2.67.3 (ma11p): 3. Dritte Steuernotverordnung.

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RTF

3. Dritte Steuernotverordnung.

Der Reichsminister der Finanzen führte aus, daß im wesentlichen 5 Hauptfragen in der dritten Steuernotverordnung4 zur Entscheidung kämen. 1. Die[258] Frage der Aufwertung, 2. die Frage der Erfassung der Inflationsgewinne, 3. die Frage des Finanzausgleichs, 4. die Frage der Vereinfachung des Steuerverfahrens und der Beteiligung der Gemeinden bei der Erhebung der Reichssteuern, 5. die Frage der sogenannten Mietzinssteuer.

[…]

Der Reichsminister der Finanzen bat, die Frage der Aufwertung ganz am Schluß zu behandeln. Es sei in dieser Frage ein neuer Entwurf des Reichsjustizministeriums vorgelegt worden5, der im wesentlichen die Ausführung der Bestimmung im § 1 seines Entwurfes6 darstelle. Er glaube, daß sich vielleicht auch noch eine andere Lösung in der Weise ergeben könne, daß zwei Verordnungen auf einmal herausgebracht würden, um zu verhindern, daß die Steuerverordnung durch die Belastung mit der Regelung der Aufwertungsfrage zu großen Gefahren ausgesetzt werde.

Der Reichsminister der Justiz war gegenteiliger Ansicht und glaubte, daß die Gefahr der Aufhebung durch den Reichstag für beide Verordnungen in getrennter Form größer sei als für die beiden Verordnungen zusammengefaßt in einer Form. Außerdem sei für ihn ein Entgegenkommen in der Frage der Aufwertung nur dann möglich, wenn dieses eingekleidet werden könne in die Steuerverordnung selbst.

Das Kabinett stimmte dem Antrage, die Aufwertungsfrage am Schlusse zu behandeln, zu.

Steuerfragen:

Geldentwertungsausgleich bei Ausgabe von Notgeld7.

[259] Der Reichsminister der Finanzen führte dazu aus, daß diese Steuer allzuviel nicht einbringen werde; man werde aber bei Regelung der Gesamtfrage dieses Teilgebiet nicht ausschließen können. Die Anwendung für das besetzte Gebiet sei nicht beabsichtigt, ohne daß allerdings diese Nichtanwendung ausdrücklich in das Gesetz aufgenommen werde.

Der Vizekanzler stimmte vor allen Dingen darin mit dem Reichsminister der Finanzen überein, daß in der Ausführung möglichste Freiheit gewährleistet sein müsse. Die Einzelfälle lägen zu verschieden; eine Schematisierung könne nur zum Nachteil der Sache ausschlagen. Zur Erwägung gebe er, ob nicht der Ertrag der Steuer den einzelnen Gemeinden zugeführt werden solle.

Das Kabinett beschloß, die Bestimmung aufzunehmen, daß der Reichsminister der Finanzen ermächtigt werde, den Ertrag dieser Steuer zu Gunsten der einzelnen Gemeinden zu verwenden.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft führte aus, daß die dritte Steuernotverordnung für die Landwirtschaft untragbar sei. Die Landwirtschaft stehe unmittelbar vor dem Zusammenbruch und könne nicht weiter mit Steuern belastet werden. Die Lage sei deshalb besonders schwierig für die Landwirtschaft, weil es ihr nicht einmal möglich sei, Kredite zu erhalten.

Der Reichsminister der Finanzen führte demgegenüber aus, daß die dritte Steuernotverordnung der Landwirtschaft keine Mehrbelastung, sondern eine Entlastung brächte. Die vorgesehene Mietsteuer8 solle es den Ländern ermöglichen, die Sätze für die Grundsteuer herunterzusetzen. Außerdem müsse er darauf aufmerksam machen, daß die Länder die Steuer auf den unbebauten Grundbesitz9 nicht zu erheben brauchten. Bei Erhebung der Steuer trete aber eine Belastung vor dem 1. November 1924 überhaupt nicht ein. Die Herauslassung der Besteuerung der unbebauten Grundstücke aus dem System der Besteuerung der Inflationsgewinne sei politisch nicht tragbar.

Der Vizekanzler schloß sich in voller Würdigung der Ausführungen des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft den Ausführungen des Reichsministers der Finanzen an und wies vor allem darauf hin, daß mit den Vorschriften der Notverordnung den Ländern nur eine Ermächtigung gegeben werde, und daß es Sache der Landwirtschaft sei, sich dafür einzusetzen, daß, falls die Länder von dieser Ermächtigung Gebrauch machten, die Grundsteuern ermäßigt würden.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft erwiderte, daß die Praxis anders verfahren werde. Die Ermäßigung der Grundsteuer durch die[260] Länder sei in der Verordnung nicht vorgesehen. Durch § 9 Artikel I würden außerdem die Länder gezwungen, von der Ermächtigung Gebrauch zu machen10.

