2.124.1 (ma11p): [Parlamentarische Lage.]

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[Parlamentarische Lage.]

Der Reichskanzler Er habe gerüchtweise gehört, daß die Deutsche Volkspartei einen Gesetzentwurf einbringen wolle, der den Schluß der Legislaturperiode für einen Tag des Mai und die Neuwahl für den darauffolgenden Tag vorsehe.

von Raumer: Die Deutsche Volkspartei berate zur Zeit über diesen Antrag. Die Absicht gehe dahin, den Reichstag in der Zwischenzeit stillzulegen; allerdings würde dies schwer sein.

Der Reichskanzler Der beabsichtigte Antrag der Volkspartei würde den Vorteil haben, daß unsere Wahlen mit den französischen zusammenfallen würden. Es würde dann auch vermieden, daß eine Auflösung im Ausland gegen uns propagiert werden könnte. Hiermit schienen ihm aber die Vorzüge des Antrags der Volkspartei erschöpft, und der eine, nämlich das Zusammenfallen mit den französischen Wahlen, könnte durch die Franzosen dadurch ausgeschaltet werden, daß sie ihre Wahlen verschieben. Ein Vorzug der Auflösung wäre, daß sie eine starke Wahlparole darstellen würde. Weiter sei Anfang April deshalb ein günstiger Wahltermin, weil mit der Aufhebung der Micum-Verträge Mitte April stärkere Arbeitslosigkeit zu erwarten sei.

Wie wolle man außerdem die Zeit bis zur Maiwahl hinbringen? Es wäre dann ein neues Ermächtigungsgesetz nötig, da man bis dahin nicht auf Grund des Artikel 48 regieren könnte.

Brauns: Seines Erachtens würde die Annahme des Antrags der Volkspartei eine Schwäche der Regierung zeigen. Der Reichstag müsse dann wieder[412] herangezogen werden. Inzwischen könne die Mark wieder fallen, dann würde der Wahlausgang ungünstig sein.

Fehrenbach: Man dürfe den Weg der Zusammenarbeit mit der Sozialdemokratie durch den Wahlkampf nicht verbauen. Ein früher Wahlzeitpunkt sei vielleicht besser, aber man dürfe ihn nicht mit Gewalt herbeiführen.

Haas: Der Reichsbankpräsident Schacht hege Bedenken gegen zu schnelle Wahlen (Abgeordneter Scholz erscheint).

Scholz teilt mit, die Deutsche Volkspartei habe die Einbringung eines Initiativgesetzes beschlossen, nach dem die Legislaturperiode am 3. Mai ende und die Neuwahl am 4. Mai stattfinden solle.

Koch: Es bleibe dann die Frage bestehen, wie die Debatte enden solle (Reichsminister Stresemann erscheint). Seine Fraktion würde dann beantragen, die Wahl am 6. April stattfinden zu lassen.

Scholz: Der Zweck des Antrags seiner Partei sei, eine Auflösung mit einer unmöglichen Wahlparole zu verhindern. Er halte es für möglich, daß, wenn andere Parteien dies wünschten, die Volkspartei dem Termin vom 6. April zustimmen würde.

Der Reichskanzler Die Regierung müsse die Diskussion am Schluß der Generaldebatte beenden lassen1. Dieser Weg sei aber bei Annahme des Antrags der Volkspartei nicht möglich.

Fehrenbach und Koch bitten die Volkspartei, ihren Entschluß nochmals zu prüfen.

Leicht macht darauf aufmerksam, daß der Reichskanzler bereits erklärt habe, an seinem Programm festzuhalten.

Brauns: Die Voraussetzung des Antrags der Volkspartei sei die Passivstellung des Reichstags. Diese Voraussetzung sei aber nur durch einen Kuhhandel mit der Sozialdemokratischen Partei zu erreichen, den doch gerade die Deutsche Volkspartei vermeiden wolle.

Nach weiterer Erörterung kommt eine Einigung dahin zustande, daß man den Antrag Scholz für den Fall in Reserve halten wolle, daß der Weg mit dem Schluß nach der Generaldebatte sich aus irgendwelchen Gründen als unmöglich erweise2.

Fußnoten

1

Vgl. Dok. Nr. 123.

2

Am 1. 3. schreibt „Die Zeit“ über „Die parlamentarische Lage“: „Die Reichstagsfraktion der DVP hat einen Antrag vorbereitet, der darauf hinausläuft, daß der RT selbst seine Auflösung etwa zum 3. Mai beschließt und die Neuwahl auf den 4. Mai – den Tag der Gemeindewahlen in Preußen – festsetzt. Dieser Antrag dürfte vorläufig zurückgehalten werden, um abzuwarten, wie die Aussprache über die Notverordnungen im RT endet. Erfolgt die Auflösung, so ist der Antrag selbstverständlich überflüssig, denn er soll keineswegs den Zweck verfolgen, etwa eine von der Reg. beabsichtigte Auflösung zu verhindern. Erfolgt aber die Auflösung nicht, dann dürfte es doch wohl zweckmäßig erscheinen, daß der RT selbst die Initiative ergreift, um nicht das verfassungsmäßige Ableben, das erst im Juni eintreten würde, abwarten zu müssen. In diesem Sinne ungefähr hat sich auch der Fraktionsführer Dr. Scholz in seiner Reichstagsrede am Mittwoch ausgesprochen [vgl. RT-Bd. 361, S. 12507 ]. Allerdings würde es erforderlich sein, dem Antrag eine Dreiviertelmehrheit [sic!] im RT zu sichern, da die Abkürzung der Legislaturperiode eine Verfassungsänderung darstellt. Das wiederum bedingt sorgfältige Vorbereitung und entsprechende Verhandlungen mit den anderen Parteien und der RReg.

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