1.225.2 (bru3p): 2. Amnestiefrage.

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 7). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Die Kabinette Brüning I und II Band 3Das Kabinett Brüning I Bild 183-H29788NS-Wahlversammlung im Sportpalast Bild 102-10391Arbeitslose Hafenarbeiter Bild 102-11008Bankenkrise 1931 Bild 102-12023

Extras:

 

Text

RTF

2. Amnestiefrage.

Der Reichsminister der Justiz wies darauf hin, daß von nationalsozialistischer Seite in der Sitzung des Ältestenrats des Reichstags vom 26. April der Vertreter der Reichsregierung gefragt worden sei, ob die Reichsregierung aus Anlaß der Wiederwahl des Herrn Reichspräsidenten den Erlaß einer Amnestie beabsichtige. Die Nationalsozialisten hätten einen Initiativgesetzentwurf angekündigt für den Fall, daß die Reichsregierung eine Amnestie nicht erlassen werde8. Über den Inhalt dieses Entwurfs sei bisher noch nichts bekannt. Die Kommunisten bereiteten ebenfalls einen Initiativgesetzentwurf wegen einer Amnestie vor9. Nach dem, was darüber bisher verlautet sei, sei das Verlangen der Kommunisten sehr weitgehend. Die Forderungen richteten sich ausdrücklich gegen die Auswirkungen der Notverordnungen und würde diese in weitem Umfange wirkungslos machen10.

Das Reichsjustizministerium habe die Frage einer Amnestie einer eingehenden Prüfung unterzogen. Aufgrund des Ergebnisses schlage er vor, daß das Kabinett beschließen möge, dem Reichstag keinen Amnestieentwurf vorzulegen.

Für diesen Standpunkt spreche eine ganze Reihe von Gründen. Seit dem Zusammenbruch sei in Deutschland eine Überzahl von Amnestien bereits erlassen worden, die zum Teil sogar auf Diktat des Auslands erfolgt seien. Die Amnestie im Jahre 1925 sei nicht lediglich aus Anlaß der damaligen Reichspräsidentenwahl gewährt worden11. Sie habe einen weiteren Anlaß gehabt in der Deutschland aufgezwungenen Amnestierung der Separatisten12. Es sei zudem nicht angängig, bei regelmäßig wiederkehrenden Ereignissen, wie der Wahl des Reichspräsidenten, eine Amnestie zu erlassen. Das würde dazu führen, daß Amnestien automatisch regelmäßig wiederkehren würden. Dadurch würden jedoch die Aufgaben der Strafrechtspflege sehr erschwert werden.

Im jetzigen Augenblick würde eine Amnestie auch dem Sinn der Notverordnungen, namentlich den verschärften Bestimmungen über den Ehrenschutz13 widersprechen.

[2498] Auch der Herr Reichspräsident habe sich dahin geäußert, daß er keinen Anlaß sehe, eine Amnestie zu erlassen, die turnusmäßig wiederkehren würde.

Staatssekretär Dr. Meissner teilte mit, der Herr Reichspräsident habe zu dieser Frage erklärt, sie interessiere ihn überhaupt nicht.

Der Reichskanzler warf die Frage auf, welchen Erfolg die angekündigten Initiativanträge haben könnten und ob die Reichsregierung gegebenenfalls dadurch in Ungelegenheiten kommen könne.

Der Reichsminister der Justiz äußerte die Ansicht, daß die Initiativanträge voraussichtlich mit wechselnden Mehrheiten abgelehnt werden würden. Wenn einer der Anträge durchgehen sollte, würde das für die Regierung nicht als Niederlage zu gelten brauchen, da die Regierung es lediglich ablehne, die Initiative zu übernehmen. Man möge deswegen den Initiativanträgen freien Lauf lassen14 .

Der Reichsminister der Finanzen schloß sich dem Standpunkt des Reichsministers der Justiz in vollem Umfange an.

Das Kabinett beschloß, von der Vorlage eines Amnestiegesetzentwurfs an den Reichstag aus Anlaß der Wiederwahl des Herrn Reichspräsidenten abzusehen.

Fußnoten

8

Antrag der NSDAP-Fraktion vom 9.5.32 für einen GesEntw. über Straffreiheit, RT-Bd. 453 , Drucks. Nr. 1502 .

9

Antrag der KPD-Fraktion vom 4.5.32 für einen GesEntw. über die Gewährung von Straffreiheit, RT-Bd. 453 , Drucks. Nr. 1469 .

10

Der GesEntw. amnestierte u. a. alle strafbaren Handlungen gegen die aufgrund des Artikels 48 RV begangenen Straftaten (§ 1 P. 4 der Drucks. Nr. 1469 vom 4.5.1932 in RT-Bd. 453 ).

11

Vgl. diese Edition, Die Kabinette Luther I/II, Dok. Nr. 11, Dok. Nr. 15, Dok. Nr. 80, P. 1, Dok. Nr. 84, Dok. Nr. 97, P. 1, Dok. Nr. 100, Dok. Nr. 103, P. 1, Dok. Nr. 104, P. 1, Dok. Nr. 115, P. 1, Dok. Nr. 119, P. 1, Dok. Nr. 121, P. 8, Dok. Nr. 143, Dok. Nr. 144 d).

12

Vgl. diese Edition, Die Kabinette Luther I/II, Dok. Nr. 223, Dok. Nr. 237, Dok. Nr. 251, Dok. Nr. 277, P. 5, Dok. Nr. 333, P. 4, Dok. Nr. 345.

13

Vgl. Dok. Nr. 587 und Dok. Nr. 590.

14

Der RT hat die Anträge der KPD und NSDAP in der 5. Legislaturperiode nicht mehr behandelt.

Extras (Fußzeile):