Text
[Zusammenlegung des Reichs- und Staatskommissariats2]
Von preußischer Seite wurde vorgeschlagen, den Reichskommissar abzuschaffen und eine Abgrenzung der Nachrichtenstelle im Reichsministerium des Innern vorzunehmen, indem der Auffassung Ausdruck gegeben wurde, daß ein Zusammenarbeiten der beiden Kommissare mißlingen würde. Auch der preußische Staatskommissar solle keine Dauererscheinung bleiben, sondern aufgehoben werden, sobald die innerpolitischen Verhältnisse sich weiter beruhigt hätten. Reichsseitig wurde der Aufhebung des Reichskommissariats widersprochen und gebeten, daß a) der preußische Staatskommissar in seiner Tätigkeit auf Preußen beschränkt bleibe, b) sich auch, soweit die auswärtige Politik in Frage komme, der zuständigen Reichsstelle bediene3 und c) eine Vereinbarung[496] dahin getroffen würde, daß direkte Anfragen bei den preußischen nachgeordneten Behörden seitens des Reichskommissars preußischerseits gestattet würden. Hiergegen wurden von preußischer Seite Bedenken erhoben und auf die Schwierigkeiten hingewiesen, wann diejenigen Ausnahmefälle vorlägen, in denen man vielleicht unter Umständen eine direkte Auskunft bei den nachgeordneten Behörden dem Reichskommissar zugestehen könnte.
Der Preußische Ministerpräsident äußerte hinsichtlich der Zusammenlegung des Reichs- und Staatskommissariats in einer Person Bedenken, weil der Betreffende in den anderen Ländern nicht genügende Aktionsmöglichkeit haben würde und außerdem zwei Herren unterstehen würde; er bat daher, diesen Gedanken auszuscheiden.
Es wurde nach weiterer Erörterung beschlossen, daß die Herren Reichsminister des Innern und Preußischer Minister des Innern versuchen sollten, sich untereinander über die Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung der beiden Kommissare zu verständigen.
Fußnoten
- 2
Schon mit einem Schreiben vom 16.9.21 an den RK hatte der PrMdI versucht, auf eine Zusammenlegung hinzuwirken; als Anlaß hierzu benutzte er die Tatsache, daß der RK in der Sitzung des Überwachungsausschusses am 15.9.21 die Mitteilungen des StKom. über die Ermittlungen zur Aufdeckung des Mordes an Erzberger verlesen hatte, ohne die pr. Regierung vorher zu informieren. Preußen befürchtete eine Verstimmung Bayerns aufgrund der Ermittlungen Weismanns in Bayern. Um solche Vorfälle künftig zu vermeiden, setzte sich der PrMdI für eine Zusammenlegung der Kommissariate ein (R 43 I/2305, Bl. 121). Einer Notiz Brechts vom 10.11.21 zufolge sollte die Angelegenheit ruhen bis zur Klärung der Personenfrage (R 43 I/2305, Bl. 123).
- 3
Mit Schreiben vom 12.8.21 an StS Hemmer hatte Weismann gefordert: „Im Interesse der öffentlichen Ordnung und zwar zur Unterbindung der in Zukunft noch zu erwartenden kommunistischen Aufstände erscheint es durchaus notwendig, regelmäßig Einblick in die Zifferntelegramme (Radio- und Kabeltelegramme), die zwischen der Berliner Sowjetvertretung und Moskau gewechselt werden, zu erhalten. Hätte seinerzeit bereits die Möglichkeit bestanden, Einblick in diese Zifferntelegramme zu bekommen, wäre man auf den mitteldeutschen Aufstand im März d. Js. besser vorbereitet gewesen. Das Auswärtige Amt erhält ebenfalls regelmäßig die obenerwähnten Zifferntelegramme. Durch Rücksprache mit Herrn Staatssekretär Bredow wurde festgestellt, daß wegen des bestehenden Telegrammgeheimnisses das Reichspostamt nicht ohne weiteres in der Lage sei, dem Staatskommissar diese Zifferntelegramme zur Verfügung zu stellen. Die gleiche Angelegenheit sei seinerzeit gelegentlich der Anforderung des Auswärtigen Amtes in dem Reichskabinett zur Sprache gebracht worden, wo nach längeren Beratungen schließlich der damalige Reichskanzler Bauer sich entschieden habe, die Erlaubnis der Verständigung der Telegramme auf seine eigene Verantwortung zu geben. Herr Staatssekretär Bredow meinte, daß es keine Schwierigkeiten machen würde, in gleicher Weise jetzt bei dem Reichskanzler Wirth vorstellig zu werden. Herr Staatssekretär Bredow erkennt vollkommen die Notwendigkeit im staatlichen Interesse an, regelmäßigen Einblick in die Zifferntelegramme zu bekommen. Würde ihm eine Anordnung des Reichskanzlers vorgelegt werden, würde er sofort das weitere veranlassen. Es würden hier bereits alle Vorbereitungen getroffen, um eine regelmäßige Dechifferierung aller Telegramme durch das Staatskommissariat durchzuführen.“ (R 43 I/2305, Bl. 118). Eine aktenkundige Entscheidung des RK nicht ermittelt.