2.20 (lut1p): Nr. 20 Denkschrift der Bayerischen Staatsregierung über Mißstände auf dem Gebiet der Bewirtschaftung und Verwendung von Reichsgeldern. [10. Februar 1925]

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Nr. 20
Denkschrift der Bayerischen Staatsregierung über Mißstände auf dem Gebiet der Bewirtschaftung und Verwendung von Reichsgeldern. [10. Februar 1925]1

R 43 I /662 , Bl. 128-135

Die Mißstände auf dem Gebiete der Verwendung von Staatsmitteln, wie sie aus Anlaß der Barmat- und Kutisker-Angelegenheit zutage getreten sind2, haben nach den hier gemachten Beobachtungen in der Bevölkerung eine tiefgehende und gefährliche Empörung hervorgerufen.

[71] Diese ist hauptsächlich von zwei Empfindungen getragen, die sich – ob mit Recht oder Unrecht – jedenfalls de facto – zu einem gefährlichen Massenbewußtsein entwickelt haben.

Zum ersten hat das Gefühl Platz gegriffen, daß bei der Verteilung der öffentlichen Lasten und ihrer Erhebung ebenso wie bei der Verwendung der Staatsmittel zur Kreditgewährung mit ungerechtem Maße gemessen wird. Der bäuerliche und gewerbliche Mittelstand, der in Bayern das gesunde und kraftvolle Fundament der staatlichen Gemeinschaft bildet und dessen Schutz bei verständiger Abwägung aller politischen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten für das gesamte Reich auch heute noch, und zwar heute erst recht, eine Lebensfrage bildet, kämpft den schwersten Kampf um seine Existenz. Politische und wirtschaftliche Führer von Ruf und Bedeutung haben vergeblich bis heute ihre warnende Stimme vor der Gefahr der Vernichtung dieses Grundpfeilers unseres Staatswesens erhoben. Von schönen Worten abgesehen ist in den entscheidenden Grundfragen so gut wie nichts für ihn geschehen. Nun tritt zu dem Gefühl mangelnder Unterstützung durch den Staat noch die Erkenntnis, daß die Entwicklung, die zu seiner Vernichtung führt, staatlicherseits geradezu einseitig begünstigt wird.

Die Verwaltungsbehörden berichten, daß selbst der besser situierte bäuerliche Mittelbesitz vielfach gezwungen ist, die Substanzen seines Betriebes anzugreifen, wertvolle Viehbestände zu veräußern, um die drückenden Steuern aufzubringen. Auf der anderen Seite ist den Bemühungen des Mittelstandes, Kredit zur Aufrechterhaltung und Fortführung des Betriebs zu erhalten, seither ein nennenswerter Erfolg versagt geblieben. Es ist den Steuerzahlern aus diesen Kreisen nicht entgangen, daß die öffentlichen Kassen des Reichs eine recht erhebliche Geldflüssigkeit aufweisen und daß Kredite aus diesen Mitteln in weitgehendem Umfang einseitig an Großindustrie und Großbetriebe gegeben worden sind. So z. B. haben die Betrachtungen, die Richard Calwer in einer Herbstnummer seiner „Wirtschaftlichen Tagesberichte“ über diese Frage angestellt hat, im Herbst 1924 auch in der Presse und sogar in der Provinzpresse Verbreitung gefunden. Wie es die Masse der Steuerzahler empfinden muß, wenn durch die rigoros beigetriebenen Steuern ihre Vermögenssubstanz angegriffen wird, das Steuererträgnis aber dann nicht seinem eigentlichen Zweck zugeführt, sondern zu Millionenkrediten an Großbetriebe und Großbanken noch dazu fragwürdiger Art verwendet wird, bedarf keiner weiteren Erörterung.

