1.83.1 (bru2p): Reparationsfragen.

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Reparationsfragen.

Der Reichsminister des Auswärtigen berichtete zunächst über den neuesten Stand der Entwicklung der Sanierungsaktion zugunsten der Österreichischen Kreditanstalt1. Er teilte mit, daß die Französische Regierung am voraufgegangenen Nachmittag der Österreichischen Regierung in ultimativer Form die französische Mitwirkung bei der Placierung der 150 Millionen Schatzanweisungen abhängig gemacht habe von der Unterwerfung unter eine Finanzkontrolle und ferner von der Erklärung des endgültigen Verzichts auf die Zollunion2. Die Österreichische Regierung habe trotz ihrer verzweifelten Notlage dieses Ultimatum abgelehnt. Darauf habe der Präsident der Bank von England, Montagu Norman, den vollen Betrag von 150 Millionen Schilling auf die Bank von England übernommen. Das Geld sei auch noch in der vergangenen Nacht nach Wien überwiesen worden. Damit sei Österreich einstweilen auf dem politischen Nexus in dieser Frage frei.

Norman habe die 150 Millionen Schilling in drei Tranchen, lautend auf Dollar, französische Franken und englische Pfunde aufgeteilt in der Absicht, die übernommenen Beträge unterzuverteilen. Deutschland sei die Hälfte der auf englische Pfunde lautenden Tranche, d. h. also 25 Millionen Schilling angeboten worden.

Reichsbankpräsident Dr. LutherLuther bestätigte diese Mitteilung und erklärte, daß die Übernahme der in Frage kommenden Summe durch deutsche Banken möglich sein werde. Es sei aber eine Reichsgarantie für den Betrag erforderlich.

Der Reichsminister der Finanzen erklärte, daß er keine Bedenken habe mitzumachen, da eine derartige Beteiligung absolut im Zuge der von Deutschland[1216] in der ganzen Angelegenheit stets verfolgten Politik läge. Er empfehle aber, eine Form zu wählen, die uns keine politischen Ungelegenheiten mit Frankreich eintrage, und aus diesem Grunde nach außen hin die Reichsgarantie möglichst nicht in die Erscheinung treten zu lassen.

Der Reichsminister des Auswärtigen brachte sodann zur Sprache, daß die Frage der Benennung eines deutschen Mitgliedes für das auf der letzten Völkerbundstagung eingesetzte Finanzkomitee des Paneuropa-Ausschusses dringlich geworden sei. Er erinnerte daran, daß französischerseits und insbesondere auch bei Henderson die Absicht bestehe, die Reparations- und interalliierte Schuldenfrage vor dieses Komitee zu ziehen. Henderson habe trotz seiner und des Reichskanzlers dringlicher Gegenvorstellungen beim Besuch in Chequers diesen Plan noch keineswegs aufgegeben. England entsende in das Komitee Herrn Layton, für Belgien werde Francqui nach Genf gehen. Auch die Vertreter der übrigen Länder stünden bereits fest.

Ministerialdirektor RitterRitter berichtete, daß er in der Frage der Bestellung eines deutschen Mitgliedes sich zunächst mit Herrn Lammers unterhalten habe. Herr Lammers sei nämlich deutsches Mitglied in dem seit 1927 in Genf bestehenden Komitee für internationale Kartellfragen. Bei der Einsetzung des Paneuropa-Komitees sei ausdrücklich betont worden, daß das Kartellkomitee mit dem Paneuropa-Komitee zusammenarbeiten solle. Es habe daher nahegelegen, mit Herrn Lammers auch über die Vertretung im Paneuropa-Komitee zu sprechen. Dabei habe Herr Lammers seine Bereitwilligkeit bekundet, einen derartigen Auftrag gegebenenfalls anzunehmen.

In der Aussprache ergab sich, daß alle übrigen Länder in das Paneuropa-Komitee besonders qualifizierte Vertreter entsandt haben und daß offenbar der Versuch gemacht werden solle – namentlich von seiten Frankreichs, Englands und des Belgiers Francqui –, dort Probleme von weittragender reparationspolitischer Bedeutung anzuschneiden. Es wurden daher Zweifel geäußert, ob Herr Lammers allein in der Lage sein werde, die deutsche Vertretung zu übernehmen. Im allgemeinen Einverständnis wurde in Aussicht genommen, in der Angelegenheit auch an Herrn Geheimrat Bücher heranzutreten.

Der Reichskanzler erklärte sich bereit, zu diesem Zweck am kommenden Vormittag sowohl mit Herrn Geheimrat Bücher als auch mit Herrn Lammers die Angelegenheit zu besprechen.

Der Reichsminister des Auswärtigen teilte mit, daß die deutschen Vertretungen in Paris, Rom und Brüssel am 13. Juni beauftragt worden seien, die Französische, Italienische und Belgische Regierung über das Ergebnis der Aussprache von Chequers zu unterrichten und bei dieser Gelegenheit auch die Reparationsfrage anzuschneiden. Er trug den wesentlichen Inhalt der zu diesem Zweck ergangenen Information vor3.

[1217] Die weitere Aussprache zur Sache wurde sodann vertagt auf Freitag, den 19. Juni 1931, vormittags 11 Uhr. Zu dieser Besprechung sollen die Botschafter von Hoesch und von Schubert zugezogen werden4.

Fußnoten

1

Zum bisherigen Verlauf der Sanierungsbemühungen vgl. Dok. Nr. 298 und Dok. Nr. 305.

2

Gesandter Rieth hatte am 10.6.31 aus Wien berichtet, es entstehe der Eindruck, als ob Frankreich Österreich in eine Lage zu treiben versuche, in der die Österreicher, um die Währung zu halten, bedingungslos auf frz. Hilfe angewiesen wären (Telegramm Nr. 45 vom 10.6.31, R 43 I /112 , Bl. 249–251). Botschafter v. Hoesch hatte am 15.6.31 das AA darüber informiert, daß die frz. Banken neuerdings beschlossen hätten, sich an der Kredithilfe für Österreich nur unter der Bedingung zu beteiligen, daß sämtliche Staaten, die die österreichische Völkerbundsanleihe von 1922 garantiert hätten, jetzt erneut als Garanten aufträten. Aufgrund der alarmierenden Nachrichten aus Dtld und Österreich hätten sich die frz. Banken nicht mehr mit der Garantie des österreichischen Staates begnügen wollen, sondern hätten in irgendeiner Form eine Garantie des frz. Staates verlangt (Telegramm Nr. 626 vom 15.6.31, R 43 I /112 , Bl. 253–254).

3

In diesem Telegramm hatte der RAM die genannten Botschaften über die Verhandlungen in Chequers informiert. Curtius hatte Botschafter v. Hoesch beauftragt, gegenüber dem frz. AM Briand die dt. Wirtschaftslage im einzelnen zu erläutern und hervorzuheben, daß die gegenwärtige Reparationssituation nicht mehr länger aufrechterhalten werden könne (Abschrift des Telegramms Nr. 298 an Hoesch in R 43 I /311 , Bl. 251–259).

4

S. Dok. Nr. 337.

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