2.189 (bau1p): Nr. 187 Bericht des Chefs der Admiralität über seine Inspektion des Lagers Döberitz am 12. März 1920

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Nr. 187
Bericht des Chefs der Admiralität über seine Inspektion des Lagers Döberitz am 12. März 19201

R 43 I /2719 , Bl. 122 Abschrift2

Ich habe dem Herrn Reichswehrminister nach meiner Rückkehr aus Döberitz am Freitag, den 12. März abends, ungefähr um 8.30 [Uhr] folgende mündliche Meldung in Gegenwart des Majors von Gilsa erstattet:

[671] Ich habe – telephonisch angemeldet – bei meiner Ankunft in Döberitz dort vollkommene Lagerstille angetroffen. Beurlaubte passierten das Tor, der Eindruck war ein völlig friedlicher, auch als ich zu Fuß bis zur Baracke des Kpt. Ehrhardt ging.

Ich habe E[hrhardt] dann unter 4 Augen gesprochen, habe ihm die in Berlin eingegangene Nachricht mitgeteilt und ihn kurz noch einmal darauf hingewiesen: er wisse, wie ich solche Pläne verurteile3, ich könne nur noch einmal auf das ernsteste davor warnen; die Verantwortung wüchse noch höher, nachdem nunmehr mit vorbereitetem Widerstand zu rechnen wäre. Ich sage ihm hier noch einmal in meiner dienstlichen Stellung, daß er eine solche Tat unter keinen Umständen ausführen dürfte.

E[hrhardt] habe mir persönlich einen ganz veränderten Eindruck gemacht. Er sei mir gegenüber gedrückt und „verbaast“4 gewesen und hätte dabei zum Ausdruck gebracht, daß er allerdings durch die Geschehnisse der letzten Tage für manche Persönlichkeit, vor der er bisher Achtung besessen hätte, eine gründliche Nichtachtung sich angeeignet habe.

Auf eine Zwischenbemerkung des Reichsministers: wenn er nur nicht heute Nacht marschiert, bis morgen haben wir die Stimmung schon so hochgebracht, daß keine Gefahr mehr besteht, – habe ich gesagt:

Ich hätte die Truppe in völliger Ruhe angetroffen; ich wisse nicht wie viel Zeit zur Alarmierung gehöre. Ich könne mir aber denken, daß wenn E[hrhardt] um 1 Uhr marschieren wolle, er erst um 12 Uhr alarmiere.

Was die Stimmung von Kpt. E[hrhardt] angehe, so wäre sie m[einer] A[nsicht] nach eine Folge davon, daß sich um die Truppe seit 36 Stunden ein Wirbelwind von Befehlen, Beeinflussungen und Rücksprachen gedreht hätte, die dort den Eindruck erwecken müßten, daß in Berlin alles vor der Truppe vor Angst zittere; ein Beweis für mich, daß ich am Donnerstag [11. 3] nachmittag vollkommen recht gehabt hätte, als ich dringend vor dem Befehl gewarnt hätte, die Unterstellung der Truppe zu ändern (sie wurde dem General von Lüttwitz fortgenommen und mir unterstellt)5.

[672] Die Stimmung, in der sich E[hrhardt] und die Marinebrigade jetzt befände, wäre allerdings eine solche, daß auf solchem Boden allerhand Unfug wachsen könne.

Ich bemerke noch, daß die M[arine-]Brigade, als ich draußen war, mir befehlsgemäß nicht unterstand, sondern dem Oberkommando in den Marken, das für die Truppen um Berlin – auch, wie ich besonders festgestellt habe, für die M[arine-]Brigade – eine gewisse Alarmbereitschaft befohlen hatte6.

Begleitet hat mich, auf Vorschlag des Majors von Gilsa, der Kapitänleutnant Canaris, der aber der Besprechung nicht beiwohnte. Ich hatte gegen ein Angebot des Generalmajors Reinhardt mich, wenn ich wünschte, zu begleiten gestimmt, aus der Erkenntnis heraus, daß der General R[einhardt] bei der Brigade sehr stark angefeindet war, wollte ich einen Einfluß ausüben, so konnte seine Anwesenheit nur nachteilig sein.

