2.68.1 (ma11p): [Anlage]

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Die Kabinette Marx I und II, Band 1 Wilhelm Marx Bild 146-1973-011-02Reichskanzler Marx vor seinem Wahllokal Bild 102-00392Hochverratsprozeß gegen die Teilnehmer am PutschDawes und Young Bild 102-00258

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Gründe für und gegen die Aufwertung von Forderungen.

I. Für die Aufwertung:

A. der Forderung gegen Private.

1. Verfassungsrechtliche Erwägungen.

Aufwertungsverbot ist Enteignung. Zwar ist Enteignung ohne Entschädigung grundsätzlich zulässig, aber gemäß Art. 153 Abs. 2 Satz 3 RV gegenüber Ländern, Gemeinden und gemeinnützigen Verbänden verfassungswidrig. Daher nur Beschränkung der Aufwertungshöhe ihnen gegenüber möglich. Dann muß Gleiches für alle gelten.

2. rechtspolitische.

a) Das Ansehen des höchsten Gerichts, gegen dessen Spruch die Ablehnung[262] des Aufwertungsanspruchs sich richten würde, und

b) mit ihm das Vertrauen zum Rechtsstaat muß erhalten werden.

c) Gerechtigkeit gegenüber dem Kreise hilfsbedürftiger Angehöriger des Mittelstandes, insbesondere gegenüber Mündeln, die noch Gläubiger sind, erfordert die Aufwertung.

3. wirtschaftspolitische.

a) Die Ablehnung des Aufwertungsanspruchs erschüttert den Kreditverkehr im Inland und namentlich mit dem Auslande, weil von dort aus vielfach Hypothekenkredit gegeben wurde und weil die endgültige Entwertung der Sicherheit die Kreditbereitschaft für die Zukunft beseitigen würde.

b) Auch die Ablehnung des Aufwertungsanspruchs hindert den Zugriff der Gläubiger auf das deutsche Vermögen im Auslande nicht, falls ausländische Gerichte der deutschen gesetzlichen Regelung die Anerkennung versagen.

4. außenpolitisch

wird durch Aufwertung das Vertrauen auf den deutschen Zahlungswillen gestärkt werden.

B. Forderungen gegen Reich, Staat und Gemeinden.

Hier tritt die außenpolitische Erwägung hinzu, daß nach Aufwertung Deutschland nicht mehr durch die Geldentwertung schuldenfrei geworden ist, daß die hieraus gegen Deutschland hergeleiteten Ansprüche also fortfallen.

II. Gegen die Aufwertung:

A. der Forderungen gegen Private.

1. Verfassungsrechtliche Bedenken

bestehen gegen die vollständige Ablehnung des Aufwertungsanspruchs entweder überhaupt nicht oder ebenso gegen Ablehnung dieses Anspruchs in Höhe von 95 oder 90 v. H. Die Bestimmungen über die Enteignung sind nicht anwendbar, denn es handelt sich lediglich um die gesetzliche Regelung eines für die Gesamtwirtschaft unerträglichen Zustandes der Rechtsunsicherheit. Es soll bestimmtes Recht geschaffen werden. Dabei wird nicht enteignet. Vielmehr werden Ergebnisse der Wirtschaftsentwicklung (der durch die Verfassung nicht gehinderten Geldentwertung) rechtlich anerkannt. Ungerechtigkeiten im Ergebnis werden durch Steuern ausgeglichen oder gemildert.

2. rechtspolitisch.

a) Gerechtigkeit gegenüber denen, deren Forderung noch besteht, bedeutet Ungerechtigkeit gegen die Vielen, die den Verlust bereits endgültig tragen; an die Stelle von Gerechtigkeit tritt willkürliche Bevorzugung, wenn doch die Aufwertung der öffentlichen Schulden unterbleiben muß; der Gesamtheit der Geschädigten wird nur die Erfassung der Inflationsgewinne durch die öffentliche Hand gerecht.

Zu den noch berechtigten Gläubigern gehören zahlreiche auch ausländische Spekulanten, viele, die als Schuldner ihre Gläubiger bereits in entwertetem Gelde abgefunden oder die Forderungen in Kenntnis des abgleitenden Markwerts erworben haben, gehören aber alle die nicht, die aus Not bereits ihren Markwert veräußern mußten.

