1.195.1 (lut2p): [Demission des Kabinetts]

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Die Kabinette Luther I und II (1925/26), Band 2.Das Kabinett Luther I Bild 102-02064Reichspräsident Friedrich Ebert verstorben Bild 102-01129Hindenburgkopf Bild 146-1986-107-32AStresemann, Chamberlain, Briand Bild 183-R03618

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Text

RTF

[Demission des Kabinetts]

R[eichs]k[anzl]er2: Da Rücktritt des Kanzlers auch Rücktritt des Gesamtkabinetts …3 neulich4. Wenn auch förmliches Mißtrauensvotum nicht5, wenn auch Kommunisten sich die Begründung nicht zu eigen gemacht6, Gesamtbildung7 Rücktritt Reichskanzlers notwendig. Schreiben an RPräs., mich sofort aus dem Reichsdienst zu entlassen. Verliest Brief8.

Keine Wortmeldungen, daher stillschweigendes Zustimmen.

Stre[semann]: Fraktionsvorstand Volkspartei einstimmig [Beschluß?] gefaßt: nicht richtig Reichskanzler Geschäftsführung versagt. Ganz falsch verstanden.

Sti[ngl]: Gleichen Wunsch, noch kein Beschluß, aber absolut überzeugt, gleicher Wunsch besteht9. Dank für die großen Leistungen innenpolitisch und außenpolitisch. Weil die Kommunisten den Ausschlag gegeben und die Deutschnationalen Vorlage offenbar nicht verstanden10 haben, darf kein Grund sein.

Brauns: Verbindung mit Besprechung heute morgen11? Heute morgen andere Situation. Jetzt die Frage, ob jetzt noch notwendig. Um die Szene von heute morgen zu ersparen12. Nachdem die Sache jetzt den normalen Verlauf genommen hat, ist kein Grund mehr für alleinigen Rücktritt vorhanden.

[1368] R[eichs]k[anzl]er: Das geklärte Bild viel besser als vorheriger Rücktritt. Regierungsbildung nicht leicht und mein Verbleiben die Verständigung erschwert. Klarer und glatter Schnitt.

Sti[ngl]: Wiederholt seinen Standpunkt.

Kro[hne]: Mißtrauen ist nicht ausgesprochen. Wenn der Reichstag so formal ist, können wir es auch sein. Mit dem Degen durch die Tapeten stoßen gilt nicht.

Rei[nhold]: Solidarischen Weg bis zum Ende gehen sollen. Treten wir alle gemeinsam zurück, so auch Reichskanzler bleiben kann.

Cu[rtius]: Ebenso wie Kro[hne]. Notwendig verfassungsmäßiges Mißtrauensvotum, aber ich bin wohl in der Minderheit und füge mich. Um so mehr aber muß Kanzler bleiben.

Ma[rx]: Formal vielleicht kein Mißtrauensvotum angenommen, aber scharfe Rede Kochs. Fraktion13 stark der Wille hervortrat, da regelmäßigen Gang genommen, auch weiter so laufen. In erster Linie Reichspräsident und auch der Reichskanzler.

R[eichs]k[anzl]er: Wenn kurze Kabinettskrise wahrscheinlich, würde ich mich fügen. So aber nein.

Stre[semann]: Dem Volke Schaden. Die Darlegung vom Usus stellt Ungewisse auf14. Dringend bitten.

R[eichs]k[anzl]er: Gefühl der Kränkung spielt keine Rolle, wenngleich ich heute früh an Kränkung genug erfahren habe.

Brauns: Wiederholung vom Vorherigen. Jetzt ausdrücklich auch meinerseits Bitte, es nicht zu tun. Man sollte keinen Präzedenzfall schaffen.

Külz: Sehe keine Möglichkeit, Rücktritt zu vermeiden. Dänischer Handelsvertrag15. Kanzler, nicht der gerettete sachliche Grund anerkannt werden kann zum alleinigen Rücktritt.

Meissner: Ich kann mitteilen, daß der Herr Reichspräsident die Absicht hat, Fortführung. Auch nicht schriftlich.

Has[linde]: Die einmütige Bitte der Minister. Verhältnis würde brüchig erscheinen nach außen, nachdem wir uns doch mit Ihnen solidarisch [erklärt haben].

Schluß.

Fußnoten

2

Die Namen der Redner sind im Stenogramm langschriftlich (abgekürzt oder ausgeschrieben) verzeichnet.

3

Diese Punkte auch im Stenogramm.

4

Zur Demissionsfrage vgl. Dok. Nr. 361 u. 363.

5

Vgl. Anm. 17 zu Dok. Nr. 363.

6

Der Abg. Stoecker (KPD) hatte in der unmittelbar vorangegangenen RT-Sitzung erklärt, seine Fraktion werde, „obwohl sie die Motivierung ausdrücklich ablehnt“, für den Mißbilligungsantrag Koch-Weser stimmen, „um angesichts der angekündigten Stimmenthaltung der Deutschnationalen eine Stimmenmehrheit gegen den Reichskanzler Luther zu schaffen“ (RT-Bd. 390, S. 7218 ).

7

Der Stenogrammübersetzer merkt hierzu an, daß nach dem stenografischen Wortbild auch die Alternativlesart „Gesamtbilligung“ möglich sei. – Nicht auszuschließen ist andererseits, daß Luther im letzten Teil dieses Satzes etwa sagte: „… zur Regierungsbildung ist der Rücktritt des Reichskanzlers notwendig“. Vgl. die nächstfolgende Äußerung des RK.

8

In den Akten der Rkei nicht ermittelt.

9

Gemeint ist wohl: in der BVP-Fraktion.

10

Zur Haltung der DNVP in den Abstimmungen vgl. Dörr, Die Deutschnationale Volkspartei 1925 bis 1928, S. 227 ff.

11

S. Dok. Nr. 363.

12

Möglicher Sinn dieses Satzes: Ein alleiniger Rücktritt des RK wäre allenfalls vor den Abstimmungen über die Mißtrauensanträge erwägenswert gewesen, „um die Szene von heute morgen [d. h. die scharfe Rede Koch-Wesers (RT-Bd. 390, S. 7191  ff.) und die Abstimmungsniederlage] zu ersparen“.

13

D. h. wohl: in der Zentrums-Fraktion.

14

So im Stenogramm. Stresemann weist vermutlich (wie auch Brauns weiter unten) auf die schädlichen Folgen eines Präzedenzfalles hin. Er könnte formuliert haben: Das Abweichen vom „Usus“ (d. h. die Weigerung des zurückgetretenen Kanzlers, die Regierungsgeschäfte bis zur Bildung einer neuen RReg. fortzuführen) könnte für die Zukunft Ungewißheiten heraufbeschwören.

15

Es handelt sich um den GesEntw. über eine dt.-dän. Vereinbarung betr. Zollerleichterungen für dänische Erzeugnisse, der seit 29.4.26 dem RT vorliegt (RT-Drucks. Nr. 2240, Bd. 408 ). Der Entw. wird nach langwierigen Verhandlungen im Rechtsausschuß am 23.6.26 vom RT angenommen (RT-Bd. 390, S. 7750 ). S. auch RGBl. II, S. 371 .

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