1.198 (bru2p): Nr. 450 Der Reichsminister der Finanzen an den Reichsminister des Innern. 18. August 1931

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Nr. 450
Der Reichsminister der Finanzen an den Reichsminister des Innern. 18. August 1931

R 43 I /2557 , Bl. 3–4 Durchschrift

[Reichsbeamte in der NSDAP]

Sehr geehrter Herr Kollege!

Nachdem nunmehr der Preußische Disziplinarhof für die nichtrichterlichen Beamten die Berufung des preußischen Regierungsinspektors Hasse in Stade gegen das Urteil des Disziplinargerichts in Stade, durch welches Hasse wegen Betätigung für die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei mit Dienstentlassung bestraft worden ist, verworfen hat, bitte ich erneut, Erwägungen anstellen zu wollen, ob und inwieweit auch den Reichsbeamten die Betätigung für die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei verboten werden kann1.

[1590] Ich darf hierbei darauf hinweisen, daß in dem Urteil folgendes ausgeführt wird:

„Wenn ein Beamter sich für eine politische Partei betätige, welche den Umsturz der verfassungsmäßig bestehenden Staatsordnung im Wege der Gewalt beabsichtige, so verstoße er hierdurch gegen seine durch die Anstellung als Beamter begründete Treuepflicht dem Staate gegenüber und begehe somit ein Dienstvergehen. Der Angeschuldigte habe sich durch Übernahme und Ausübung der Stellung als Kreisleiter der NSDAP, insbesondere als Leiter von Parteiversammlungen, sowie als Redner in ihnen zugunsten der NSDAP betätigt. Es frage sich, ob das Ziel dieser Partei der gewaltsame Umsturz der bestehenden Staatsordnung sei. Diese Frage sei zu bejahen. Aus Äußerungen des nationalsozialistischen Schrifttums und Erklärungen vieler Funktionäre der NSDAP ergebe sich, daß die NSDAP die gewaltsame Erringung der politischen Macht anstrebe und auf eine Revolution mit gewaltsamen Mitteln hinarbeite, deren Ziel über die nationalsozialistische Diktatur die Errichtung des völkischen „Dritten Reichs“ sei. Der Angeschuldigte müsse als Kreisleiter der Partei deren Ziele gekannt haben, er habe sich daher schon durch seine Betätigung für die Partei einer Verletzung der Pflichten, die ihm sein Amt auflege, im Sinne des § 2 Ziff. 1 des Preuß. Gesetzes betr. die Dienstvergehen der nichtrichterlichen Beamten vom 21. Juli 1852 (Verletzung der Treuepflicht)2 schuldig gemacht.“

Aus diesen Urteilsgründen ergibt sich, daß nach der Auffassung des Preußischen Disziplinarhofs für nichtrichterliche Beamte die Betätigung für die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei eine Verletzung der Beamtenpflichten darstellt3.

Mit dem Ausdruck meiner vorzüglichsten Hochachtung verbleibe ich

Ihr Ihnen sehr ergebener

gez. H. Dietrich

Fußnoten

1

Der RIM übersandte am 3.9.31 dem RK die Abschrift dieses Schreibens und schlug eine gemeinsame Besprechung dieser Angelegenheit mit dem RFM vor. Weiter führte der RIM aus: „Die Entscheidung über diese Frage ist von so großer politischer Tragweite, daß sie die verfassungsmäßig von dem Herrn Reichskanzler zu bestimmenden Richtlinien berührt. Ich darf deshalb bitten, den Herrn Reichsfinanzminister und mich zu einer politischen Aussprache zu rufen“ (R 43 I /2557 , Bl. 2).

2

§ 2 Ziffer 1 des Ges. lautet: „Ein Beamter, welcher 1. die Pflichten verletzt, die ihm sein Amt auferlegt, […] unterliegt den Vorschriften dieses Gesetzes“ (Gesetzes-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1852, S. 465).

3

Im Auftrag des RK antwortete StS Pünder dem RIM am 13.9.31 und sagte eine Besprechung der Angelegenheit nach Abschluß der laufenden Sanierungsarbeiten der RReg. zu. MinR Wienstein vermerkte am 2.11.31 auf dem Konzept, daß gemäß Rücksprache mit MinR Hoche vom RIMin. dieses Problem „durch das Ausscheiden des Reichsministers Wirth“ vorläufig als erledigt betrachtet werden könne (R 43 I /2557 , Bl. 5). Mit Schreiben vom 15.12.31 bat der RFM den RIM Groener erneut, die Frage des Verbots der Betätigung von Reichsbeamten für die NSDAP im RKab. zu erörtern. „Die Vorkommnisse in Hessen und anderswo zeigen erneut, daß die von dem Führer der NSDAP, Herrn Hitler, immer wieder betonte Legalität seiner Partei doch recht problematischer Natur ist. Es kommt hinzu, daß neuere Urteile höchster Gerichte die Doppelsinnigkeit und Zweideutigkeit mancher Ausführungen maßgebender Parteimitglieder der NSDAP erkennen lassen.“ RIM Groener übersandte am 26.1.32 der Rkei eine Abschrift dieses Schreibens mit der Bitte, die Angelegenheit zum Gegenstand einer Chefbesprechung zu machen (R 43 I /2557 , Bl. 6–7). Die ursprünglich auf den 12.2.32 angesetzte Besprechung wurde jedoch wegen der Wahlen des RPräs. verschoben (R 43 I /2357 , Bl. 8–9).

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