Bei den Arbeitern und den unteren und mittleren Beamten, soweit sie in Beschäftigung stehen, fehlt vielfach das Existenzminimum. Soweit sie unter Berufung auf Gründe der Ersparnis oder Rentabilität entlassen oder abgebaut worden sind, mußte der Widerspruch zwischen den Millionenkrediten an die Großbetriebe und den Überschüssen der öffentlichen Kassen einerseits und der Begründung, mit der sie aus ihrer Beschäftigung entlassen wurden, andererseits das Gefühl ungerechter Behandlung auslösen.

Solche Empfindungen über die hier obwaltende Ungerechtigkeit werden verstärkt durch die Erbitterung über die gleichzeitig zutage getretene Korruption, von der unser ganzes öffentliches Leben, insbesondere in der Reichszentrale, wo Wirtschaft und Politik die engste Verbindung eingegangen haben, bedroht[72] erscheint. Dieses Bewußtsein läßt sich nicht dadurch unterdrücken, daß man auf die Notwendigkeit verweist, zuerst die Ergebnisse der eingeleiteten Untersuchung abzuwarten. Es wird ohnedies schon genügend in Rechnung gestellt, daß ein großer Teil der in der Presse erscheinenden Nachrichten tendenziös unrichtig oder übertrieben ist. Aber das, was nicht bestritten wird und nicht bestritten werden kann, ist für sich allein heute schon ausreichend, um diese Wirkungen auszulösen. Mit großem Mißtrauen steht man den parlamentarischen Maßnahmen zur Bereinigung dieser Fragen gegenüber, und selbst das Vertrauen in die gerichtliche Untersuchung ist nicht mehr so unerschüttert wie ehedem.

Dabei herrscht die Meinung vor, daß es sich hier nicht um vereinzelte Ausnahmefälle, sondern um Symptome einer Erkrankung handelt, unter der der ganze öffentliche Organismus, namentlich in der Zentrale des Reiches, leidet und die zum Teil auch schon auf die übrigen Teile übergegriffen hat und weiter überzugreifen droht.

In diesem Massenbewußtsein liegt eine Gefahr, die selbst in einem festgefügten Staatsgebilde nicht hoch genug bewertet werden kann. Noch viel mehr gilt dies für unsere staatlichen Verhältnisse, die nichts weniger als gefestigt, sondern von allen Seiten, von innen und außen, bedroht sind, für ein Volk, dem die Erinnerungen an die Kriegs- und Zwangswirtschaft und die Inflation noch frisch in der Seele haften. Wenn sich derartige Massenempfindungen bis zu der Frage verdichten, ob denn ein solches Staatsgebilde überhaupt noch lebensfähig oder lebenswürdig erscheint, dann läuft das gesamte wertvolle politische Kapital, das in dem Gemeinschaftswillen einer Nation und ihrer Pflichtenbereitschaft für den Staat besteht, Gefahr, vollständig vertan zu werden.

Wenn anders Reich und Nation vor dem Schwersten bewahrt werden sollen, müssen hier die Reichsregierung und die Landesregierungen, die Parlamente und der gesamte staatliche Apparat alles daransetzen, um grundlegenden Wandel zu schaffen.

Eine doppelte Arbeit ist hier zu leisten: für die Vergangenheit und für die Zukunft.

Für die Vergangenheit ist notwendig, daß den zutage getretenen Mißständen bis auf die letzten Ursachen nachgegangen wird und alle Schuldigen ohne Ansehen der Partei und Person strafrechtlich und disziplinär zur Verantwortung gezogen werden. Der Staat, der gegen die Korruption volle Arbeit leistet, der nicht nur den Eiter selbst, sondern dessen Herd ermittelt und beseitigt, ist noch nicht korrupt und ebensowenig ein Volk, dessen Empfinden sich gegen derartige Erscheinungen aufbäumt. Ganze und energische Reinigungsarbeit und nur diese bringt dem Staate die Gesundung und das Vertrauen des Volkes wieder.