gez. von Trotha

Fußnoten

1

RWeM Noske hatte am 12. 3. während der Sitzung des RKab. die Nachricht erhalten, daß die 2. Marinebrigade unter KKpt. Ehrhardt plane, in der Nacht zum 13. 3. vom Lager Döberitz aus Berlin zu besetzen (vgl. Dok. Nr. 186, P. 3). In einer Besprechung mit GenMaj. Reinhardt und VAdm. von Trotha äußerte der RWeM zunächst den Wunsch, selbst nach Döberitz zu fahren, um „mit den Leuten [zu] sprechen und festzustellen versuchen, was eigentlich im Gange sei“, wogegen Reinhardt unter Hinweis auf die Gefahr einer Verhaftung des RWeM Einspruch erhob. Daraufhin beauftragte Noske VAdm. von Trotha, „der dazu keine rechte Neigung hatte“, „nach Döberitz zu fahren, sich von dem Stand im Lager zu unterrichten und mit Ehrhardt zu sprechen“ (Zeugenaussage Noskes vor dem RG im Hochverratsverfahren gegen Jagow und Genossen am 10.12.21; Protokollauszug in: Nachl. Luetgebrune , Nr. 26, Bl. 321). Trotha will dagegen vorgebracht haben, daß er keine Befehlsgewalt mehr über Ehrhardt habe. Seine ablehnende Haltung zu einem Militärputsch kenne Ehrhardt; sei dieser dennoch entschlossen, in der Nacht zu marschieren, so werde er, der ChdAdm., „ihn so wie seine Natur ist, jetzt nicht mehr umstimmen“ können (Denkschrift Trothas u. d. T. „Die Stellung des Chefs der Admiralität, Vizeadmirals von Trotha, zu den März-Ereignissen“ vom 27.3.20; RM 20/3, Bl. 119; vgl. auch Trothas Zeugenaussage in dem o. a. Hochverratsverfahren am 10.12.21; a.a.O., Bl. 312).

2

Den hier zum Abdruck gelangenden Bericht legt der ChdAdm. urschriftlich dem RWeM mit Anschreiben vom 21. 3. vor, worin er unter Bezugnahme auf die vom RK Bauer vor der NatVers. am 18. 3. erhobene Beschuldigung, er sei in die Putschpläne Kapps und Lüttwitz eingeweiht gewesen (NatVers.-Bd. 332, S. 4901 ), betont: „Ich habe mit der Verschwörung nichts zu tun“ (R 43 I /2719 , Bl. 122). Nachdem am 24. 3. dennoch ein Haftbefehl wegen mil. Aufruhrs und Hochverrats gegen von Trotha erlassen wird (ebd., Bl. 105), legt GenMaj. von Seeckt dem RK am gleichen Tag eine Abschrift von Trothas Bericht mit der Empfehlung vor, „das Ergebnis der einzuleitenden gerichtlichen Untersuchung abzuwarten und von dieser eine etwaige Zurücknahme der erhobenen Beschuldigung abhängig zu machen“ (ebd., Bl. 121). – Die reichsgerichtlichen Vernehmungsprotokolle mit diesbezüglichen dienstlichen Stellungnahmen der Marineoffiziere Michaelis, Westerkamp, Meyer und Raeder befinden sich abschriftlich in den Akten der Zentralabt. des Reichsmarineamts (RM 20/3, Bl. 186–231).

3

Von Trotha hatte auf Bitten von GenMaj. von Oldershausen und anderer Stabsoffiziere Ehrhardt zu sich befohlen und – nach eigener Aussage – versucht, Ehrhardt von der Unterstützung eventueller Putschpläne des Gen. von Lüttwitz abzuhalten (Prot. der Vernehmung Trothas – vgl. Anm. 2 – vom 20.5.20; a.a.O., Bl. 194).

4

Gemeint ist, „es war nicht recht an ihn heranzukommen, und es war auch nichts aus ihm herauszuholen“ (Prot. der Vernehmung Trothas – vgl. Anm. 2 – vom 20.5.20; a.a.O., Bl. 197).

5

Der Kommandowechsel war von Gen. von Seeckt, der als Chef des Truppenamtes die zum 10. 3. befohlene Auflösung der Marinebrigaden bearbeitete, vorgeschlagen und gemeinsam mit Gen. Reinhardt beim RWeM durchgesetzt worden. Trotha will dagegen eingewendet haben: „Wenn die Lage so gespannt wäre, wie die Generäle fürchteten, so wäre dieser Befehl der den General von Lüttwitz vor den Kopf stoße und die Brigaden mißtrauisch mache, der unglücklichste, der gegeben werden könne. Hierdurch könne eine Explosion, die sonst wohl noch zu vermeiden wäre, heraufbeschworen werden. Wenn die Brigade Ehrhardt in Döberitz jetzt als Gefahr angesehen werde, müsse man ihr militärische Vorbereitungen entgegensetzen, die ich nicht treffen könne […], der ich keine militärischen Machtmittel besäße“ (Denkschrift des ChdAdm. vom 27.3.20 – vgl. Anm. 1 –; a.a.O., Bl. 118).

6

Zur Alarmierung vgl. Dok. Nr. 210. – Trotha will sich bei Gen. von Oldershausen rückversichert haben, daß durch den Alarmbefehl des RWeM der „militärische Befehlseinfluß“ zwischen ihm und Ehrhardt wieder unterbrochen worden war (Zeugenaussage vom 10.12.21 in dem in Anm. 1 zit. Hochverratsverfahren; a.a.O., Bl. 312).

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