2.238 (feh1p): Nr. 238 Tagebuchaufzeichnung des Reichsinnenministers Koch über die Kabinettssitzung vom 23. April 1921, 12 Uhr

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[651] Nr. 238
Tagebuchaufzeichnung des Reichsinnenministers Koch über die Kabinettssitzung vom 23. April 1921, 12 Uhr1

Nachlaß Koch-Weser 27, Bl. 459

[Betrifft: Vermittlung der USA; Frage einer Reichstagssitzung]2

Um 12 Uhr Kabinett. Sozis haben angekündigt, daß sie auf Sitzung heute 3 Uhr nur verzichten, wenn abends oder morgen früh Sitzung3. Fehrenbach will entgegenkommen. Ich widerspreche entschieden. Das Kabinett darf sich nicht zu Erklärungen drängen lassen, die es zur Zeit nicht verantworten kann. Dann mag man es stürzen. Aber eine Sitzung wider Willen der Regierung halten, dort ohne sie reden und sie dann stürzen, wer könnte das verantworten? Das Kabinett stimmt zu. Fehrenbach gibt mir den ehrenvollen Auftrag, diese Ansicht um 1 Uhr im Ältestenausschuß zu vertreten4.

Fußnoten

1

Während der Zeit vom 23.4.1921 bis zum Rücktritt des Kabinetts haben eine ganze Reihe von Kabinettssitzungen stattgefunden, die nicht protokolliert worden sind. Als Ersatzüberlieferung wurden in einigen dieser Fälle die Notizen abgedruckt, die RIM Koch im Rahmen seiner „Aufzeichnungen“ über diese Kabinettssitzungen gemacht hat (Nachlaß Koch-Weser  27).

2

Dieser Kabinettssitzung waren folgende Ereignisse vorausgegangen: Nachdem der Versuch des Vatikans, zwischen Dtld. und den USA eine Verbindung herzustellen, durch eine Indiskretion gescheitert war (s. Dok. Nr. 220), hatte sich die RReg. auf Vorschlag des RAM entschlossen, offen die USA um die Mitwirkung bei der Lösung der Reparationsfrage zu ersuchen (RAM Simons vor dem RT am 26.4.1921, RT-Bd. 349, S. 3418 ).

Am 20. 4. hatte daher die RReg. den amerik. Präs. in einer Note um die Übernahme des Schiedsrichteramtes in der Reparationsfrage gebeten. Zum Text dieser Note s. Schultheß 1921, II, S. 297. Bereits am 21. 4. ließ die amerik. Regierung durch ihren Vertreter in Berlin die Antwort überreichen, in der sie die Übernahme des Schiedsrichteramtes ablehnte; sie gab jedoch zu verstehen, daß sie bei der Vorlage neuer dt. Reparationsvorschläge diese an die Alliierten weiterreichen wolle. Zum Text der amerik. Note vom 21.4.1921 s. Papers relating to the Foreign Relations of the United States 1921, Vol. II, p. 44 –45; s. auch RT-Bd. 349, S. 3378  und Schultheß 1921, I, S. 121–122.

3

RAM Simons hatte die Antwort der amerik. Regierung am Nachmittag des 22. 4. im RT bekanntgegeben. Anschließend hatte er erklärt, daß das Kabinett sich noch am gleichen Tage mit dieser Frage beschäftigen werde und daß daher die RReg. erst am folgenden Tage in der Lage sei, über die Gesamtheit ihrer Politik in der Reparationsfrage Auskunft zu geben. Der RT-Präs. hatte daraufhin die nächste Sitzung des RT auf den 23. 4., 15 Uhr, angesetzt (RT-Bd. 349, S. 3378 ).

Zwar hatten am Nachmittag des 22. 4. eine Kabinettssitzung und am Abend des gleichen Tages eine Besprechung mit den Parteiführern stattgefunden, doch waren zu diesem Zeitpunkt offenbar noch keine konkreten Ergebnisse in den Beratungen erzielt worden (R 43 I /1346 , Bl. 51; offizielle Protokolle sind von diesen Sitzungen nicht angefertigt worden).

4

RIM Koch berichtet über diese Sitzung des Ältestenausschusses: „Im Ältestenausschuß. Wütender Ansturm. ‚Die Regierung macht alles allein‘, und, was noch schlimmer ist, ‚die Regierung ändert ihre Dispositionen dem Reichstag gegenüber‘. Ich habe gesagt, daß der Außenminister und die Regierung nicht nach einem Stundenplan arbeiten könne und daß höchstens zu bedauern sei, daß Simons gestern vormittag im Seniorenkonvent unmittelbar nach Notenempfang zu einer Programmfestsetzung gezwungen sei. Es gehe nicht so weiter, daß in solcher Zeit die Hauptarbeit in einer Beschwichtigung des Parlaments bestehe. Da die Sozis, anders als die U-Sozis und die Kommunisten, nicht eine Beratung über die Note vor dem Abgang im Plenum wünschten, müßten sie sich der Tatsache beugen, daß die Note heute noch nicht fertiggestellt sei. Schlußergebnis: Alle bürgerlichen Parteien strecken sich, die Sozis schwanken, wegen der Linksten muß aber die Sitzung eröffnet und die Geschäftsordnungsdebatte ertragen werden.“ (Nachlaß Koch-Weser  27, Bl. 459–461).

Zu der RT-Sitzung am Nachmittag des 23. 4. s. RT-Bd. 349, S. 3379  ff. Siehe dazu weiter Dok. Nr. 239.

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