1.68.4 (bru3p): 4. Wohnungswirtschaft.

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4. Wohnungswirtschaft.

Hauszinssteuer8. Der Reichsminister der Finanzen erläuterte den anliegenden Entwurf zu dem Kapitel Geldentwertungsausgleich bei bebauten Grundstücken. Den wesentlichen Inhalt seiner Ausführungen faßte er wie folgt zusammen: Die Hauszinssteuer soll bis zum Jahre 1939 abgebaut werden, so daß sie vom 1. April 1940 ab nicht mehr erhoben wird. Bis zum Ablauf des Rechnungsjahres 1939 soll die Steuer mit dem 3½fachen Jahresbetrag ablösbar sein. Eine Ersatzsteuer, die nach dem Fortfall der Hauszinssteuer an deren Stelle treten könnte, soll nicht vorgesehen werden. Erleichterungen in der Hauszinssteuer im Zusammenhang mit Reparaturen sollen nicht gewährt werden. Rückflüsse aus der Hauszinssteuer sollen, wie bisher, verwendet werden. Den Ländern gegenüber sollen keinerlei Bindungen mehr auferlegt werden über die Art der Verwendung der Hauszinssteuer. Eine Mietsenkung, die auf eine Senkung der Hauszinssteuer aufgebaut ist, soll nicht vorgeschlagen werden9.

Anschließend machte der Reichsarbeitsminister längere Ausführungen zur Sache unter Bezugnahme auf sein den Herren Reichsministern zugegangenes Schreiben vom 27. XI. 1931 […]10. Er hielt es inbesondere für bedenklich, daß die Reichsregierung nach dem Vorschlag des Reichsministers der Finanzen davon absehen will, in Zukunft den Ländern überhaupt noch vorzuschreiben, daß gewisse Teile der Hauszinssteuer für Neubauzwecke verwendet werden müßten. Er vertrat den Standpunkt, daß in den nächsten Jahren ein unbedingt zu befriedigender Mangel an Kleinstwohnungen in die Erscheinung treten werde. Wenn das Reich den Ländern aber die Hauszinssteuermittel völlig freigebe, werde das Reich keine Möglichkeit haben, auf die Länder im Sinne der Befriedigung des Wohnungsbedarfs einzuwirken.

[2041] Der Reichsminister der Finanzen erwiderte, daß man in Zukunft den Wohnungsbau anders betreiben müsse, wie dies bisher geschehen sei. Er sei von jeher gegen die verstärkte Bautätigkeit in den Städten gewesen. An die Stelle des behördlich geförderten Wohnungsbaus in den Städten müsse in Zukunft die Randbildung gefördert werden, ähnlich wie dies zur Zeit vom Reichskommissar für die großstädtische Kleinsiedlung betrieben werde11. Er sei bereit, an der Aufstellung eines Planes mitzuwirken, der auch für die kommenden Jahre die Errichtung von 100 000 solcher Kleinwohnungen sicherstelle. Nach seiner Meinung habe es gar keinen Zweck, den Ländern irgendwelche Vorschriften hinsichtlich der Weiterförderung des Wohnungsbaus zu machen, da die Länder sich an derartige Bestimmungen doch nicht halten würden.

Der Reichskanzler stellte die Frage, ob bei dem Entwurf des Reichsministers der Finanzen auch vorgesehen sei, daß genügend Mittel für die Zwecke der Umschuldung verfügbar blieben.

Ministerialdirektor Dr. Zarden erwiderte, daß beabsichtigt sei, die Umschuldungsbestimmungen nach der Richtung abzuändern, daß für Umschuldungszwecke ein fester Fonds gebildet werde. Wenn also ein Steuerschuldner die Hauszinssteuer mit dem 3½fachen Betrage ablöse, werde aus der Ablösungssumme soviel an den Fonds abgeführt werden, daß dieser für die Umschuldungszwecke ausreiche.

Der Reichswirtschaftsminister empfahl, zu prüfen, ob man durch Aufstellung eines Überbrückungsplanes nicht die Möglichkeit schaffen könne, die Mieten zu senken.

Der Reichsminister der Finanzen erwiderte, daß man im ersten Jahr unmöglich mehr als 20% senken könne. Eine Mietsenkung sei nur im Zusammenhang mit der Lösung des Zinsproblems möglich.

Da eine restlose Übereinstimmung der Meinungen des Reichsministers der Finanzen und des Reichsarbeitsministers noch nicht möglich erschien, erklärte sich der Reichsminister der Finanzen bereit, am kommenden Tage mit den Finanzministern der Länder, die er zu einer Sitzung für den kommenden Tag in das Reichsfinanzministerium geladen habe, nochmals die Frage der zukünftigen Verwendung der Hauszinssteuermittel zu erörtern. Dabei soll insbesondere festgestellt werden, inwieweit die Länder bereit sind, in Zukunft Hauszinssteuermittel für Bauzwecke vorzubehalten. Die abschließende Beschlußfassung in der Sache soll sodann in einer späteren Kabinettssitzung stattfinden12.

Auflockerung der Wohnungszwangswirtschaft.