Für die Zukunft aber gilt es, möglichst wirksame Garantien gegen eine Wiederkehr derartiger Mißstände zu schaffen. Am sichersten und wichtigsten freilich sind die der unmittelbaren Einwirkung des Staates entzogenen inneren Garantien, die in dem Charakter der einzelnen Persönlichkeiten liegen, welche die lebendigen Tragsäulen unseres Staatsbaues bilden. In den letzten Jahrzehnten hat zuerst in unserem wirtschaftlichen und nunmehr auch in unserem öffentlichen Leben mehr und mehr der Geist Eingang gefunden, der die materiellen Werte über die ideellen stellt und deshalb ohne Bedenken die letzteren[73] den ersteren zum Opfer bringt. Der Staat und seine Organe allein sind nicht imstande, diesen Geist aus dem Leben der gesamten Nation zu entfernen. Aber soviel kann und muß bei gutem Willen von Staats wegen erreicht werden, daß dieser Geist aus den Amtsstuben verschwindet. Ebenso kann und muß erreicht werden, daß sich die Staatsfinanzgebarung auf der Soll- und auf der Habenseite nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des gleichen Maßes für alle und besonders zugunsten einer gesünderen Entwicklung unseres Wirtschaftsorganismus vollzieht. Zur Erreichung dieses Zieles erscheinen der Bayer. Regierung eine Reihe äußerer Mittel geeignet. In ernster Sorge um Volk und Reich hält es die Bayer. Regierung für ihre Pflicht, der Reichsregierung über diese Mittel eine Reihe von grundsätzlichen Vorschlägen zu unterbreiten.

A.

Verhältnis zwischen Wirtschaft und Staat.

1. Abgesehen von den absolut notwendigen und den althergebrachten Staatswirtschaftsbetrieben muß sich der Staat frei machen von jeder Befassung mit den konkreten Aufgaben der Privatwirtschaft. Eine solche Befassung des Staates und seiner Organe führt, wie die Erfahrungen der Kriegs- und Zwangswirtschaft sowie die öffentliche Bewirtschaftung auf verschiedenen Gebieten zur Genüge gelehrt haben, von allen anderen Nachteilen abgesehen, zur Bildung unkontrollierter und unkontrollierbarer Fonds, zu Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten aller Art, zur Bevorzugung und Bereicherung einzelner Unternehmer, zu Versuchungen für den Beamten- und Behördenapparat und schließlich zur Erschütterung des Vertrauens der Bevölkerung zum Staat und seinen Organen. Sie führt letzten Endes zur Sozialisierung oder „Nationalisierung“ oder sogar zur Bolschewisierung der gesamten Wirtschaft. Trennung von Staat und Wirtschaft ist notwendig, nicht etwa in dem Sinne, daß der Staat der Wirtschaft freien und ungezügelten Lauf läßt. Der Staat muß vielmehr positiv bei allen seinen staats-, finanz-, sozial- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen auch auf die Wirkung dieser Maßnahmen auf die Entwicklung der gesamten Volkswirtschaft Bedacht nehmen und dieser Entwicklung die Zielrichtung im Großen weisen. In negativer Hinsicht muß er dort einschreiten, wo sich Mißstände auf wirtschaftlichem Gebiete zeigen. Aber in diesen beiden großen Aufgaben muß sich die Tätigkeit des Staates unter allen Umständen erschöpfen.

Alle Reste öffentlicher Bewirtschaftung sind sobald wie möglich aufzuheben. Von neuen Versuchen dieser Art ist abzusehen.

2. Ähnlich, wenn auch nicht gleich, liegen die Dinge bei den verschiedenen auf privatwirtschaftlicher Basis errichteten, jedoch mit öffentlich-rechtlichen oder gemeinnützigen Aufgaben unter Beteiligung des Staates betrauten Kredit- und Bankinstitutionen des Reiches.

