2.11.5 (sch1p): 5. [Westdeutscher Separatismus]

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5. [Westdeutscher Separatismus]

Reichsminister Dr. Bell bringt im Anschluß an Veröffentlichungen in der Kölnischen Volkszeitung die Bewegung auf Begründung einer westdeutschen Republik zur Sprache7. Es besteht Übereinstimmung, daß der Lostrennungsbewegung mit allem Nachdruck entgegenzutreten sei; insbesondere werden folgende Maßregeln beschlossen:

a)

Aufklärung der Presse darüber, daß die Bewegung sehr wesentlich auf französischer Propaganda beruht. Die Leitung der Gegenpropaganda übernimmt der in der Sitzung anwesende Pressechef Rauscher des Ministerpräsidenten.

b)

Die Frage der Belieferung des von unseren Gegnern besetzten Gebiets mit Nahrungsmitteln wird von dem Herrn Reichsminister des Ernährungsamts geprüft und nach Möglichkeit gefördert werden8.

c)

Die Reichsregierung wird der öffentlichen Meinung eine Direktive durch ein [38] amtliches Manifest geben, das mit den Abgeordneten der in Betracht kommenden links- und rechtsrheinischen Gebiete besprochen werden soll. Diese Erklärung der Regierung wird noch morgen in der Nationalversammlung von dem Herrn Ministerpräsidenten abgegeben werden. Sie soll gleichzeitig den Ausgangspunkt für eine Gegenpropaganda durch die Abgeordneten der betreffenden Gebiete gegenüber den feindlichen Machenschaften bilden9.

d)

Eine Parallelaktion soll mit der preußischen verfassungsgebenden Versammlung vereinbart werden10.

Fußnoten

7

In großer Aufmachung berichtete die Morgenausgabe der Kölnischen Volkszeitung vom 11.3.1919, Nr. 196, am 10.3.1919 habe in Köln „eine gut besuchte Versammlung von Freunden der Errichtung eines im Rahmen des Dt. Reiches zu bildenden Westdeutschen Freistaats der Länder am Rhein und der angrenzenden Gebiete“ stattgefunden. Im Verlauf der Versammlung wurde eine Erklärung formuliert, die auf das Selbstbestimmungsrecht der Rheinländer verwies und die Errichtung einer Westdeutschen Republik unter Einbeziehung des Rheinlands, Nassaus und Rheinhessens sowie der Rheinpfalz, Westfalens und Oldenburgs durch Volksabstimmung fordere. Allerdings solle der Rheinstaat „unter allen Umständen untrennbar im Verbande des Deutschen Reiches verbleiben“.

8

Das Ernährungsproblem in den besetzten rheinischen Gebieten spielte eine erhebliche Rolle in der separatistischen Agitation. Bereits am 5.2.1919 berichtete der für die Berichterstattung über die Auslandspresse zuständige Referent der Wako in Spa, Wirkl.LegR Trautmann, an die Nachrichtenabteilung des AA: „[…] In der Ernährungssache besteht ein tiefes Mißtrauen gegen die Berliner Behörden, und man glaubt, daß böser Wille des Kriegsernährungsamts vorliegt, das sich darauf verläßt, die Besatzungsarmee werde schon die linksrheinischen Lande versorgen. Was es für einen Eindruck auf die Bevölkerung machen muß, wenn in den belg. Zeitungen zu lesen ist, daß sich Clemenceau am 1. Februar mit dem Ernährungsproblem der besetzten Gebiete beschäftigt hat, und wenn die dt. Zeitungen und Behörden sich gar nicht mit den Nöten der Rheinlande zu beschäftigen scheinen, braucht nicht ausgeführt zu werden […]. So steht man vor der absoluten Ratlosigkeit und fühlt sich vom Reiche verlassen. Diese Stimmung wird von den Franzosen ausgenutzt […]“ (R 43 I /1837 , S. 7 f.). Zwar legte das Brüsseler Abkommen vom 14.3.1919, Anlage IV, Ziffer 5, fest, daß die annähernd gleiche Lebensmittelbelieferung der besetzten und der unbesetzten Reichsgebiete sicherzustellen sei (Waffenstillstand, II, S. 196), aber der Wochenbericht des REM für die Zeit vom 2. 5. bis 8.5.1919 wies darauf hin, daß die Ernährungsfrage in den linksrheinischen Gebieten weiterhin von den Besatzungsmächten für politische Zwecke ausgenutzt wurde: „Nach hier eingegangenen Mitteilungen haben indessen die Kommandos der Besatzungsgruppen die Verteilung der Auslandslebensmittel in den besetzten Gebieten vielfach nach eigenem Ermessen festgesetzt, wobei sie einerseits weit höhere Mengen, andererseits wesentlich geringere Preise für die Verteilung bestimmt haben.“ (R 43 I /1271 , Bl. 13-18, hier: Bl. 13).

9

Am Donnerstag, dem 13.3.1919, gab Scheidemann in der NatVers im Anschluß an die Tagesordnung der 27. Sitzung eine Regierungserklärung ab, nach der die rheinische Frage nur in fester Reichseinheit gelöst werden könne; eine endgültige Lösung könne erst nach Friedensschluß und auf verfassungsmäßigem Wege erfolgen. Daran schloß eine Abstimmung über eine von allen Fraktionen der NatVers eingebrachte Entschließung an, nach der die NatVers sich hinter die Regierungserklärung stelle. Die Abstimmung ergab die einstimmige Annahme der Entschließung (NatVers Bd. 327, S. 776 ).

10

Die pr. Landesversammlung beschloß am 24.3.1919 bei Stimmenthaltung des Zentrums: „Die Landesversammlung erklärt sich mit Entschiedenheit gegen alle Bestrebungen einzelner Gebietsteile, sich von Preußen loszutrennen, insbesondere gegen die Errichtung einer westdeutschen Republik. Sie vertraut darauf, daß die Staatsreg. diesen Bestrebungen mit der größten Tatkraft entgegentritt und sich für die Erhaltung eines ungeteilten Preußen einsetzt.“ (Vorwärts, Nr. 151, 23.3.1919; Nr. 154, 25.3.1919).

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