Der Reichswirtschaftsminister äußerte starke Bedenken gegen den Grundsatz der Erfassung der Inflationsgewinne. Von den Inflationsgewinnen könne nur das noch steuerlich erfaßt werden, was noch vorhanden sei. Diese Erfassung müsse aber der Vermögenssteuer und der Vermögenszuwachssteuer vorbehalten bleiben. Die vorgesehene Regelung erscheine ihm deshalb politisch bedenklich, weil sie vorgesehen sei, obwohl allenthalben die Überzeugung bestände, daß die Verordnung nicht durchführbar wäre. Dies gelte besonders gegenüber Artikel III11.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft schlug vor, eine Bestimmung aufzunehmen, die die Länder zwänge, Einnahmen aus den Entwertungssteuern zur Ermäßigung der Grundvermögenssteuer zu verwenden.

Der Reichsminister der Finanzen lehnte es ab, derartige Vorschriften den Ländern gegenüber aufzunehmen. Wenn man ernstlich an die Frage des Finanzausgleichs herangehen wolle, so müsse man sich davor hüten, Vorsichtsmaßregeln aufzustellen, die wiederum den Ländern die Verantwortung für ihr Finanzgebaren erleichterten. Alle hemmenden Vorschriften auf diesem Gebiete müßten wegbleiben. Die technische Durchführung der Verordnung erscheine auch ihm besonders schwierig, besonders die von Artikel III. Es sei daher auch in diesem Falle zunächst nur vorgesehen, die Möglichkeit für eine Besteuerung zu schaffen, und zwar dadurch, daß eine Verpflichtung zur Auskunft konstatiert werde. Ein völliger Verzicht auf die Erfassung des Inflationsgewinnes bei Krediten sei politisch nicht tragbar, und zwar sowohl im Inlande wie gegenüber dem Ausland.

In einer längeren Geschäftsordnungsdebatte wurde sich das Kabinett schlüssig, daß12 die Beratung heute nicht zu Ende geführt werden könnte.

Das Kabinett beschloß daher, zunächst nur noch einen Vortrag des Reichsministers der Finanzen über die Hauptprobleme der Verordnung entgegenzunehmen und die Beratung auf Freitag [25. 1.] zu vertagen13.

Der Reichsminister der Finanzen berichtete über die drei Hauptfragen: Mietzinssteuer, Finanzausgleich und Aufwertung.

Der Reichsminister der Justiz erstattete Bericht über seinen Ergänzungsantrag[261] zu § 114. Gegen die Fassung des Entwurfs des Reichsfinanzministeriums habe er in zwei Richtungen verfassungsmäßige Bedenken: a) es sei nicht angängig, daß die Reichsregierung sich auf Grund des Ermächtigungsgesetzes weitere Ermächtigungen in der vorgesehenen Form erteile; b) die vorgesehene Regelung der Aufwertung bedeute eine Enteignung ohne Entschädigung, die, soweit Länder, Gemeinden, öffentliche Körperschaften und dergl. in Betracht kämen, verfassungsändernd sei und daher auf Grund des Ermächtigungsgesetzes nicht vorgenommen werden könne.

Sein Vorschlag versuche, diesen beiden Bedenken Rechnung zu tragen. Wesentlich sei dabei vor allem, daß eine Maximalgrenze für die Aufwertung nicht vorgesehen, sondern lediglich eine Richtung für die zu treffenden Entscheidungen seitens der dafür zu bestimmenden Stellen angegeben werde. Diese dürfe allerdings nicht bei 5, sondern müsse mindestens bei 10% liegen.

Fußnoten

4

Mit Schreiben vom 19. 1. hatte der RFM dem Kabinett einen neugefaßten (2.) Entwurf einer dritten SteuerNotVO auf Grund des Ermächtigungsgesetzes vorgelegt (in der Anlage zum obigen Protokoll; zum 1. Entwurf s. Dok. Nr. 25, P. I).

Über die Aufwertung wird in Art. I, § 1 des vorliegenden Entwurfs bestimmt: „(1) Die RReg. wird ermächtigt, zu bestimmen, ob und inwieweit die Gläubiger von Forderungen, die auf RM lauten, mit Rücksicht auf die Geldentwertung die nachträgliche Erhöhung (Aufwertung) der Forderungen verlangen können. Sie kann allgemeine Grundsätze über die Aufwertung festsetzen. (2) Die Aufwertung darf nur auf Antrag des Gläubigers zugelassen werden. Der Antrag muß bis zum 31.12.24 gestellt werden. Er kann nur auf solche tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere die Leistungsfähigkeit des Schuldners gestützt werden, die im Zeitpunkt der Antragstellung vorliegen. (3) Die RReg. bestimmt die für die Entscheidung zuständige Stelle und das Verfahren.“