Einige Beispiele seien herausgegriffen.

a) Das Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft und das Reichsarbeitsministerium haben mit der Verwaltung und Vergebung der seitens der deutschen Rentenbank sowie aus der Erwerbslosenfürsorge für Meliorationskredite bereitgestellten Mittel die deutsche Bodenkultur-Aktien-Gesellschaft beauftragt. Die Aktien dieser Gesellschaft sind in der Hand des Reichs.[74] Vorsitzender des Aufsichtsrats ist ein Ministerialdirektor des Reichsernährungsministeriums, stellv. Vorsitzender ein Ministerialreferent des Reichsarbeitsministeriums. Im Aufsichtsrat sind Vertreter des Reichslandbundes und anderer landwirtschaftlicher Organisationen sowie solche der Gewerkschaften und des Reichsverbandes deutscher Industrie. Als Vorstandsmitglieder fungieren ein Ministerialrat des Reichsernährungsministeriums und ein Referent des Reichsarbeitsministeriums.

b) Im Sommer 1923 ist auf Betreiben des Reichsarbeitsministeriums die Wohnstätten GmbH mit dem Sitz in Berlin gegründet worden. Sie sollte unter Aufsicht des Reichs die Beleihung von Wohnungsbauten mit wertbeständigen Hypotheken und die Beschaffung des erforderlichen Kapitals durch Ausgabe von wertbeständigen Pfandbriefen betreiben und auch sonst nach Absicht des Reichsarbeitsministeriums bei der Lösung der Wohnungsbaufrage eine wesentliche Rolle spielen.

c) Vor einiger Zeit sind im Reichswirtschaftsministerium Verhandlungen gepflogen worden, die auf die Schaffung einer Kreditorganisation für das Handwerk unter Führung der einschlägigen Reichsressorts abzielten.

d) Weiterhin soll geplant sein, die Anlage der laufenden Gelder der Reichsbahn bei der deutschen Verkehrskreditbank in Berlin zu zentralisieren, deren Aktien sich zu 70% im Besitze des Reichs befinden. Diese Bank soll auch eine Filiale in München errichten, die die seitherigen entsprechenden Funktionen der Bayer. Staatsbank ablösen und übernehmen soll.

Allgemein ist hierzu zu sagen:

Derartige zentralistische Institutionen halb privat-, halb öffentlich-rechtlichen Charakters bergen eine Reihe großer Gefahren in sich. Sie begünstigen die unter vorstehender Ziffer 1 bezeichneten Entwicklungsmöglichkeiten (Nationalisierung der Privatwirtschaft usw.). Von einer Zentrale aus ist es unmöglich, den verschiedenen und besonderen Verhältnissen der Wirtschaft der einzelnen Länder gerecht zu werden. Typisierung und Schablonisierung sind die mißlichen, aber noch geringeren, Ungerechtigkeit und Korruption die schwereren Folgen. Das Beispiel der Wohnstätten GmbH in Berlin sollte eine flammende Warnung für das Reich sein, auf diesem Gebiete fortzufahren und eine Mahnung, den wiederholt gemachten Vorschlägen Bayerns um des Reiches willen Gehör zu schenken.

Im einzelnen ist noch zu bemerken:

Zu a) Der Bayer. Regierung wurde vor Erwerb der Aktien der Bodenkultur-Aktiengesellschaft vom Reichsernährungsministerium zugesichert, daß in dieser Angelegenheit nichts Endgültiges unternommen werde, bevor sich der Reichstag mit der Frage befaßt habe; außerdem wurde zugesagt, daß mit der Bayer. Regierung vorher verhandelt werde. Gleichwohl ist die Übernahme der Aktien erfolgt. Bayern muß verlangen, daß die gesamten auf Bayern treffenden Meliorationsmittel nicht an die Bodenkultur-Aktiengesellschaft, die am besten wieder sofort verschwinden sollte, sondern an die Bayer. Bodenkulturrentenanstalt als das staatliche Institut gegeben werden, das seit 40 Jahren die Beschaffung des Meliorationskredites in Bayern besorgt.

[75] Zu d) Bayern muß verlangen, daß die Anlage der in Bayern anfallenden Gelder der Reichsbahn unter allen Umständen in der gleichen Weise erfolgt wie seither; es hat dieses Verlangen dem Generaldirektor der Reichsbahngesellschaft, Herrn Reichsminister a. D. Oeser, am 18. Januar 1925 in aller Form zum Ausdruck gebracht.

