2.185 (ma11p): Nr. 185 Der bayerische Gesandte v. Preger an den Reichskanzler. 26. April 1924

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[582] Nr. 185
Der bayerische Gesandte v. Preger an den Reichskanzler. 26. April 1924

R 43 I /2262 , Bl. 118 f.

Betreff: Vollzug des Gesetzes zum Schutz der Republik.

Im Auftrag der Bayerischen Regierung und unter Bezugnahme auf die mündliche Mitteilung, die ich in gleicher Angelegenheit bereits an den Herrn Vertreter des Reichsjustizministers gerichtet habe1, beehre ich mich hierdurch zur Kenntnis der Reichsregierung zu bringen, daß der Bayerische Ministerrat in seiner Sitzung vom 12.4.24 trotz der schweren dagegen sprechenden Bedenken beschlossen hat, die Anordnung des vormaligen Generalstaatskommissars Dr. von Kahr vom 28. September 1923, wodurch der Vollzug des Gesetzes zum Schutze der Republik bis auf weiteres in Bayern eingestellt wurde, aufzuheben2.

Weisungsgemäß bitte ich, bei dieser Gelegenheit die Reichsregierung nochmals ausdrücklich darauf aufmerksam machen zu dürfen, welch schwere Belastung der Beschluß für die Bayerische Staatsregierung bedeutet und eindringlich zu betonen, daß die Bayerische Staatsregierung die Schwierigkeiten, die sich aus dem Beschluß ergeben können, nur zu überwinden vermag, wenn sie nicht unnötig vergrößert werden.

Zweck des Beschlusses ist, eine weitere Entspannung zwischen Bayern und dem Reich herbeizuführen. Dieser Zweck würde aber nicht erreicht werden, sondern gerade in sein Gegenteil verkehrt, wenn nach Wiederaufnahme des Vollzugs des Gesetzes zum Schutze der Republik in Bayern durch ungeeignete Handhabung des Gesetzes neue schwere Konflikte zwischen Bayern und dem Reich heraufbeschworen würden. Die vaterländisch gesinnten Kreise in Bayern stehen nach wie vor dem Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik mit Argwohn und Mißtrauen gegenüber. Einen Umschwung in dieser Stimmung herbeizuführen ist unmöglich. Deshalb muß mit ihr gerechnet und mit Rücksicht auf sie alles vermieden werden, was neue Beunruhigung und Aufregung in der Bevölkerung hervorrufen kann.

Das Gesetz zum Schutze der Republik bietet auch ausreichend die Möglichkeit, Schwierigkeiten und Konflikten vorzubeugen. Vor allem muß von der Ermächtigung, Strafsachen, die zur Zuständigkeit des Staatsgerichtshofs gehören, nach § 13 Abs. 3 des Gesetzes zum Schutze der Republik an die zuständige Staatsanwaltschaft oder das zuständige ordentliche Gericht zu überweisen, der weiteste Gebrauch gemacht werden. Wenn schon in dem Berliner Protokoll vom 11. August 19223 die Überweisung als die Regel und die Aburteilung durch den Staatsgerichtshof als die Ausnahme vorgesehen wurde, so wird jetzt, wo[583] selbst bei den Freunden und Anhängern des Staatsgerichtshofs das Interesse für ihn stark erkaltet ist und wo zur Entlastung des Reichsgerichts und zur Kostenersparung sogar Landesverrats- und Spionagesachen in großem Umfang an die Landesgerichte abgegeben werden, die Überweisung wohl immer erfolgen können, wenn nicht ausnahmsweise ganz besondere Umstände entgegenstehen. Kaum tragbar wäre es für die Bayerische Staatsregierung vor allem, wenn schon bald nach Wiederaufnahme des Vollzugs des Gesetzes zum Schutze der Republik in Strafsachen, die aus Bayern angefallen sind, Verhandlungen vor dem Staatsgerichtshof stattfinden würden. Deshalb ist es unbedingt geboten, daß in den Strafsachen aus Bayern, in denen schon die Anklageschrift beim Staatsgerichtshof eingereicht ist, noch einmal geprüft wird, ob sie nicht an die bayerischen Gerichte abgegeben werden können und die Abgabe wenn nur irgend möglich erfolgt. Ganz besonders gilt dies für die Strafsachen, in denen der Staatsgerichtshof gegen die Angeschuldigten zur Erzwingung ihres Erscheinens in der Hauptverhandlung Haftbefehl oder Vorführungsbefehl erlassen hat. Sollte wider Erwarten die Abgabe dieser Sachen vom Staatsgerichtshof abgelehnt werden, so müßte wenigstens der Oberreichsanwalt die Aufhebung des Haftbefehls oder Vorführungsbefehls herbeiführen oder seinerseits von ihrem Vollzug absehen, damit zunächst versucht werden kann, die Angeschuldigten zum freiwilligen Erscheinen vor dem Staatsgerichtshof zu bestimmen.

Nicht minder wichtig ist es, daß in Staatsgerichtshofsachen nicht außerbayerische Beamte – Richter, Staatsanwälte oder Polizeibeamte – in Bayern tätig werden. Auf diesen Punkt ist schon in dem Berliner Protokoll vom 11. August 1922 großes Gewicht gelegt. Die inzwischen gesammelten Erfahrungen haben bestätigt, daß jedes Erscheinen eines außerbayerischen Beamten die größte Beunruhigung und Aufregung im Lande hervorruft. Dies würde natürlich in der nächsten Zeit noch mehr als früher der Fall sein.

Mit der Aufhebung der Volksgerichte4 und der Umgestaltung der Schwurgerichte in große Schöffengerichte5 dürften auch manche Bedenken weggefallen sein, die bisher gegen die Überweisung von Staatsgerichtshofsachen an die bayerischen Gerichte bestanden haben mögen.

Bei dieser Haltung darf aber die Bayerische Staatsregierung auch erwarten, daß sie seitens der Reichsregierung das Entgegenkommen und die Unterstützung ihrer Absichten findet, die erforderlich sind, damit die Wiederaufnahme des Vollzugs des Gesetzes zum Schutze der Republik der Reichseinheit wirklich dient und nicht letzten Endes ihr schadet.

Abschrift dieses Schreibens habe ich dem Herrn Reichsjustizminister zugehen lassen.

Dr. Preger

Bln., den 29. April 19246

Fußnoten

1

Vgl. die diesbezüglichen Mitteilungen des StS Joel in der Ministerbesprechung vom 16. 4. (Dok. Nr. 181, P. 3).

2

Die erwähnte Anordnung Kahrs vom 29. (nicht 28.) 9. 23 sowie der Aufhebungsbeschluß des bayer. Ministerrats vom 12.4.24 sind abgedruckt bei Huber, Dokumente zur dt. Verfassungsgeschichte, Bd. 3, Dok. Nr. 279 und Nr. 334; s. dort auch Nr. 333.

3

In R 43 I /2261 , Bl. 117-124, 2262, R 43 I /2262 , Bl. 45-71. Auszugsweiser Abdruck bei Huber, a.a.O., Dok. Nr. 245.

4

Vgl. Dok. Nr. 164, Anm. 5.

5

Durch VO der RReg. über Gerichtsverfassung und Strafrechtspflege vom 4.1.24 (RGBl. I, S. 15 ).

6

Anscheinend hat Preger das vom 26. 4. datierte Schreiben erst am 29. 4. übermittelt. Am 23. 5. vermerkt Kempner: „Dr. Quarck teilt heute mit, daß die bayer. Gesandtschaft eine Antwort nicht erwartet. Das RJMin. kennt die bayer. Wünsche u. hat direkt verhandelt.“

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