1.85.3 (mu22p): Die besondere Begründung des Volksbegehrens.

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Kabinett Müller II. Band 2 Hermann Müller Bild 102-11412„Blutmai“ 1929 Bild 102-07709Montage  von Gegnern des Young-Planes Bild 102-07184Zweite Reparationskonferenz in Den Haag Bild 102-08968

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Die besondere Begründung des Volksbegehrens.

Begründung zu § 1:

Der Gesetzentwurf verlangt den Widerruf des Kriegsschuldanerkenntnisses nicht nur aus Gründen der nationalen Ehre und der geschichtlichen Wahrheit,[1112] sondern vor allem auch um deswillen, weil auf der Kriegsschuldlüge die Tributforderungen aufgebaut sind (vgl. die Allgemeine Begründung).

Der § 1 soll auf deutscher Seite die Voraussetzung für ein erfolgreiches Vorgehen in dieser Richtung schaffen, während in § 2 Abs. 1 der Reichsregierung die Verpflichtung auferlegt wird, auf die förmliche Beseitigung der Kriegsschuldlüge aus dem geltenden internationalen Rechte hinzuwirken.

Die Bestimmung des § 1 soll demnach die deutsche Auffassung von der Kriegsschuldfrage durch einen inneren staatsrechtlichen Akt in programmatischer Form festlegen und damit Grundlinie und Richtschnur für die Führung der deutschen Außenpolitik geben.

Die Vorschrift, diese Grundauffassung in feierlicher Form den auswärtigen Mächten zur Kenntnis zu bringen, soll gegenüber den bisherigen unzureichenden diplomatischen Akten der deutschen Politik sicherstellen, daß die von Herrn Reichspräsidenten in der historischen Rede von Tannenberg verkündete deutsche Auffassung in einer der entscheidenden Bedeutung der Frage entsprechenden und von der Politik der fremden Mächte nicht länger zu übersehenden Form notifiziert wird.

Begründung zu § 2:

Der § 2 setzt der deutschen Politik das positive Ziel, die gemäß § 1 verkündete deutsche Auffassung zur völkerrechtlichen Anerkennung zu bringen.

In staatsrechtlicher Beziehung stellt der § 2 keine Änderung der geltenden Verfassung dar und hebt kein geltendes Gesetz auf. Er enthält keinen Eingriff in den Haushaltsplan und ist kein Abgabengesetz.

Der § 2 knüpft bewußt an das Gesetz über die Londoner Konferenz vom 30. August 1924, und zwar an dessen § 3 a, an und erweitert die darin der Reichsregierung gestellten Aufgaben ohne Außerkraftsetzung der Bestimmungen dieses § 3 a. Das Gesetz vom 30. August hat seinerzeit die Zustimmung des Reichstags gefunden und ist von dem damaligen Reichspräsidenten verkündet worden.

Unter besetzten Gebieten wird auch das Saargebiet mit einbegriffen.

Begründung zu § 3:

Jede Übernahme von Lasten, die auf dem Kriegsschuldanerkenntnis beruht, wird durch den § 3 Abs. 1 verboten, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob ausdrücklich auf Artikel 231 des Versailler Vertrags Bezug genommen wird oder nicht.

Der Absatz 2 des Paragraphen 3 hebt den jetzt im Vordergrund stehenden Fall solcher Belastung hervor, nämlich den Pariser Sachverständigenplan (sogenannten Young-Plan) und die darauf beruhenden Haager Abmachungen. Soll also dem deutschen Volke eine Entscheidung über den neuen Tributplan noch ermöglicht werden, so muß der Volksentscheid stattfinden, bevor die Abmachungen der Beschlußfassung des Reichstags unterliegen.

[1113] Würde anders verfahren, so würde dies der Verfassung widersprechen. Nach ihren Bestimmungen, namentlich nach der grundlegenden Bestimmung des Artikel 1 Abs. 2 („Die Staatsgewalt geht vom Volke aus“), ist der Volksentscheid den Beschlüssen des Reichstags übergeordnet.

Begründung zu § 4:

Sinn und Zweck des § 4 ist, die Methode unmöglich zu machen, durch die in den letzten sechs Jahren insbesondere der Reichsaußenminister wiederholt die Reichsregierung, den Reichspräsidenten und den Reichstag vor „vollendete Tatsachen“ gestellt hat. Es wurden Verträge im Ausland „paraphiert“. Die Verweigerung der Ratifikation wurde alsdann mit Rücksicht auf die außenpolitische Lage für bedenklich erklärt. Die Entschlußfreiheit der verfassungsmäßig entscheidenden Instanzen, namentlich des Reichspräsidenten, der nach Artikel 45 der Reichsverfassung das Reich völkerrechtlich zu vertreten hat, war damit tatsächlich aufgehoben.

Künftig dürfen solche Verträge, die die Lasten des deutschen Volkes anerkennen oder erhöhen, auf diesem unzulässigen und fehlerhaften Wege nicht mehr zustande kommen.

Dann erst wird das Recht des Reichspräsidenten, Verträge mit auswärtigen Mächten zu schließen, wieder praktisch wirksam werden.

Auch die Bestimmung des § 4 hebt in keiner Richtung bestehendes Recht auf. Sie stellt den Verstoß gegen § 3 Abs. 1 unter die gleiche Strafe wie den Tatbestand des § 92 Nr. 3 RStGB. Der § 4 sichert also lediglich den Zweck des Gesetzes.

Die Bestimmung, daß außer den politisch verantwortlichen Kabinettsmitgliedern auch Bevollmächtigte, z. B. Beamte des diplomatischen Dienstes, Sonderbevollmächtigte usw. unter die Strafandrohung des § 4 fallen, hat ihren Grund in der Erwägung, daß auch derartige Bevollmächtigte in der Lage sein können, die Reichspolitik in ähnlicher Weise festzulegen wie Reichskanzler oder Reichsminister.

Begründung zu § 5:

Die Bestimmung des § 5 entspricht der in der deutschen Gesetzgebung herrschenden Übung.

gez. Franz Seldte

gez. Hugenberg

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