Bayern muß sich namentlich auch mit aller Entschiedenheit dagegen wenden, daß solche Gründungen dazu mißbraucht werden, für einzelne Reichsressorts den ihnen fehlenden und verfassungsmäßig nicht zustehenden, in die Länder hineinreichenden Behördenunterbau zu schaffen.

B.

Forderungen auf dem Gebiete des Beamtenrechtes.

1. Das verfassungsmäßig garantierte Berufsbeamtentum darf durch keine direkte oder indirekte Maßnahme angetastet werden. Für die Anstellung der Beamten sind die Vorschriften über Vorbildung und Prüfung ohne Zulassung einer Ausnahme einzuhalten. Es wird nicht verkannt, daß diese äußeren Garantien oftmals den Zugang tüchtiger Kräfte verhindern und keine sichere Gewähr dafür bieten, daß nur tüchtige Kräfte zur Anstellung gelangen. Aber diese äußeren Garantien sind die einzige unter Menschen mögliche Sicherung gegen Gunst, Willkür und Korruption.

Die Rechte des Berufsbeamten auf Unwiderruflichkeit, Gehalt, Pension und Hinterbliebenenversorgung dürfen nicht angetastet werden. Der Beamte, der seine Existenz gesichert weiß, ist gegen Untreue und Bestechung besser gefeit als der Beamte, der damit rechnen muß, daß sein Dienst im Staate zeitlich begrenzt ist, und der deshalb leichter der Versuchung verfällt, die Stunde zu nützen. Der Personalabbau3 ist von der Beamtenschaft vielfach als der erste Axthieb gegen das Berufsbeamtentum aufgefaßt worden. Wenn diese Besorgnis auch zu Unrecht besteht, so ist sie gleichwohl vorhanden und geeignet, die Wirkung herbeizuführen, daß sich der eine oder andere Beamte Versuchungen gefügiger zeigt. Dem unorganischen Massenabbau ist deshalb der organische Abbau durch Einziehung entbehrlicher, im Wege natürlicher Erledigung frei gewordener Stellen vorzuziehen. Gleichzeitig ist jeder Ansatz zu einer neuen Beamtenhypertrophie für die Zukunft von vornherein zu vermeiden. Abgesehen von den günstigen Wirkungen für die Integrität unseres Beamtenstandes[76] wird auch nur auf diesem Wege eine wirkliche und wirksame Einsparung erzielt.

2. Strenger Vollzug und, wo nötig, Ausgestaltung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen im Beamtenrecht und den auf Beamte bezüglichen Bestimmungen des Strafrechts. Insbesondere Einschränkung der Erteilung der Genehmigung zu Nebengeschäften irgendwelcher Art, soweit sie von einer Genehmigung abhängig sind.

C.

Auf dem Gebiete der Finanzverwaltung.

1. Die Möglichkeit von Darlehensgewährungen aus Steuererträgnissen beweist, daß die Einkünfte des Reiches den Bedarf mindestens zeitweilig überstiegen haben und daß daher vor allem hinsichtlich der Steuertermine und der Einräumung von Stundungen ein weitergehendes Entgegenkommen der Reichsfinanzverwaltung möglich ist, als es bisher geübt wurde. Ferner weist die Übersicht der Einnahmen des Reichs an Steuern, Zöllen und Abgaben für die Zeit vom 1. April–31. Dezember 1924 (R.Anz. 1925, Nr. 13) aus, daß schon in den ersten 9 Monaten des Rechnungsjahres 1924 der Einnahmevoranschlag für das gesamte Rechnungsjahr um etwa 50 Millionen Reichsmark überschritten ist. Zeitungsnachrichten zufolge soll ein ähnliches günstiges Ergebnis auch für den Monat Januar 1925 erzielt worden sein. Dies legt den Schluß nahe, daß auch in der Richtung des Steuerabbaues noch weiter gegangen werden kann. Insbesondere wären für die Landwirtschaft weitere Erleichterungen hinsichtlich der Einkommensteuervorauszahlungen für das Jahr 19254 dringend erwünscht.

