1.74.3 (vpa2p): Anlage 2

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Das Kabinett von Papen Band 2Das Kabinett von Papen Bild 183-R1230-505Wahllokal in Berlin Bild 102-03497AGöring, Esser und Rauch B 145 Bild-P046294Ausnahmezustand in Berlin während des „Preußenschlages“.Bild 102-13679

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Text

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Anlage 2

Als Sicherung gegenüber der im Verhältnis zwischen Preußen und dem Reich getroffenen Regelung dürfte bis zur ordnungsmäßigen verfassungsrechtlichen Erledigung übergangsweise eine verbindliche Erklärung der Reichsregierung über folgende Punkte zu verlangen sein:

1.

Anerkennung des bundesstaatlichen Charakters des Reichs und der Eigenstaatlichkeit der Länder mit der allgemeinen Zusicherung, daß bei allen künftigen Maßnahmen des Reichs auf die ungeschmälerte Erhaltung des Staatscharakters der Länder Bedacht genommen wird.

2.

Anerkennung der Tatsache, daß durch die für Preußen getroffene Regelung eine tiefgreifende Gleichgewichtsverschiebung eingetreten ist, zu deren Behebung für die Dauer des Bestandes der Regelung die Schaffung und Sicherung eines genügenden Ausgleichs für die außerpreußischen Länder unerläßlich ist.

3.

Zusage der Reichsregierung, ihren Verfassungsentwurf so zu gestalten, daß insbesondere

a)

der Reichsrat in seiner jetzigen Zusammensetzung erhalten und ohne Hereinnahme anderer Faktoren, wie Berufsgruppen, vom Reiche ernannte Mitglieder usw. nach dem Vorbilde des Bundesrats als gleichberechtigter Faktor der Gesetzgebung neben dem Reichstag ausgestaltet wird;

b)

der Artikel 48 der Reichsverfassung, sei es durch Verfassungsänderung, sei es durch Erlaß des Ausführungsgesetzes nach Abs. 5 im Sinne einer stärkeren Sicherung der Rechte der Länder neugestaltet oder klargestellt wird;

c)

daß auf dem Gebiete des Finanzwesens die Steuerquellen zwischen Reich und Ländern grundsätzlich geschieden und insbesondere die Einkommen- und Körperschaftssteuer, deren Ertrag ohnedies zum größten Teil den Ländern schon dermalen zusteht, an die Länder einschließlich der eigenen Verwaltung dieser Steuern zurückgegeben wird;

d)

die Artikel 9 und 10 der Reichsverfassung über die sog. Bedürfnis- und Grundsatzgesetzgebung gestrichen werden;

e)

die Einheit der Verwaltung in der Hand der Länder durch die vorgeschlagene Änderung des Art. 14 der Reichsverfassung, durch Rückgabe der verreichlichten Verwaltungszweige an die Länder und durch ausreichende finanzielle Ausstattung der Länder hinsichtlich der rückübertragenen [919] Verwaltungszweige (Aufgaben und Organisation) wiederhergestellt wird;

f)

in dem neuen Entwurf der Reichsverfassung Bestimmungen zum Schutze der Länderrechte eingebaut werden, die dem Art. 78 Abs. II der Bismarck’schen Reichsverfassung7 entsprechen mit der bindenden Auslegung, daß diese Vorschrift der „Kompetenz-Kompetenz“7a des Reiches nicht unterworfen ist.

4.

Zusicherung der Reichsregierung, daß künftighin weder im Wege der verfassungsändernden noch der ordentlichen Gesetzgebung, noch des Notverordnungsrechtes aus Art. 48 der Reichsverfassung, noch der Gestaltung der finanziellen Beziehungen Maßnahmen getroffen werden, durch die die Hoheitsrechte und Aufgabengebiete der Länder geschmälert werden.

5.

Insbesondere Zusage, daß

a)

keine Regelung erfolgt, die das Gemeindewesen in Gesetzgebung oder Verwaltung oder in der Gestaltung der finanziellen Beziehungen der Gemeinden ganz oder teilweise aus dem Hoheitsbereich der Länder ausgliedert und in die Hand des Reiches überführt (Popitz’sche Pläne!)8;

b)

unbeschadet des Gesetzgebungsrechts des Reichs keine Reform der Sozialverwaltung erfolgt, bei der die Versicherungsträger oder die Versicherungsbehörden der dermaligen organisatorischen Eingliederung in die Landesverwaltung oder in die Landesaufsicht entzogen werden;

c)

die Reichswasserstraßenverwaltung als Auftragsverwaltung des Reichs entsprechend dem im Jahre 1920 abgeschlossenen Staatsvertrag9 in der Hand der Länder bleibt.

6.

Zusage, daß die Länder vor der Verabschiedung der Reformentwürfe im Reichskabinett nicht nur gehört, sondern maßgeblich an ihrer Ausgestaltung beteiligt werden, und daß bei der späteren Behandlung der Entwürfe gegen den Willen der Länder keine Änderungen erfolgen, die für die Länder ungünstiger sind.

7.

Zusage, daß bei der Gestaltung des Finanzausgleichs, der Vergebung der Reichsaufträge und der Gestaltung der deutschen Wirtschaftspolitik alle Teile des Reichs gleich günstig behandelt werden und die Gefahr vermieden bleibt, daß sich die Personalunion einseitig zugunsten Preußens und seiner Wirtschaftsinteressen auswirkt.

8.

Zusage, die Eisenbahnabfindung10 in einer für die Länder tragbaren Weise zu regeln.

Fußnoten

7

Art. 78 Abs. 2 der RV vom 16.4.1871: „Diejenigen Vorschriften der Reichsverfassung, durch welche bestimmte Rechte einzelner Bundesstaaten in deren Verhältniß zur Gesamtheit festgestellt sind, können nur mit Zustimmung des berechtigten Bundesstaates abgeändert werden.“ (RGBl. 1871, S. 63 , 85 ).

7a

) Vgl. Anm 8 zu Dok. Nr. 210.

8

Bezieht sich vermutlich auf das von Popitz Anfang 1932 veröffentlichte Gutachten „Der künftige Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden“. Zu der darin vorgeschlagenen Neuregelung des Verhältnisses zwischen Reich und Gemeinden (insbes. betr. Finanzausgleich) s. S. 4, 128 ff. und 185 f.

9

Zum Text s. das „Gesetz über den Staatsvertrag, betreffend den Übergang der Wasserstraßen von den Ländern auf das Reich“ vom 29.7.21 (RGBl., S. 961 ).

10

Hierzu vgl. Anm 19 zu Dok. Nr. 42.

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