1.124.1 (ma12p): 1. Politische Lage.

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 2). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Die Kabinette Marx I und II, Band 2 Wilhelm Marx Bild 146-1973-011-02Reichskanzler Marx vor seinem Wahllokal Bild 102-00392Hochverratsprozeß gegen die Teilnehmer am PutschDawes und Young Bild 102-00258

Extras:

 

Text

RTF

1. Politische Lage.

Der Reichskanzler Es scheine ihm unmöglich, daß von den Deutschnationalen[1126] zwei Neinsager ins Kabinett kämen1. Schwer erträglich sei auch ein Ausscheiden des Grafen Kanitz. Die äußerste Möglichkeit für ihn sei, wie schon mehrfach ausgeführt, daß der Reichswehrminister im Kabinett mit seinem Mandat bliebe und daß nur 3 Deutschnationale ins Kabinett eintreten.

Der Reichsarbeitsminister Er habe kaum einen Zweifel, daß die Kabinettsbildung nicht zustande kommen würde; dann bliebe nur Auflösung.

Der Reichsminister des Auswärtigen Die Auflösung müsse jetzt zweifellos ins Auge gefaßt werden. Richtig wäre vielleicht, so vorzugehen, daß die Auflösungsordre dem Kanzler als Waffe vom Präsidenten gegeben würde und er damit die Deutschnationalen vor eine endgültige Entscheidung stelle. Der Kanzler müsse ihnen dann sagen, daß Graf Kanitz im Kabinett bleibe und sie nur drei Posten bekommen könnten. Auf diese Mitteilungen müßte dann die Deutschnationale Partei bis zu einer befristeten Stunde Stellung nehmen. In gleicher Weise würde er den Demokraten befristet mitteilen, daß die Kabinettsbildung nur stattfinden könne, wenn Minister Geßler im Kabinett bliebe, sonst müsse aufgelöst werden.

Der Reichskanzler Der Präsident würde die Auflösungsordre nicht bedingt geben. Wenn man also nach dem Plan Stresemanns vorgehen wolle, müßte er erklären, daß er bei Ablehnung seiner Vorschläge dem Präsidenten die Auflösung vorschlagen würde.

Der Reichsminister der Finanzen Die Auflösung würde eine viel schlimmere Situation schaffen. Er empfehle daher, den von Minister Stresemann vorgeschlagenen Weg zu gehen. Statt der Auflösung aber würde er dabei die Demission vorziehen. Diese würde den Reichstag vor eine neue Lage stellen. Natürlich müsse der Reichspräsident dann den Reichskanzler Marx neu mit der Bildung beauftragen. Erst wenn auch dies scheitere, müßte man die Auflösung ins Auge fassen.

Der Reichskanzler Die Demission habe er auch bereits erwogen. Das käme aber seines Erachtens nur so in Frage, daß ein anderer Mann mit der Neubildung beauftragt würde.

Der Reichsminister der Finanzen hält dies der Wirkung im Auslande wegen für nicht möglich. Zur Auflösung läge kein ausreichender Grund vor.

Der Reichskanzler Der Grund der Auflösung würde sein, daß eine ordnungsmäßige Regierungsbildung nicht möglich sei.

Der Reichsarbeitsminister empfiehlt, den von Minister Stresemann vorgeschlagenen Weg zu verfolgen.

Der Reichswirtschaftsminister ist der Ansicht, daß Graf Kanitz umsomehr bleiben müsse, als schon das Wirtschaftsministerium an die Deutschnationalen fallen würde. Auch er empfehle den von Minister Stresemann vorgeschlagenen Weg.

Es wird beschlossen, daß der Kanzler an die Demokratische und die Deutschnationale Fraktion ein Schreiben richten soll, in dem das Verbleiben[1127] des Ministers Geßler gefordert bzw. mitgeteilt werden soll, daß Graf Kanitz im Kabinett bleiben müsse und für die Deutschnationalen nur 3 Sitze gewährt werden könnten. Die Antwort auf beide Briefe soll auf den 20. Oktober, 5 Uhr nachmittags festgelegt werden2.

Fußnoten

1

Offenbar gehörten zwei der vier von der DNVP benannten Ministerkandidaten zu jenen deutschnationalen Abgeordneten, die in der Schlußabstimmung des RT über die Dawes-Gesetze am 29. 8. gegen das RB-Gesetz gestimmt hatten.

2

Die Briefe des RK an die RT-Fraktionen der DDP und der DNVP konnten in den Akten der Rkei nicht ermittelt werden. Die DAZ Nr. 495 vom 20. 10. meldet: Die demokratische Fraktion habe ein Schreiben des RK erhalten, in dem er die Demokraten dringend bitte, RWeM Geßler als Fraktionsmitglied auch in einem nach rechts erweiterten Kabinett zu belassen. Die Deutschnationalen habe der RK in einem Schreiben gebeten, sich bei einem etwaigen Eintritt in das Kabinett mit drei Ministersitzen zu begnügen, da er Wert darauf lege, den bisherigen REM Graf Kanitz im Kabinett zu behalten.

Zur Beantwortung dieser Schreiben durch DDP und DNVP s. Dok. Nr. 338, Anm. 1.

Extras (Fußzeile):