2. Die Kriegs- und Zwangswirtschaft hat in großem Umfange die Bildung sogen. „Schwarzer Kassen“ ermöglicht, über die ohne Haushaltsplan und Rechnungskontrolle verfügt werden konnte. Die Bildung solcher Kassen schließt naturgemäß die Gefahr willkürlicher, ungerechter und selbst unzulässiger Verwendung in sich.

Mit der Aufhebung der Kriegs- und Zwangswirtschaft scheinen diese Schwarzen Kassen nicht allgemein verschwunden zu sein. Sie sollen in vereinzelten Reichsressorts noch bestehen. Auf ihre restlose Beseitigung muß überall hingearbeitet werden. Es muß zu den alten Grundsätzen einer gesunden Staatsfinanzgebarung zurückgekehrt werden; keine Ausgaben ohne ordnungsmäßige Bewilligung, Festlegung eines bestimmten Verwendungszweckes für jede Ausgabe.

3. In diesem Zusammenhang muß auch auf die Durchführung der Vorschläge über die Reform auf dem Gebiete der Finanzverwaltung im Sinne der Ziff. B I 4 der bayer. Denkschrift zur Revision der Weimarer Verfassung5 zurückgekommen[77] werden. Wegen der allgemeinen Gründe hierfür wird, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die nachstehenden Ausführungen unter D. I. verwiesen.

D.

Kreditgewährung aus Reichsmitteln und Vergebung von Reichsaufträgen an die Privatwirtschaften.

I.

Einer der hauptsächlichsten Gefahrenherde für die hier in Frage stehenden Mißstände ist die Zentralisation auf wirtschaftlichem und finanziellem Gebiete. Es ist deshalb, und da diese Zentralisation auch eine Reihe anderer Gefahren in sich schließt, notwendig, einige grundlegende Bemerkungen vorauszuschicken.

1. Jede Zentralisation birgt bei der heutigen Lage Deutschlands erhebliche außenpolitische Gefahren in sich. Bei unserer weltpolitischen Ohnmacht und der außenpolitischen Bedrückung bringt jede Verreichlichung ihren Gegenstand in die Gefahr der Entreichlichung. Der zentrale Kopfapparat ermöglicht den Gegnern Deutschlands leichter den außenpolitischen Zugriff. Die Gefahr ist um so größer, als die Forderungen unserer Gegner unbegrenzt und durch das Londoner Abkommen6 keineswegs mit Sicherheit dauernd auf bestimmte Objekte festgelegt sind. Das Beispiel der Reichsbahn lehrt am besten, wie eine Verreichlichung zur Entreichlichung führen kann.

2. Da ferner bei unserer heutigen parlamentarischen Verfassung die Macht im Staate letzten Endes bei den Parteien in Berlin steht, liefert jede Verreichlichung ihren Gegenstand der parteipolitischen Beeinflussung in hohem Maße aus, unterwirft ihn in seinem gesamten Umfang dem parteipolitischen Wechsel und entzieht ihm damit jede Stabilität.

3. Jede Verreichlichung vergrößert – zumal im Hinblick auf die in Ziff. 2 dargelegten Gründe – für den an der Spitze stehenden lebendigen Apparat die Versuchungen zu Untreue und Bestechlichkeit. Gewiß sind solche Möglichkeiten auch sonst gegeben. Sie werden aber mit der Verkleinerung des Maßstabes quantitativ geringer. Kommt es gleichwohl zu Durchstechlichkeiten, dann bleiben sie lokaler Natur und können sich nicht wie bei der Verreichlichung zu einem Panama für das ganze Reich auswachsen.

