1.140.1 (wir2p): Reparation.

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Die Kabinette Wirth I und II (1921/22). Band 2Bild 146III-105Bild 183-L40010Plak 002-009-026Plak 002-006-067

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Reparation.

Der Reichskanzler dankt dem Präsidenten Havenstein für seine erfolgreichen Bemühungen in London, wie für die Unterstützung, welche Exzellenz Havenstein während seiner (des Kanzlers) politischen Tätigkeit der Reichsregierung im Interesse des Vaterlandes stets hätte zuteil werden lassen1.

[1099] Präsident Havenstein: Wie jetzt bekannt sei, seien die in Berlin geführten Verhandlungen mit Belgien gescheitert, weil Frankreich, um die Verhandlungen zu zerschlagen, der Prolongation der Schatzwechsel widersprochen hätte. Sein Grundsatz sei nach wie vor der, daß der Goldschatz der Reichsbank unantastbar bleiben müsse. Er habe jetzt wieder in London feststellen können, daß der Kredit des Reichs gleich Null sei, und der der Reichsbank nur so weit reiche wie ihr Gold.

Die Reichsbank sei nunmehr bereit, ihre Unterschrift unter die Schatzwechsel mit sechsmonatiger Laufzeit zu setzen. Über die Einzelheiten der Londoner Verhandlungen könne er keine Mitteilungen machen. Er habe dort eine Unsicherheit in der politischen Stellungnahme angetroffen, die auf die Ereignisse in Kleinasien zurückzuführen sei. Die Bank von England lege entscheidendes Gewicht darauf, daß ihre Hilfe in keiner Weise betont werde oder auch in die Erscheinung trete. Er hätte mit den Engländern strengstes Stillschweigen über ihre Abmachungen vereinbart. Es handele sich um eine banktechnische Transaktion, die Geschäftsgeheimnis sei. Dieser Umstand sei seines Erachtens für die Reichsregierung nur günstig.

Die Reichsbank müsse für die Leistung ihrer Unterschrift die Bedingung stellen, daß alle Reichsressorts ihr hülfen, die Unterschrift zu erfüllen. Denn sie könne ihre Unterschrift nur dann geben, wenn sie gegen eine Inanspruchnahme ihres Goldes gesichert sei.

Hierauf verliest Exzellenz Havenstein die vom Reichsbankdirektorium aufgestellten Vorbedingungen.

Nach eingehender Erörterung werden in allseitigem Einverständnis die Bedingungen so formuliert, wie aus der Anlage ersichtlich2.

[1100] Der Reichskanzler stellt fest, daß das Kabinett mit der Girierung der Schatzwechsel durch die Reichsbank und mit den aufgestellten Bedingungen der Reichsbank einverstanden ist.

Der Gesandte Landsberg müsse der Regierung in Brüssel sofort Mitteilung machen.

Präsident Havenstein schlägt die folgende Formulierung dieser Mitteilung vor:

„Die Reichsbank ist nunmehr bereit, die sechsmonatigen Schatzwechsel über zusammen 270 Millionen Mark, fällig vom 15. Februar bis 15. Juni 1923, unter Verzicht auf deren Prolongation mit ihrer Wechselunterschrift zu versehen“.

Minister Dr. Hermes stellt zur Diskussion, ob dieser Erklärung noch hinzugefügt werden solle, daß die Reichsregierung nunmehr die Zustimmung seitens Belgiens erwarte, da die Prolongation das einzige Hindernis der Vereinbarung gewesen sei. Vielleicht könne man auch sagen, daß damit die Forderung des 100-Millionen-Depots erledigt sei.

Der Reichskanzler hat keine Bedenken gegen den Zusatz, betreffend die Prolongation. Den Gedanken des Depots würde man besser überhaupt nicht mehr erwähnen. Dem hiesigen belgischen Gesandten könne mitgeteilt werden, daß die Antwort an die Belgische Regierung heute übermittelt werde.

Zur Presseveröffentlichung wird beschlossen, daß eine kurze Erklärung veröffentlicht werden solle, dahingehend, daß die Reichsbank sich nunmehr entschlossen habe, ihre Wechselunterschrift unter die sechsmonatigen Schatzwechsel zu setzen, und daß die Belgische Regierung entsprechend verständigt sei3.

[1101] Der Reichskanzler betont besonders, daß kein Ressort in dieser Frage irgend etwas an die Presse geben dürfte.

