2.245 (feh1p): Nr. 245 Tagebuchaufzeichnung des Reichsinnenministers Koch über die Kabinettssitzungen vom 4. Mai 1921, 9.45 Uhr und 17 Uhr, und über die Sitzung mit den Parteiführern um 18.30 Uhr

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Nr. 245
Tagebuchaufzeichnung des Reichsinnenministers Koch über die Kabinettssitzungen vom 4. Mai 1921, 9.45 Uhr und 17 Uhr, und über die Sitzung mit den Parteiführern um 18.30 Uhr

Nachlaß Koch-Weser 27, Bl. 483–485

[Betrifft: Rücktritt des Kabinetts]

Kabinett morgens 9¾. Fehrenbach will wegen der Polengefahr Rücktritt vermeiden1. Parteiführer waren einverstanden, wohl oder übel.

Schiffer und Stresemann voll Eifer. Über alles einig. Kabinett muß gehen, auszuschiffen nur Fehrenbach, Wirth, Scholz, Simons. Unterschreiben unvermeidlich, uneinig nur darüber, wer von ihnen <beiden>2 Kanzler werden soll. […]3

Nachmittags 5 Uhr Kabinett. Laurent hat Simons weitere Vorschläge als zwecklos bezeichnet. Der Engländer erklärt, daß sie einen guten Eindruck machen würden, wenn sie den Pariser Beschlüssen entsprächen4. Wirth, Brauns,[664] Hermes bleiben trotzdem bei ihrer Meinung, daß Vorschläge zu machen sind. Fehrenbach will die Sache mit Parteiführern besprechen.

6½ [Uhr:] Parteiführer und Kabinett. Alle Parteiführer gegen neue Vorschläge. Nun bringt Fehrenbach wider alle Abrede nochmals die Frage des Rücktritts zur Sprache. Kempkes mit Heftigkeit dafür. Ähnlich Rießer. Spahn sagt, das müsse Kabinett selbst wissen. Schiffer, der im Laufe des Tages vorsichtiger geworden ist, erklärt, daß das Kabinett nicht mehr längere Dauer haben könne, sei sicher, aber der Zeitpunkt heute sei unangebracht. Hieber entschieden gegen jede Krise. Simons, durch die Volksparteiler verärgert, erklärt, er könne nicht mehr bleiben; ein neues Kabinett müsse zum Ultimatum Stellung nehmen. Er lasse sich nicht binden. Fehrenbach erklärt, er gehe mit Simons. Oberschlesien sei kein Grund, so etwas gebe es immer. Schluß. 10 Minuten Pause. Besprechung zwischen Geßler, Schiffer, Hieber, Simons, mir. Ich erkläre, Kabinett hätte nur bleiben können, wenn Führer der Koalitionsparteien es gewünscht hätten. Jetzt könnten auch wir nur für Demission eintreten. Parteiführer derselben Meinung. Nach Schluß der Pause beschließt Kabinett einstimmig Rücktritt5.

Fußnoten

1

In Oberschlesien war am 3. 5. ein erneuter poln. Aufstand ausgebrochen. Siehe dazu Schultheß 1921, I, S. 151 f. und 155 f.

2

Dieses Wort ist in der maschinenschriftl. Fassung der Tagebuchaufzeichnungen des RIM Koch handschriftl. nachgetragen worden.

Neben der maschinenschriftl. Fassung besteht jedoch noch eine handschriftl. Fassung der Tagebuchaufzeichnungen Kochs. In dieser handschriftl. Fassung findet sich das Wort „beiden“ nicht (Nachlaß Koch-Weser  28, Bl. 226). Wahrscheinlich handelt es sich bei der maschinenschriftl. Fassung um eine Bearbeitung der handschriftl. Fassung.

3

Zwischen den Kabinettssitzungen am Morgen und am Spätnachmittag des 4. 5. hat offenbar noch eine Fraktionssitzung der DDP stattgefunden. RIM Koch notierte dazu in seinen „Aufzeichnungen“: „Fraktion tobt über Schlappheit gegen Polen.“ (Nachlaß Koch-Weser  27, Bl. 483).

4

In der Kabinettssitzung am Nachmittag des 3. 5. war RAM Simons beauftragt worden, mit dem frz. Botschafter Laurent und dem brit. Botschafter D’Abernon oder seinem Vertreter Vorfühlung über neue dt. Reparationsvorschläge aufzunehmen. Siehe dazu Dok. Nr. 244.

5

WTB meldete am 4. 5., 22.20 Uhr: „Mit Rücksicht auf die durch die Antwortnote der Vereinigten Staaten geschaffene politische Lage hat das Kabinett heute einstimmig seinen Rücktritt beschlossen.

Der Reichskanzler hat sich am Abend zum Reichspräsidenten begeben, um ihm den Entschluß des Kabinetts mitzuteilen. Der Reichspräsident hat das Kabinett gebeten, die Geschäfte weiterzuführen. Das Kabinett hat zugestimmt.“ (Vorwärts Nr. 209 v. 5.5.1921).

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