[263] b) Der für den Mittelstand erhoffte Nutzen wird nicht kommen. Die aus der Geringfügigkeit der Aufwertung und der Zeitdauer des Verfahrens erwachsene Enttäuschung wird weitgehende Beunruhigung schaffen. Verwaltungskosten werden den größten Teil der Aufwertung verschlingen, soweit die Aufwertung durch Organisationen, Körperschaften für einen großen Kreis von Gläubigern und auf der Grundlage verschiedenartigster Deckung geschehen muß (Pfandbriefinstitute, Sparkassen, Lebensversicherungsgesellschaften).

c) Aufwertung nach Lage des Einzelfalls bedeutet Rechtsunsicherheit, nicht Rechtssicherheit, da niemand vor Richterspruch die Höhe der Forderung oder Schuld kennt.

3. wirtschaftspolitisch.

a) Die Unübersehbarkeit der Belastung mit alten Papiermarkforderungen im Falle der Aufwertung wird den Kredit der Privatwirtschaft im In- und Auslande erschüttern, insbesondere auch die Aufnahme wertbeständiger Anleihen erschweren.

b) die Verflechtung der Wirtschaft erschwert eine einigermaßen sachgemäße Lösung. Beispiel: Aufwertung des Kaufgeldes trotz Übernahme einer bei Kaufgeldaufwertung noch nicht aufgewerteten Hypothek.

c) Der Kampf um die Aufwertung wird die mühsam geschaffene Wirtschaftsruhe gefährden.

d) Die Einrechnung des Aufwertungsrisikos wird die Preise steigern und

e) die Erwartung des Aufwertungsnutzens wird unberechtigte Kauflust wachrufen.

f) Markgläubiger im Auslande werden nach Anerkennung des Grundsatzes der Aufwertung die Grenzen der deutschen Gesetzgebung nicht anerkennen.

g) Ist bei Verbot der Aufwertung Zugriff auf ausländisches deutsches Eigentum vielleicht möglich, so ist er im Falle der Aufwertung jedenfalls unvermeidlich.

4. staatswirtschaftlich.

a) Die Aufwertung bedeutet bis zur Beendigung aller Aufwertungsverfahren, deren eins vielfach bis zur Erledigung anderer wird ausgesetzt werden müssen (Pfandbriefgläubiger – Pfandbriefanstalt – Hypothekenschuldner), eine für die Steuerwirtschaft unerträgliche Willkür in der Bewertung von Forderungen und Schulden, die mit der Ungeklärtheit der Rechtslage jederzeit begründet werden kann.

b) Die Aufwertung der Privatforderungen ist schwerwiegendes Präjudiz für die Forderungen gegen öffentlich-rechtliche Körperschaften.

B. Forderungen gegen Reich, Staat und Gemeinden.

a) finanziell.

Eine Aufwertung zu irgend einem nennenswerten Betrag und in gegenwärtiger Zeit kommt nicht in Frage, da die öffentlich-rechtlichen Körperschaften die Last nicht zu tragen vermöchten. Was an seine Stelle tritt, ist nur Versprechen auf weite Sicht, kann äußersten Falles einen geringen Bruchteil in Gold nach langer Zeit darstellen, gibt daher dem z. Zt. Notleidenden nichts, schadet aber in entscheidender Weise

[264] b) außenpolitisch, denn

aa) die Anerkennung des Grundsatzes der Aufwertung wird das Ausland volle Aufwertung verlangen lassen.

bb) damit wird den bisher von Deutschland bestrittenen Valorisationsansprüchen, die aus dem Vertrage von Versailles hergeleitet werden, insbesondere vor den internationalen Gemischten Schiedsgerichten weitgehender Vorschub geleistet und

cc) der Gegenseite die Möglichkeit zu weiteren Ansprüchen dieser Art gegeben, z. B. Frankreich für Rückforderung der Anleihen, die für die dépenses recouvrables s. Z. in guten Francs aufgenommen worden sind und heute um den Entwertungsfaktor vervielfacht werden könnten.

dd) Die Aufwertung wird nicht bei den Anleihen halt machen, sie wird auf die Papiermarkbeträge (Banknoten), die im Auslande umlaufen, übergreifen. Damit wird

ee) hinter die Reparationslast eine unübersehbare Goldbelastung gestellt, die von den Spekulanten des Auslandes der nächsten Generation Deutscher präsentiert werden wird.

ff) Durch diese unübersehbare Belastung des Reichs und den Kampf um diese Last wird eine dauernde Gefährdung der deutschen Währung geschaffen und die endgültige Gesundung in unkontrollierbarer Weise in Frage gestellt werden.

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