2.118 (cun1p): Nr. 118 Rundschreiben des Reichsministers der Finanzen an die Reichsminister. 11. April 1923

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[370] Nr. 118
Rundschreiben des Reichsministers der Finanzen an die Reichsminister. 11. April 1923

R 43 I /2357 , Bl. 51 Umdruck

[Betrifft: Finanzlage des Reiches]

Die Inanspruchnahme der Reichskasse hat in den letzten Monaten einen ungeheuren Umfang angenommen. Während die schwebende Schuld des Reichs bei Beginn der Ruhraktion – also Anfang Januar ds. Jrs. – noch rd. 1 600 Milliarden M betrug, ist sie bis heute auf über 7 000 Milliarden M angewachsen. Sie hat also in diesen drei Monaten um über 5 400 Milliarden M zugenommen. Die angeschlossene Übersicht über die Finanzgebarung während der letzten 3 Monate läßt erkennen, in welchem Mißverhältnis während dieser Zeit die Einnahmen des Reichs zu den Ausgaben gestanden haben1. Auch auf dem Gebiete des Devisenbedarfs sind in der letzten Zeit gewaltige Anforderungen an die Reichsbank gestellt worden, deren Befriedigung den größten Schwierigkeiten begegnet.

Dieser kurze Hinweis auf unsere Finanzlage möge genügen, um den Ernst unserer Lage vor Augen zu führen. So wie die Verhältnisse zur Zeit liegen, ist mit einer Klärung der politischen Lage für die nächste Zeit kaum zu rechnen, wir werden uns also damit abfinden müssen, daß auch die finanziellen Schwierigkeiten noch anhalten werden. Die Erkenntnis dieser Sachlage zwingt mit unabänderlicher Notwendigkeit dazu, mit unseren Mitteln hauszuhalten und die größte Zurückhaltung sowohl auf allgemeinen finanziellen als auch auf demjenigen des Devisenbedarfs zu beobachten. Alle Bemühungen des Finanzressorts, für die nötigen Deckungsmittel zu sorgen, sind von vornherein zum Scheitern verurteilt, wenn es sich nicht der Mithilfe der übrigen Reichsressorts versichert halten darf. Die Ausgaberessorts werden sich bei allen ihren Maßnahmen und Erwägungen vor Augen halten müssen, daß jede Million, die über den lebensnotwendigen Bedarf hinaus angefordert und ausgegeben wird, den Ernst unserer Lage weiter verschärft und das Durchhalten in finanzieller Hinsicht erschwert. Es muß unter allen Umständen vermieden werden, daß die mit Erfolg unternommene Stützung unserer Währung, eine der wichtigsten Maßnahmen in der Abwehr gegen die Ruhraktion der Gegner, gefährdet wird. Das könnte aber eintreten, falls die Inanspruchnahme der Reichskasse und der Reichsbank in der bisherigen Art weitergeht2.

An die Herren Ressortchefs richte ich deshalb die dringende Bitte, mit allen Mitteln dahin zu wirken, daß sich die Anforderungen der Ressorts in den[371] Grenzen des lebensnotwendigen Bedarfs halten und alles vermieden wird, was ein weiteres Durchhalten erschwert oder gar unterbindet3. Hierzu gehört u. a. auch die schärfste Einschränkung von Kreditgesuchen an die Reichsbank, über deren allzu starke Häufung in der letzten Zeit von dem Reichsbankdirektorium lebhafte Klage geführt wird. Die Herren Ressortchefs dürfen dabei versichert sein, daß ich mich wirklich dringenden Aufgaben nicht verschließen werde, wenn dies mit der allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Lage nur irgendwie vereinbar ist.

Ich bitte ergebenst, dafür sorgen zu wollen, daß diese Situation von allen Stellen Ihres Ministeriums bei der Einleitung von Maßnahmen beachtet wird4.

Dr. Hermes

Fußnoten

1

Nach der beigefügten Übersicht betrugen die Ausgaben im Januar 947,2 Mrd. M, im Februar 2 027,8 Mrd. M, im März (vorläufig) 3 574,8 Mrd. M; demgegenüber die Einnahmen im Januar 360,5 Mrd. M, im Februar 521,2 Mrd. M, im März (vorläufig) 561,9 Mrd. M. Dabei sind in den Einnahmen auch außerordentliche Einnahmen enthalten; die ordentlichen Einnahmen aus Steuern, Zöllen, Abgaben und Zwangsanleihen beliefen sich nach den detaillierten Monatsübersichten des RFMin. lediglich auf 286 Mrd. M im Januar, 338 Mrd. M im Februar und 510 Mrd. M (endgültig) im März 1923 (R 43 I /2357 , Bl. 52).

2

Am 18. 4. bricht die Markstützungsaktion zusammen.

3

Bereits am 28.2.23 hatte der RFM die Ressorts ersucht, Haushaltsüberschreitungen nur noch nach strengster Prüfung und Ausnutzung aller Einsparungsmöglichkeiten zu beantragen. „Insoweit Haushaltsüberschreitungen anläßlich von Preissteigerungen beantragt werden, bitte ich, der Erklärung noch hinzuzufügen, daß die Mehrkosten lediglich auf die Markentwertung zurückzuführen sind und keinerlei Maßnahmen dadurch gedeckt werden sollen, die im Haushalt selbst nicht bereits vorgesehen sind.“ (R 43 I /875 , Bl. 213).

4

Am 19. 4. findet auf Einladung des RFMin. eine Besprechung mit den Haushaltsreferenten der Reichs- und preußischen Ressorts statt, in der die Möglichkeiten zur raschen und wirksamen Eindämmung der Ausgabenflut erörtert werden. Der RFM teilt als Ergebnis der Besprechung den Ressorts am 21. 4. mit, daß alle finanziellen Anforderungen der Ressorts einer mehrmaligen verschärften Überprüfung ihrer Dringlichkeit unterzogen werden sollen (R 43 I /862 , Bl. 228-232 und 883, R 43 I /883 , Bl. 116-121).

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