1.106 (mu22p): Nr. 362 Vermerk Staatssekretär Pünders zu den Haushaltsmitteln für das Panzerschiff B. 23. November 1929

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[1186] Nr. 362
Vermerk Staatssekretär Pünders zu den Haushaltsmitteln für das Panzerschiff B. 23. November 19291

R 43 I /880 , Bl. 89 f., hier: Bl. 89 f.

Ich habe mich in den letzten Tagen mit den Herren Reichsministern von Guérard und Dr. Wirth über die etwaige Einstellung des Zentrums zu der Frage der 1. Baurate für das Panzerschiff B im Etat 1930 besprochen2. Beide Herren waren prinzipiell nicht ausdrücklich dagegen, äußerten aber starke Bedenken und wiesen darauf hin, daß auch die Festlegung des Zentrums sich seinerzeit nur auf das Panzerschiff A bezogen habe. Unter Hinweis darauf, daß diese hochpolitische Frage eventuell mit den Fraktionsführern wohl noch zu besprechen sein werde, waren beide Herren Reichsminister aber doch der Auffassung, daß es besser wäre, wenn angesichts der sonstigen zahlreichen noch ungelösten Probleme diese Schwierigkeit nicht noch dazu käme3.

Eingehender habe ich dann die Frage mit Herrn Abgeordneten Dr. Brüning besprechen können. Er erklärte mir freimütig, daß er seine Ansicht in den letzten Monaten geändert habe, und zwar dahin, daß er jetzt für das Flottenbauprogramm und dementsprechend auch für baldige Inangriffnahme des Panzerschiffes B sei, und zwar aus außenpolitischen Gründen. Die internationalen Flottenerörterungen der letzten Monate ließen es doch als sehr wahrscheinlich erscheinen, daß gerade unser Panzerschiff A auf Grund der ausgezeichneten technischen Vorarbeiten des Reichswehrministeriums geradezu zu dem internationalen Standard-Typ im Kriegsschiffbau werde. Die Ausnutzung dieser und durch den Versailler Vertrag gegebenen Möglichkeiten sei daher außenpolitisch von sehr großer Bedeutung, wobei die deutschen Panzerschiffe dieses Typus noch einmal ein sehr wertvolles Kompensationsobjekt in anderen Fragen sein könnten. Wie aber die Zentrumsfraktion zu dieser Frage stünde, wisse er noch nicht, deutete aber an, daß Herr Prälat Dr. Kaas wohl ähnlicher Auffassung sei wie er. Andererseits seien sie beide aber durchaus der Auffassung, daß der Bogen nicht überspannt werden könne. Die Frage sei im Augenblick jedenfalls nicht so bedeutungsvoll, daß man es zu einem Bruch mit der Sozialdemokratie kommen lassen dürfe. Die Zustimmung der Sozialdemokratie sei ja nun wohl kaum zu[1187] erreichen; es käme höchstens in Betracht, daß vielleicht die sozialdemokratischen Kabinettsmitglieder sich in der Frage überstimmen ließen und dann auch die Sozialdemokratische Reichstagsfraktion im Reichstage aus einer Annahme des Panzerschiffs B mit einer anderen Mehrheit keine politischen Konsequenzen ziehen würde. Es erschien ihm nicht ganz ausgeschlossen, daß so prozediert werden könne, da nach seiner Beobachtung der Dinge die Zustimmung zu den vorhin erwähnten außenpolitischen Gedankengängen in allen Parteien, auch in der sozialdemokratischen, an Boden gewinne. Wäre aber eine solche Verabredung mit der Sozialdemokratie nicht möglich, so müsse man, so wünschenswert vielleicht aus außenpolitischen Gründen die Inangriffnahme des Panzerschiffes B wäre, zunächst für den Etat 1930 davon absehen. Vielleicht könnten dann andere politisch weniger umstrittenen Bauvorhaben in Angriff genommen werden und lediglich zwischen den Parteien eine gewisse Verabredung über die grundsätzliche Seite des Flottenbauprogramms erfolgen.

Leitender Gesichtspunkt in dieser ganzen Frage müsse – dies wiederholte Herr Dr. Brüning mehrfach – der sein, daß es wegen dieser Frage zu keinen politischen Schwierigkeiten innerhalb der Regierungskoalition kommen dürfte. Vielleicht wäre gerade im Hinblick auf die erst im Januar bevorstehende internationale Flottenkonferenz4 auch erwägenswert, die Frage des Panzerschiffes B im Etatentwurf zunächst noch unerledigt zu lassen, da man erst nach dieser Flottenkonferenz über die Bedeutung der außerpolitischen Erwägungen klarer sehen könne. Herr Brüning fügte aber gleich hinzu – und ich trat ihm hierin bei –, daß dies aus etatsrechtlichen Gründen wohl kaum in Betracht komme5.

Pünder

Fußnoten

1

Der Vermerk trägt die Paraphe des RK.

2

Zu den Gesprächen Pünders siehe seine Tagebucheintragung vom 26.11.29, Politik in der Reichskanzlei, S. 24 f.

3

Eine weitere Unterredung mit v. Guérard hatte Pünder am 6. 12. Dabei ergab sich, daß v. Guérard den Wünschen des RWeM freundlich gegenüberstand, aber politische Schwierigkeiten sah. Er wollte sich durchaus positiv für Manöver und Munition einsetzen. „Diesbezüglich habe ich ihm gegenüber besonders hervorgehoben, daß es sich hier um absolute Prestigefragen für den Herrn RWeM handele und daß auch der Herr RPräs. auf die positive Erledigung dieser Frage ganz entschiedenes Gewicht lege.“ Die politischen Einzelheiten des Flottenbauprogramms seien v. Guérard bekannt gewesen. Er halte nicht viel von den außenpolitischen Erwägungen, die für den Bau des Schiffes sprächen, wolle sich aber nicht „absolut gegen die Inangriffnahme des zweiten Schiffes sperren“ (Vermerk Pünders vom 7. 12. – an Schleicher weitergeleitet –; R 43 I /606 , Bl. 267, hier: Bl. 267).

4

Siehe dazu Schultheß 1930, S. 479 ff.

5

Am Rand notierte MinR Vogels am 22.2.30: „Die Sache ist durch die Etatfestsetzung erledigt.“

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