen seien. Sollte ein Umtausch der Banknoten erfolgen, so würden die ausländischen Besitzer keinerlei Schaden erleiden.

Der Reichsminister der Finanzen wurde beauftragt, tunlichst bald eine Sachverständigen-Konferenz unter Zuziehung der Reichsbank in Berlin einzuberufen und die heute aufgerollten Fragen einer eingehenden Erörterung zu unterziehen sowie einen Bericht über das Ergebnis zu erstatten7.

[194] Der Reichsminister der Finanzen erwiderte auf den Vorschlag des Reichsbankpräsidenten, betreffend Auflegung einer Zwangsanleihe, daß nach den von ihm mit den verschiedensten Bankfachleuten gepflogenen Erörterungen eine Zwangsanleihe keinen Erfolg haben werde. Dagegen würde er für die Auflegung einer Prämienanleihe sein, die der Reichsbankpräsident andererseits für wenig aussichtsvoll hielt, solange nicht in politischer, wirtschaftlicher und finanzieller Beziehung eine Beruhigung eingetreten sei8.

Fußnoten

2

Zur Kontroverse über diese Angelegenheit s. Dok. Nr. 43, P. 3.

3

Als äußersten Termin hatte der RFM den 15.12.19 bzw. 1.1.20 genannt (Der RFM an das Rbk-Direktorium, 31.7.19; R 43 I /628 , Bl. 70).

4

Die Rbk sah sich außerstande, die einzuziehenden Banknoten im Wert von 46 Mrd M bis zum Jahresende zu ersetzen. Günstigstenfalls sei mit der Lieferung von Ersatznoten im Wert von 16,8 Mrd M zu rechnen (Das Rbk-Direktorium an den RFM, 3.8.19; R 43 I /628 , Bl. 82).

5

Vgl. dazu die Ausführungen des RFM vor der NatVers. am 16. 8. (NatVers.-Bd. 329, S. 2512  ff.).

6

In ihrem Schreiben an den RFM vom 3. 8. hatten die Präss. der Rbk dazu ausgeführt: „Bekanntermaßen gehören die Zahlungsmittelkrisen zu den schwersten volkswirtschaftlichen Krisen, die es überhaupt gibt. Wir haben in den Monaten Oktober und November v. J. eine solche Krisis durchlebt, die in dem Panikbedarf ihren Grund hatte, der im Zusammenhang mit dem militärischen Zusammenbruch und der politischen Umwälzung entstand […]. Aber alles, was das wirtschaftliche Leben damals zu leiden hatte, wäre ein Kinderspiel gegen die Zustände, die in der zweiten Hälfte des Dezember eintreten müßten, wenn Euer Exzellenz Absicht der Verwirklichung entgegengeführt würde. […] Streiks, Unruhen, Tumulte und Aufstände wären unausbleiblich. Der Bolschewismus würde siegreich sein Haupt erheben, und eine vollkommene Anarchie wäre das Ende.“ Selbst wenn diese äußersten Konsequenzen nicht einträten, könne die dt. Volkswirtschaft „bei dem schwer leidenden Zustande, in dem sie sich befindet, derartige Stöße nicht mehr vertragen“ (R 43 I /628 , Bl. 82 f.).

7

Ein solcher Bericht ließ sich in den Akten der Rkei nicht ermitteln. Amtlich wird am 23. 8. bekanntgegeben, daß auf einer am Vortage stattgefundenen Sachverständigenkonferenz gegen den vorgeschlagenen Umtausch aller Banknoten „von allen Seiten sehr ernste Bedenken wegen ihrer technischen Durchführbarkeit und Zweckdienlichkeit erhoben“ worden seien (WTB-Meldung Nr. 2136 vom 23.8.19, Ausschnitt in: R 43 I /2354 , Bl. 170). Der RFM läßt dem UStSRkei am 26. 8. mitteilen, daß als vorläufiges Ergebnis der Sachverständigengespräche „auf den zwangsweisen Umtausch allen Papiergeldes wird verzichtet werden müssen“ (R 43 I /628 , Bl. 145). – Rückblickend hebt die Rbk die vorübergehend kursstützende Wirkung einer entsprechenden amtlichen Verlautbarung (WTB-Meldung Nr. 2154 vom 27.8.19, Ausschnitt in: R 43 I /2354 , Bl. 173) hervor, weist aber darauf hin, daß die Wirkung des amtlichen Widerrufs durch andere Faktoren abgeschwächt worden sei. So werde der RFM durch § 7 des Gesetzes über die Kapitalflucht (vgl. Dok. Nr. 22, P. 3.) ausdrücklich ermächtigt, „den Aufruf und die Einziehung der umlaufenden Banknoten und Darlehenskassenscheine zum Zwecke des Umtauschs anzuordnen“ (vgl. RGBl. 1919, S. 1540 ). Des weiteren habe der RFM am 1. 10. vor der NatVers. hervorgehoben, daß es nicht am Willen des Reichsfinanzministeriums liege, wenn der Notenumtausch zur Zeit nicht durchgeführt werde (vgl. NatVers.-Bd. 329, S. 2789 ). Damit hänge nach Meinung der Rbk „die Anordnung des Umtausches wie ein Damoklesschwert über dem gesamten deutschen Papiergeldumlauf im Inlande wie im Auslande“ (Das Rbk-Direktorium an den RFM, 31.12.19; Abschrift an den RK; R 43 I /2432 , Bl. 5–22, hier Bl. 19 f.).

8

Siehe dazu weiter Dok. Nr. 49, P. 2.

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