Die Entscheidung über die Handhabung der nächsten Ausgleichszahlungen wird vorläufig vertagt.

Fußnoten

1

Nach der Note der Repko vom 31.8.1922 sollten die am 15. 8., 15. 9., 15. 10., 15. 11. und 15.12.22 fälligen Raten in Schatzbonds mit sechsmonatiger Laufzeit an Belgien gezahlt werden, Deutschland und Belgien sollten sich über die Sicherheiten einigen (siehe Dok. Nr. 364 Anm. 4). Direkte Verhandlungen waren zunächst an der Frage der Prolongation der von der Rbk zu garantierenden Wechsel gescheitert (vgl. Dok. Nr. 371 Anm. 2); neue dt. Versuche – etwa eine Garantie der Schatzwechsel durch die Industrie zu erlangen (Chefbesprechung vom 7.9.22 über ein Gespräch mit Stinnes in R 43 I /30 , Bl. 400 f.) oder aber unter den Bedingungen der Rbk eine Garantie für die Wechsel mit 6-monatiger Lauffrist zu erlangen (siehe Chefbesprechungen vom 6. 9. und 8.9.22, R 43 I /30 , Bl. 402-404, 408 f.) – waren nicht zur Verhandlungsreife gelangt, als die belg. Reg. am 13.9.22 verlangte: „Nach den Bestimmungen der Entscheidung des Wiederherstellungsausschusses vom 31. 8. sollte die deutsche Regierung zur Abdeckung der Fälligkeiten vom 15. August und 15. September 1922 der belgischen Regierung deutsche Schatzbonds aushändigen, die durch zwischen den beiden Regierungen zu vereinbarende Garantien sichergestellt werden sollten; mangels einer Einigung sollten die Bonds durch ein Golddepot sichergestellt werden, das in einer der belgischen Regierung genehmen Bank zu stellen war. Die Besprechungen, die in Berlin zwischen den Vertretern der deutschen Regierung und den Delegierten der belgischen Regierung über die von der deutschen Regierung bereitzustellenden Garantien erfolgt sind, haben zu keinem Ergebnis geführt. Die belgische Regierung bittet die deutsche Regierung daher, ihr unverzüglich zwei deutsche Schatzbonds, zahlbar in Gold, in einem Betrage von je 50 Mio Goldmark für die Fälligkeiten vom 15. August und 15. September zukommen zu lassen und in der Belgischen Nationalbank 100 Mio Goldmark als Sicherheit für diese beiden Bonds niederzulegen.“ (Abschrift in R 38 /177 , neu in R 3301 /2177 , Bl. 50 f.). In einer Instruktion an Landsberg hatte der RK auf die Vorankündigung der Note vom 13.9.22 bereits am 12.9.22 um Verhandlungen mit Jaspar zur Abwendung der vorgesehenen Maßnahmen gebeten (R 43 I /31 , Bl. 64). Durch ein Telegramm Bergmanns, besprochen in einer Chefbesprechung vom 14.9.22, war dann als Ausweg die Reise Havensteins nach London angeregt worden: die Rbk sollte mittels eines Abkommens mit der Bank von England, die aufgrund einer früheren Transaktion 50 Mio Goldmark der Rbk im Depot hatte (vgl. Dok. Nr. 172 Anm. 1), versuchen, die Prolongation der Schatzwechsel doch noch zu erreichen. Hermes wollte in der Sitzung einen Beschluß durchsetzen, Havenstein unter Druck dazu zu bewegen, notfalls auch mit weiteren 50 Mio Reichsbankgold die Schatzwechsel zu garantieren, während der RK und StS von Simson an der Unantastbarkeit des Reichsbankgoldes festhielten. Gegen Schluß der erregten Debatte erschien Havenstein und teilte die Bereitwilligkeit des Reichsbankdirektoriums mit, den Betrag von 50–100 Mio durch obligatorische Verpflichtung zu garantieren (Protokoll der Sitzung in R 43 I /31 , Bl. 7-9). Belgien erklärte sich inzwischen bereit, die Reise Havensteins nach London als provisorische Antwort auf die Note vom 13.9.22 anzusehen (Telegramm Landsbergs vom 15.9.1922 in R 38 /177 , neu in R 3301 /2177 , Bl. 20).

