1.61.2 (lut2p): 2. [Friedenspreis der Wilson-Foundation]

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Die Kabinette Luther I und II (1925/26), Band 2.Das Kabinett Luther I Bild 102-02064Reichspräsident Friedrich Ebert verstorben Bild 102-01129Hindenburgkopf Bild 146-1986-107-32AStresemann, Chamberlain, Briand Bild 183-R03618

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[896] 2. [Friedenspreis der Wilson-Foundation]

Reichsaußenminister Stresemann: Er müsse dem Kabinett eine Mitteilung machen, die eine gewisse politische Bedeutung habe. Er habe vor einigen Tagen ein Telegramm des Botschafters Freiherrn von Maltzan in Washington erhalten, nach welchem die Wilson-Foundation in diesem Jahre einen Friedenspreis verteilen wolle, und zwar an Chamberlain, Briand und ihn, Minister Stresemann. Es handele sich um denselben Preis, den die Wilson-Foundation in einem früheren Jahre schon einmal an Lord Robert Cecil verliehen habe. Die Gesellschaft beabsichtige, die Verleihung bereits in zehn Tagen zu verkünden und habe um sein Einverständnis gebeten, aber ferner ersucht, daß er sich mit den anderen Preisträgern nicht in Verbindung setze. Nach der ihm gewordenen Mitteilung würde auf jeden der drei Herren die Summe von etwa 15 000 Dollar fallen, die bei einer besonderen Feier in New York am 28. Dezember, dem Geburtstag Wilsons, ausgehändigt werden solle. Der Botschafter von Maltzan habe die Wilson-Foundation auf die möglichen innenpolitischen Schwierigkeiten hingewiesen und sein, Stresemanns, Hinkommen nach New York sofort für unmöglich erklärt. Maltzan habe ihn nun in wiederholten Telegrammen dringend ersucht, nicht negativ zu antworten, da dies in Amerika sehr schlecht wirken würde, um so mehr, wenn Chamberlain und Briand die Sache annähmen. Er, Minister Stresemann, habe zunächst durch Rückfrage festgestellt, daß in der Gesellschaft Republikaner wie Demokraten vertreten seien. Im ganzen handele es sich nur um eine politische, nicht etwa um eine persönliche Frage, da, wenn das Kabinett zu der Überzeugung komme, daß man die Sache nicht ablehnen könne, der gesamte Betrag selbstverständlich für Kriegsblinde oder das Rote Kreuz oder einen ähnlichen Zweck überwiesen werden würde. Eine derartige Erklärung müßte selbstverständlich gleichzeitig mit der Annahmeerklärung abgegeben werden. Seines Erachtens sprächen gewichtige Gründe sowohl für Annahme wie für Ablehnung. Der Name Wilson sei überall in Deutschland noch heute verhaßt. Für ihn persönlich wäre die Annahme deshalb besonders schwer, weil wohl niemand in Wort und Schrift seinerzeit so häufig gegen Wilson aufgetreten wäre wie gerade er persönlich. Auf der anderen Seite müsse man im Gedächtnis behalten, welche unbequemen politischen Folgen die Flaggenaffäre bei Wilsons Tod gehabt hätte6.

Reichswehrminister Dr. Geßler: Selbstverständlich handele es sich bei der ganzen Sache um eine politische und keine persönliche Entscheidung. Gefühlsmäßig müsse er sagen, daß eine Annahme völlig unmöglich sei. Bei Briand und Chamberlain lägen natürlich die Dinge ganz anders als bei uns in Deutschland, wo der Name Wilson unerträglich wirke. Seines Erachtens müsse man eine Formel für eine generell gehaltene Ablehnung finden.

[897] Reichsarbeitsminister Dr. Brauns: Auch viele Amerikaner seien die Feinde Wilsons wegen seines Verhaltens, nachdem er die 14 Punkte aufgestellt hatte. Sie sehen aber in ihm großenteils doch den Mann, der die Wege zum Frieden eröffnet habe. Mit Minister Geßler sei er der Ansicht, daß eine einfache Ablehnung unmöglich sei. Die Divergenz sei gegenüber Chamberlain und Briand, wenn diese annähmen, zu stark. Seines Erachtens könne nicht der geringste politische Vorwurf erhoben werden, wenn Stresemann erkläre, wie er es ja für den Fall der Annahme selbstverständlich beabsichtige, daß er den Betrag für einen wohltätigen Zweck überweise. Ein Hinfahren nach Amerika, um bei der Annahmefeierlichkeit mitzuwirken, halte er allerdings für unmöglich.

Reichspostminister Dr. Stingl: Unter welchen Formen man den Preis auch annehme, es würden auf jeden Fall politische Nachteile für Minister Stresemann daraus entstehen, die man vermeiden müsse.

Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft Graf Kanitz: Ihm scheine die Ablehnung schwierig, da die Amerikaner in starkem Maße Gefühlsmenschen seien. Vielleicht sei es möglich, in dieser Angelegenheit mit dem Botschaftsrat Caffery über die Dinge zu sprechen.

Nach weiterer Erörterung, in der die Ansichten immer mehr zu einer Ablehnung hinneigten, wurde Staatssekretär Kempner beauftragt, mit dem Staatssekretär von Schubert darüber zu sprechen, in welcher Form man einer Ablehnung nähertreten könne7.

Fußnoten

6

Bei Wilsons Tod (3.2.24) kam es in den Vereinigten Staaten zu einer heftigen antideutschen Pressepolemik, als die dt. Botschaft ihre Flagge erst mit Beginn der offiziellen Nationaltrauer (6.2.24) und nicht, wie allgemein erwartet, bereits am Todestage auf Halbmast setzte. Dieses Verhalten der Botschaft wurde vom State Department später als durchaus korrekt bezeichnet (vgl. Schultheß 1924, S. 359).

7

Über die weitere Behandlung dieser Angelegenheit keinerlei Unterlagen in den Akten der Rkei. Dagegen findet sich im Nachlaß Stresemann  die Abschrift eines Schreibens des RAM an RbkPräs. Schacht vom 7.12.25, worin Stresemann erklärt: Es wäre ihm angenehm, wenn die Angelegenheit des Friedenspreises so erledigt würde, „daß ich in die Sache nicht mehr hineingezogen werde. Ich habe auch mit Herrn Chamberlain in London über die ganze Angelegenheit gesprochen und er hat mir mitgeteilt, daß auch er es ablehnen würde, nach Amerika zu gehen und sich den Preis dort aushändigen zu lassen. Am besten scheint es mir, wenn im jetzigen Stadium der Dinge überhaupt von der gesamten Verteilung des Preises Abstand genommen würde.“ (Nachlaß Stresemann , Bd. 274).

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