Des weiteren regelt der Entwurf den „Geldentwertungsausgleich“ (d. h. die Inflationsgewinnbesteuerung) 1. bei unbebauten Grundstücken (Art. I, §§ 4–9), 2. bei bebauten Grundstücken (§§ 10–14), 3. bei Schuldverschreibungen (Art. II), 4. bei Inanspruchnahme von Krediten (Art. III), 5. bei Holzverkäufen aus Forsten öffentlicher Körperschaften (Art. IV), 6. bei Ausgabe von Notgeld (Art. V). Art. VII ändert den Finanzausgleich ab. U. a. sollen Länder bzw. Gemeinden künftig 90% der Einkommen- und Körperschaftssteuer erhalten. außerdem ½% der auf  2½ % erhöhten Umsatzsteuer. Die Kraftfahrzeugsteuer wird den Ländern in voller Höhe überlassen. Hingegen wird die bisherige Beteiligung der Länder an der Erbschaftssteuer gestrichen. Die Besoldungszuschüsse des Reichs an Länder und Gemeinden sollen bis zum 1.4.24 abgebaut werden.

Ferner enthält der Entwurf Bestimmungen über die Bewertung von Reichsmarkforderungen und -schulden für Steuern, über die Mitwirkung der Gemeindebehörden im Besteuerungsverfahren sowie über die Vereinfachung der Steuerrechtspflege und des Steuerstrafrechts.

5

Der Entwurf des RJM konnte in den Akten der Rkei nicht ermittelt werden. Die grundsätzliche Stellungnahme des RJM zur Aufwertungsfrage ergibt sich aus seinem Schreiben vom 7. 1. an den RK (Dok. Nr. 48).

6

S. Anm. 4.

7

Art. V des vorliegenden Entwurfs ermächtigt den RFM, „von solchen natürlichen Personen, Personenvereinigungen und juristischen Personen des Privatrechts, die während der Zeit der Geldentwertung Notgeld ausgegeben haben, eine Steuer zu erheben. Die Steuer darf 80% des Betrages nicht übersteigen, der sich dadurch ergibt, daß der Goldmarkbetrag des Notgeldes im Zeitpunkt der Ausgabe um den Goldmarkbetrag des Notgeldes im Zeitpunkt der Einlösung vermindert wird.“ Der RFM erläßt die erforderlichen Verwaltungs- und Rechtsvorschriften.

8

Art. I, §§ 10 ff. ermächtigt die Länder, die Mieten unter Zugrundelegung der Friedensmieten zu erhöhen und im Zusammenhang damit eine Steuer vom bebauten Grundbesitz zu erheben. Diese sog. Mietzinssteuer soll zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs der Länder und Gemeinden dienen und ggf. auch zur Förderung des Wohnungsbaues verwendet werden.

9

Nach Art. I, §§ 4 ff. sind die Länder berechtigt, von den Eigentümern unbebauter (landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzter) Grundstücke, die mit einer auf RM lautenden Hypothek, Reallast, Grundschuld oder Rentenschuld belastet sind oder nach dem 1.1.19 gewesen sind, eine einmalige Abgabe zu erheben. Die Höhe der Abgabe beträgt 7 bzw. 12% des Goldmarkbetrages der dinglichen Lasten usw. Die erste Zahlung auf die Abgabe darf nicht vor dem 1.11.24 fällig sein.

10

Art. I, § 9 bestimmt: Werden die landesrechtlichen Bestimmungen zur Regelung der Abgabe auf unbebauten Grundbesitz nicht vor dem 1.1.25 erlassen, so geht das Recht des Landes zur Erhebung der Abgabe auf das Reich über.

11

Art. III regelt den „Geldentwertungsausgleich bei Inanspruchnahme von Krediten“. Der RFM wird ermächtigt, eine Steuer von Personen zu erheben, die während der Zeit der Geldentwertung Kredite in Anspruch genommen haben (Wechselkredite, Darlehnskredite, Kredite für Termingeschäfte in Waren, Wertpapieren oder Devisen). „Die Steuer darf 20% des Betrags nicht übersteigen, der sich dadurch ergibt, daß der Goldmarkbetrag des beanspruchten Kredits im Zeitpunkt der Aufnahme um den Goldmarkbetrag im Zeitpunkt der Abdeckung (Abwicklung) vermindert wird (Geldwertunterschied).“ Zur Durchführung der Vorbereitungsarbeiten für die Erhebung der Kreditsteuer können die Finanzbehörden „Auskünfte und Gutachten jeder Art einfordern“.

12

Danach gestrichen: „bei dieser Form der Behandlung“.

13

S. Dok. Nr. 71.

14

Vgl. Anm. 5.

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