1.60.3 (bru3p): 3. Innerpolitische Besprechung.

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[2022]3. Innerpolitische Besprechung.

Der Reichsminister der Justiz berichtete über den Vorfall in Darmstadt14. Der Oberreichsanwalt habe ihm keine Mitteilung darüber gemacht, daß er beabsichtige, hierzu der Presse gegenüber Stellung zu nehmen15. Seine Erklärung sei mißverstanden worden16. In einer eingehenden Aussprache habe er erklärt, daß er keinen Vorwurf gegen die hessischen Behörden erhoben habe und daß die Angaben über die Beschlagnahme in Hessen unzutreffend seien. Er sei auf die Unzweckmäßigkeit seines Vorgehens hingewiesen worden. Er habe zugesagt, die gerichtliche Voruntersuchung alsbald in die Wege zu leiten. Inzwischen sei der Antrag gestellt worden.

Reichsgerichtsrat Jorns werde nunmehr, wie bereits früher angeregt, in einem Revisionssenat beschäftigt werden17. Er sei bei einer Schlußvernehmung, die der Oberreichsanwalt selbst geleitet habe, zugezogen worden18. Der Ausgang des Verfahrens sei nicht zu übersehen. Die weiteren Ermittlungen würden durch einen Reichsgerichtsrat in Hessen vorgenommen. Der Reichsanwalt werde berichten.

Der Hessische Gesandte habe gegen das Vorgehen des Oberreichsanwalts Verwahrung eingelegt. Er sei beruhigt worden19. Inzwischen habe auch eine Unterredung mit Frank von der Nationalsozialistischen Arbeiterpartei stattgefunden. Er habe sich darüber beschwert, daß die Legalität der Bewegung frivol in Zweifel gezogen werde20 und Beamte wegen ihrer Zugehörigkeit zur Partei diszipliniert würden. Auf sein Verlangen, der Reichsminister der Justiz müßte eingreifen, sei er darauf verwiesen worden, daß es sich um Angelegenheiten der Landesbehörden handle, auf die die Reichsregierung keinen Einfluß habe.

Die Persönlichkeit des Oberreichsanwalts sei über jeden Zweifel erhaben.

Zu Hinweisen des Reichskanzlers auf bedenkliches Vorgehen in einzelnen Prozessen erklärte er, daß es sich in dem einen Fall, in dem der Richter seine Zuständigkeit zum Einschreiten wegen des Vorwurfs des Hochverrats, der vom Beschuldigten gegen den Reichskanzler erhoben worden sei, um einen Menschen gehandelt[2023] habe, dem ohne Zweifel der Schutz des § 51 des Strafgesetzbuchs21 zuzubilligen war. Wenn bei Beweisaufnahmen über das erforderliche Maß hinaus an Zeugen Fragen gerichtet würden, deren Beantwortung Material für Angriffe und Agitation gäbe, so sei das ein bedauerlicher Mißbrauch. Das Reichsgericht habe in dieser Hinsicht verständige Grundsätze aufgestellt.

Der Reichskanzler dankte dem Reichsminister für Justiz für seine Ausführungen und sein Vorgehen22.

Fußnoten

14

Vgl. Dok. Nr. 572.

15

Der Oberreichsanwalt Werner hatte am 26.11.31 der Telegraphen Union ein Interview gegeben, in dem er betont hatte, daß er die Hausdurchsuchungen nicht veranlaßt habe. Der Pr.IM Severing habe ihm ein Schriftstück übergeben, das angeblich von Best stamme. Werner hatte hervorgehoben, daß der Vorwurf des Hochverrats erst noch geklärt werden müsse, da es sich bei den beschlagnahmten Schriftstücken offenbar um Maßnahmen handle, die sich nicht gegen eine aufgrund der jetzt geltenden Verfassung im Amte sich befindlichen Regierung richteten (Text der Telegraphen-Union vom 26.11.31 in R 43 I /2683 , S. 75).

16

In einem Schreiben an den Hessischen IM Leuschner vom 27.11.31 hatte Werner die Aussage seines Interviews erläutert (Durchschrift in R 43 I /2683 , S. 89–93).

17

Reichsanwalt Jorns war 1928 öffentlich beschuldigt worden, er habe 1919 die Mörder Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts entkommen lassen. Nach einem für ihn ungünstig ausgegangenen Beleidigungsprozeß hatte sich Jorns beurlauben lassen: diese Edition, Das Kabinett Müller II, Dok. Nr. 82, Anm. 6.

18

Vgl. Dok. Nr. 572, Anm. 3.

19

Der Hessische Gesandte Nuß hatte in einem Schreiben an den RK vom 27.11.31 gegen das Interview des Oberreichsanwalts Werner Verwahrung eingelegt. Das Interview habe z. T. objektiv unrichtige Behauptungen enthalten. Nuß stellte in seinem Schreiben fest, daß Best als einer der Hauptführer der hessischen Nationalsozialisten gelte (R 43 I /2683 , S. 71–72).

20

Vgl. zur Legalität der NSDAP auch Dok. Nr. 599.

21

§ 51 StGB lautete: „Unzurechnungsfähigkeit. Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn der Täter zur Zeit der Begehung der Handlung sich in einem Zustande von Bewußtlosigkeit befand, durch welchen seine freie Willensbestimmung ausgeschlossen war“.

22

Der Oberreichsanwalt stellte im Sommer 1932 das Ermittlungsverfahren ein: diese Edition, Das Kabinett v. Papen, Dok. Nr. 89, P. 6.

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