2

Die Anlage lautet: „Vorbedingung für jede Regelung ist, daß Belgien mit der Unterschrift der Reichsbank unter den Schatzwechseln als Garantie einverstanden ist und sich begnügt. – Die Bank von England ist – anscheinend beeinflußt von der englischen Regierung – in großer Sorge, daß jedes öffentliche Eintreten der Bank von England oder der englischen Regierung für beide z. Z. unerwünschte politische Folgen haben könnte. Die Bank von England verlangt daher unbedingte Geheimhaltung aller Verhandlungen und aller Möglichkeiten ihres etwaigen Eintretens für die Wünsche der Reichsbank. Alle etwaigen Abmachungen über derartige Möglichkeiten sollen rein bankgeschäftliche Transaktionen und daher Geschäftsgeheimnis der beiden Zentralnotenbanken bleiben. Wenn von deutscher Seite eine Erklärung etwa dahin abgegeben wird, nachdem der Reichsbankpräsident in England gewesen ist, sieht sich die Reichsbank nunmehr in der Lage, ihre Unterschrift auf die Schatzwechsel zu Belgien zu setzen, ohne von Belgien eine Verlängerung der Laufzeit fordern zu müssen, so ist sich die Bank von England zwar darüber klar, daß die öffentliche Meinung den Schluß ziehen würde, daß die Bank von England in irgend einer Weise der Reichsbank ihre Hilfe zugesagt habe. Sie würde darin aber eine unausbleibliche Folge des bisherigen Laufs der Ereignisse sehen, legt indes gleichwohl entscheidenden Wert darauf, daß über die geschäftlichen Besprechungen gemäß der allgemeinen Übung von den beiden Banken selbst keiner anderen Stelle Mitteilung gemacht wird. Die Reichsbank würde die Wechselunterschrift nur dann leisten können, wenn sie ihrerseits dagegen gesichert wird, für die Erfüllung ihrer Wechselschuld mit ihrem Goldschatz eintreten zu müssen. Dazu ist erforderlich: 1. Sie erhält das unbedingte Recht, von den eingehenden Exportdevisen vom Oktober ab monatlich 20 Mio Goldmark für einen Sicherheitsfonds zurückzubehalten und darüber hinaus, soweit es die Lage des Devisenmarktes gestattet, auch noch weitere Devisenbeträge am freien Markt – ebenfalls für Rechnung des Reichs – zur Verstärkung des Sicherheitsfonds anzuschaffen. Der Sicherheitsfonds ist in erster Linie zur Abdeckung der Schatzwechsel bestimmt. Die Auffüllung des Sicherheitsfonds hört auf, sobald die Abdeckung der von der Reichsbank für die belgische Forderung übernommene Verpflichtungen und Rückzahlung der dem Reich von der Reichsbank gewährten Vorschüsse – z. Z. 40 Mio – erfolgt ist. 2. Die unmittelbare Beschaffung von Devisen durch das Reich, insbesondere die Devisenbeschaffungsstelle, darf nur im engsten Einvernehmen mit der Reichsbank erfolgen. – 3. Das Reichswirtschaftsministerium wird im Einvernehmen mit der Reichbank stark auf die volle Ablieferung der Pflichtdevisen aus dem Export hinwirken. 4. Die Reichsbank behält sich vor, mit der Industrie und eventuell der Bankwelt in Verbindung zu treten, um sie zu veranlassen, über den Betrag der ablieferungspflichtigen Devisen hinaus Devisen zur Abdeckung der von der Reichsbank übernommenen Verpflichtungen der Reichsbank für den Sicherheitsfonds des Reichs zur Verfügung zu stellen. Die Regierung wird, falls die Reichsbank hierbei ihre Unterstützung wünscht, diese nach Kräften gewähren. 5. Solange die Reichsbank mit der Abwickelung dieser Geschäfte belastet ist, kann sie keinerlei Verpflichtungen übernehmen, für andere Reichszwecke, insbesondere auch für Einfuhren, weitere Devisen zu beschaffen.“ (R 43 I /31 , Bl. 34).

3

In der DAZ erscheint z. B. am 19.9.22 (Nr. 402) nur eine kurze Mitteilung, daß der Geschäftsträger Landsberg der belgischen Regierung Mitteilung gemacht habe, daß Deutschland nunmehr die gewünschten Wechsel mit der Unterschrift der Rbk zur Verfügung stellen könne. Am 20. 9. bringt die DAZ unter der Überschrift „Das Reichsbankabkommen“ Einzelheiten nach der Berichterstattung der Telegraphen-Union (DAZ Nr. 403).

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