Der Reichsarbeitsminister legte den den Reichsministern mit Schreiben vom 1. Dezember 1931 […] zugegangenen Entwurf über Abbau und Beendigung der Wohnungszwangswirtschaft vor13. Er erklärte, daß der Entwurf mit dem vom Reichskabinett bei Gelegenheit der Beratung der Dritten Notverordnung des Reichspräsidenten vom 6. Oktober 1931 bereits verabschiedeten Entwurf wörtlich[2042] übereinstimme14. Damals habe er den Entwurf wie erinnerlich, zurückgezogen, um ihn dem jetzt zur Erörterung stehenden Wirtschaftsprogramm vorzubehalten.

Das Reichskabinett erklärte sich mit dem Entwurf erneut einverstanden15. Vorzeitige Kündigung langfristiger Mietverträge.

Der Reichsminister der Justiz legte den anliegenden Entwurf über langfristige Mietverträge nebst Begründung vor und erläuterte ihn im einzelnen16. Eine kurze Aussprache spann sich über die Frage, ob die Besitzer von gewerblichen Läden in gleicher Weise behandelt werden sollen, wie die Mieter von Wohnungen. Es wurde darauf hingewiesen, daß es den Ladenbesitzern nicht so sehr darauf ankomme, ein vorzeitiges Kündigungsrecht zu erlangen, wie vielmehr darauf, den von ihnen innegehabten Laden zu behalten, jedoch zu einem niedrigeren Mietzins17.

Der Reichsminister der Justiz führte weiter aus, daß das von der Vertretung der Ladenbesitzer vorgeschlagene Güterverfahren praktisch kaum zum Ziele führen werde, da man Schlichtern nicht die Befugnis übertragen könne, die Mieten zwangsweise herabzusetzen18.

Als Ergebnis der Aussprache stellte der Reichskanzler die Zustimmung des Reichskabinetts zu den Vorschlägen des Reichsministers der Justiz fest, durch die das Mietverhältnis sowohl für Wohnungsmieter wie auch für Ladenmieter gleichmäßig behandelt wird19.

Fußnoten

8

Die Hauszinssteuer war bereits durch die 2. NotVo. zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 5.6.31 (RGBl. I, S. 279 , hier S. 309) und die 3. NotVo. zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 6.10.31 (RGBl. I, S. 537 , hier S. 551) gesenkt worden.

9

Der Entw., der auf den Wunsch der RK (Dok. Nr. 544) zurückgeht, befindet sich in R 43 I /1453 , Bl. 340–341.

10

In diesem Schreiben hatte der RArbM die Höhe des Ablösungsbetrages als zu gering bezeichnet und kritisiert, daß das Aufkommen aus der Ablösung der Steuer nur zur Abdeckung der Schulden von Ländern und Gemeinden, nicht jedoch zur Förderung des Wohnungsbaus verwendet werden sollte. Der RArbM hatte in seinem Schreiben weiter darauf hingewiesen, daß im Vorgriff auf die Eingänge der Hauszinssteuer im Jahre 1932 bereits ein Betrag von mindestens 100 MioRM benötigt werde, der anders nicht abgedeckt werden könne. Schließlich hatte er die Verwendung der Ablösung für den geplanten Wegfall der Gebäudeentschuldungssteuer gefordert (R 43 I /2352 , Bl. 68–71).

Der Präsident des Hamburger Senats Roß hatte den RK mit Schreiben vom 25.11.31 auf die hohen Einnahmeverluste aufmerksam gemacht, die aus dem Wegfall der Hauszinssteuer der Hansestadt Hamburg entstehen würden und als Kompensation eine Erhöhung des Hamburger Anteils an der Umsatzsteuer verlangt (R 43 I /2352 , Bl. 76).

11

Vgl. Dok. Nr. 607, P. 3.

12

Hierzu Dok. Nr. 589, Anm. 10.

13

Der Entw. über „Abbau und Beendigung der Wohnungszwangswirtschaft“ hob den Mieterschutz für teure Mietwohnungen, Neubauten und Geschäftsräume auf. Das Wohnungsmangelgesetz wurde für teure Mietwohnungen aufgehoben (R 43 I /2352 , Bl. 86–90).

14

Vgl. Dok. Nr. 508.

15

Zum endgültigen Beschluß siehe Dok. Nr. 594, P. 1.

16

Der Entw. ermöglichte Mietern, die vor dem 1.1.31 Mietverträge abgeschlossen hatten, zum 1.4.32 den Vertrag mit dem Ziel der Mietsenkung zu kündigen (R 43 I /1453 , Bl. 342–346).

17

Vgl. hierzu das Schreiben des MdR Artur Petzold an den RK vom 31.10.31 (R 43 I /2352 , Bl. 3–4) und das Rundschreiben des RJM an die Landesjustizverwaltungen vom 14.11.31 (R 43 I /2352 , Bl. 46–47).

18

MdR Petzold hatte in seinem Schreiben an den RK auf die Bemühungen der Hauptgemeinschaft des dt. Einzelhandels hingewiesen, „durch Einrichtungen von Einigungsstellen zu versuchen, auf gütlichem Wege die Vermieter zur Senkung der Mietpreise zu veranlassen, sind beim Reichswirtschaftsministerium freundlich aufgenommen worden, dagegen steht das Reichsjustizministerium dem Gedanken ablehnend gegenüber mit der Begründung, unter Bezugnahme auf die sogenannte Vertragstreue“ (R 43 I /2352 , Bl. 3–4).

19

Zweiter Teil, Kapitel III der NotVo. vom 8.12.31 (RGBl. I, S. 699 , hier S. 708).

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