1.40.2 (lut2p): 2. [Zeugenaussage des Gesandten z. D. Dr. Riezler]

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[809] 2. [Zeugenaussage des Gesandten z. D. Dr. Riezler]

Staatssekretär Dr. Kempner berichtete über einen vorliegenden Antrag des Münchener Schöffengerichts zur Genehmigung der Vernehmung des früher im Büro des Herrn Reichspräsidenten beschäftigt gewesenen Gesandten Dr. Riezler in dem schwebenden Dolchstoß-Prozeß5.

Das Reichskabinett beschloß einstimmig, diese Genehmigung zu versagen, indem es von der Überzeugung ausging, daß solche Genehmigungen zu Vernehmungen von Beamten, die durch ihre Stellung intime Kenntnis von hohen politischen Dingen erhalten, nur in ganz besonderen Ausnahmefällen erteilt werden sollen, da andererseits beim Vorliegen der Gefahr, daß solche Dinge durch spätere Zeugenaussagen in der Öffentlichkeit bekanntwerden möchten, ein glatter Geschäftsgang der Reichsregierung gerade in den politisch wichtigsten Dingen überaus erschwert werden würde. Das Kabinett legte einstimmig Wert darauf, daß diese seine grundsätzliche Auffassung in den Akten der Reichskanzlei ihren Niederschlag finden möchte und daß die Anerkennung von Ausnahmen von diesem Grundsatz nicht schon dann ausgesprochen werden dürfe, wenn die betreffende Persönlichkeit etwa Wert darauf lege, als Zeuge vernommen zu werden.

Fußnoten

5

Der Antrag des Münchener Schöffengerichts in den Akten der Rkei nicht ermittelt. – In einem eigenhändigen Schreiben vom 24. 10. an den StSRkei hatte Riezler mitgeteilt: „Ich hätte auszusagen über die alldeutschen Umtriebe der ersten Kriegsjahre (Ubootpropaganda, Kriegszielfrage etc.), mit deren Erscheinungen und Hintergründen ich während des Krieges als Vortragender Rat in der Reichskanzlei befaßt war. Meine Aussage hätte eine Entbindung von der Schweigepflicht zur Voraussetzung.“ Riezler bringt sodann starke prinzipielle Bedenken gegen seine Einvernahme zum Ausdruck und betont abschließend: „Schließlich ist die Feststellung der historischen Wahrheit nicht Sache eines Schöffengerichts.“ (R 43 I /1230 , Bl. 116 f.).

Der „Dolchstoß-Prozeß“ – ein Beleidigungsprozeß, den der Herausgeber der „Süddeutschen Monatshefte“, Professor Cossmann, gegen den Schriftleiter der „Münchener Post“, Martin Gruber, angestrengt hatte, – wurde vom 19. 10. bis 20.11.25 vor dem Münchener Amtsgericht verhandelt. Veranlassung war eine Sonderausgabe der „Süddeutschen Monatshefte“, betitelt „Der Dolchstoß und die Auswirkungen des Dolchstoßes“, deren Inhalt von Gruber als Geschichtsfälschung bezeichnet worden war. Zu den Hauptverhandlungen wurden zahlreiche prominente Militärs (u. a. General Groener, Oberst Nicolai, die Admirale v. Trotha und v. Levetzow) und Politiker (u. a. Wels, Scheidemann, Landsberg, Müller-Franken, Noske) als Zeugen geladen. Der Prozeß findet am 9.12.25 mit der Verurteilung Grubers wegen formaler Beleidigung zu 3000 RM Geldstrafe seinen Abschluß. Das Gericht sieht als erwiesen an, daß von linksradikaler Seite „bewußt und absichtlich auf die Zertrümmerung der deutschen Wehrmacht gerichtete Handlungen“ hinter der Front verübt wurden (Bericht der Vertretung der RReg. München vom 10.12.25 in R 43 I /2239 , Bl. 220-222). Weiteres Material, insbes. über Versuche der RReg., den Prozeß zu verhindern, in R 43 I /809  und 1230. S. auch: Der Dolschstoßprozeß. Zeugen- und Sachverständigenaussagen.

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