4. Was die wirtschaftliche Verreichlichung betrifft, so wurde und wird heute noch die Forderung vertreten, daß anstelle der seitherigen vertikalen Gliederung unseres Wirtschaftslebens die horizontale Gliederung zu treten habe; d. h., daß die oberste Aufgabenschicht eines jeden einzelnen Wirtschaftszweiges, die Leitung und Direktion, einer Zentrale zu übertragen sei, und daß nur die unteren ausführenden Aufgaben dezentralisiert werden dürften. Daß sich alsdann angesichts der seitherigen Entwicklung unserer wirtschaftlichen Verhältnisse die Reichszentrale Berlin auch zur Wirtschaftszentrale entwickeln würde, bedarf keiner weiteren Ausführung. Diese Wirtschaftstheorie ist von Bayern von jeher auf das schärfste bekämpft worden. Sie muß letzten Endes[78] notwendigerweise zur Vertrustung oder zur Nationalisierung oder, mit anderen Worten, zur Bolschewisierung unserer Wirtschaft und damit zur Vernichtung der Selbständigkeit aller wirtschaftlichen Unternehmen führen. Gerade in der Erhaltung und Stärkung der wirtschaftlichen Mittelbetriebe muß aber eine weitblickende Staatspolitik die fundamentale Grundlage für eine gesunde und kraftvolle Weiterentwicklung der Nation und des Reiches erblicken.

Die Gefahr einer solchen Wirtschaftszentralisation ist keineswegs nur in der Theorie gegeben. Wenn auch die unmittelbaren Ansätze hierzu noch weniger erkennbar sind, so sind sie doch mittelbar deutlich auf dem Gebiete des Bankwesens zu bemerken.

Da die Geld- und Kapitalbeschaffung das Blut jedes Wirtschaftskörpers bildet, bedeutet die Zentralisierung des Kreditwesens ohne weiteres die entscheidende Vorstufe für die Zentralisation der gesamten Wirtschaft mit allen den bezeichneten vernichtenden Folgen für das Reich und die Nation. Aus diesen Gründen muß sich Bayern gegen die oben unter 1 A a bis d skizzierten Entwicklungen wenden. Es muß jeder Hypertrophierung des Kopfes auf Kosten des übrigen Körpers beizeiten vorgebaut werden, wenn überhaupt der Körper lebensfähig erhalten werden, der Kopf fähig bleiben soll, den Körper zu dirigieren.

5. Bei der Zentralisation der Finanzverwaltung ist das Reich von Voraussetzungen ausgegangen, die sich nicht als richtig erwiesen haben. Wie in der bayerischen Denkschrift ausgeführt wurde, wurden die endgültig festgesetzten Friedensbedingungen als der Grund bezeichnet, der es zur absoluten Notwendigkeit mache, sämtliche Steuerquellen und auch die Verwaltung zu zentralisieren. Gerade umgekehrt müssen diese Friedensbedingungen als der Grund bezeichnet werden, von einer solchen Zentralisation nur einen sparsamen Gebrauch zu machen.

Es ist auch nicht richtig, daß nur die Reichsverwaltung den einzelnen Steuerzahler das Gefühl der Sicherheit vor Benachteiligung und unterschiedlicher Behandlung verschaffen könne. Die Erfahrungen haben das Gegenteil bewiesen. Die Verreichlichung hat zu Ungleichheiten, zur Unübersichtlichkeit und zur Entfremdung zwischen den Steuerbehörden und der Bevölkerung geführt.

II.

Alle diese grundsätzlichen Erwägungen treffen namentlich auch für die Verwendung der laufenden Gelder der Reichsverwaltung zu Kreditzwecken zu. Hier liegt die Quelle, von der die aus Anlaß der Barmat-Affaire aufgedeckten Mißstände ihren Ausgang genommen haben. Zu diesem Punkt hat deshalb die Bayer. Regierung besondere Vorschläge zu unterbreiten:

a) Die Zentralisierung der Reichsverwaltung auf dem Gebiete der Finanzen, der Post und der Bahn hat es mit sich gebracht, daß die Einnahmen dieser Verwaltungszweige in zunehmendem Maße bei der Zentrale zusammenlaufen. Auf diese Weise nimmt neben der Konzentration der Anlagekapitalien auch die Ansammlung der hauptsächlich dem Zwischen- und Wechselkredit dienenden flüssigen Gelder in Berlin ständig zu. Daß diese Gelder, soweit sie nicht sofort zur Deckung der unmittelbaren Reichsausgaben benötigt sind, im Wege des[79] Kredits unter einwandfreien Sicherungen der Privatwirtschaft zur Verfügung gestellt werden, ist an sich nicht zu beanstanden, wirtschaftlich vielmehr richtig. Bedenklich ist aber der Weg der zentralisierten Vergebung durch das Reich. Es ist ein ungesunder Zustand, wenn die in den einzelnen Ländern aus Wirtschaftsgebieten aufkommenden Gelder diesen Wirtschaftsgebieten nicht, wenn irgend tunlich, erhalten bleiben und durch unmittelbare Kanäle zur fruchtbringenden Verwertung wieder zugeführt werden, sondern von einer Zentrale aus zu einer Verwendung für wesensfremde Zwecke gelangen. In den Wirtschaftskreisen, besonders in den Kreisen des gewerblichen und bäuerlichen Mittelstandes, muß es Erbitterung hervorrufen, wenn sie sehen, daß ihre Bemühungen um Gewährung von Krediten zur Aufrechterhaltung und Weiterführung ihrer Betriebe ergebnislos sind, während fragwürdige Unternehmungen und zentralistische Konzerne aus den zum guten Teil vom Mittelstand aufgebrachten öffentlichen Mitteln bedacht werden.

b) Es muß deshalb mit allem Nachdruck gefordert werden, daß die verfügbaren Mittel nicht unmittelbar durch das Reich oder durch von der Zentrale abhängige Organe des Reichs verwendet, sondern den Ländern zur Verfügung gestellt werden. Über die Grundsätze, nach denen die Länder diese Gelder verwenden, können Richtlinien vereinbart werden. Solche Vereinbarungen können auch über die Garantien getroffen werden, die für eine gleichmäßige, gerechte und wirtschaftlich gesunde Verwendung erforderlich sind. Das gleiche gilt für die Kontrolle der Verwendung.

Durch eine derartige Regelung würde jedenfalls eine weit bessere Gewähr als seither dafür geschaffen werden, daß verfügbare öffentliche Gelder unter Beachtung der Grundsätze einer ordnungsgemäßen Staatsfinanzgebarung der kreditbedürftigen und kreditwürdigen soliden Wirtschaft möglichst gleichmäßig und gerecht nutzbar gemacht werden.

Eine weitere Gefahrenquelle für Ungerechtigkeit, Willkür und Durchstechereien liegt schließlich in einer zentralisierten Vergebung der Reichsaufträge. Der gerechte Anspruch der Länder auf eine angemessene Beteiligung an den Reichsaufträgen ist immer noch eine unerfüllte Forderung, die wiederholt bei diesem Anlaß erhoben werden muß. Die für die Durchführung einer gerechten Verteilung und eines wirtschaftlichen Ausgleiches geschaffene Einrichtung einer „Ausgleichsstelle der Länder“ in Berlin und der Landesauftragsstellen wird von den Beschaffungsstellen trotz der mit den Länderforderungen einiggehenden Beschlüsse des Reichstags und des Reichsrats vielfach umgangen. Besonderen Widerstand zeigen die Reichsbahn, das Reichsfinanzministerium und zum Teil auch das Reichswehrministerium7.

[80] Die Durchführung der vorstehenden Vorschläge und die Beachtung der dabei geltend gemachten großen staats- und wirtschaftspolitischen Gesichtspunkte hält der Bayer. Regierung für unerläßlich8. An die Stelle des achselzuckenden Bedauerns über die Vernichtung der selbständigen Mittelschichte unserer nationalen Wirtschaft durch die unaufhaltsame Entwicklung muß endlich ein kraftvoller Wille zur Gestaltung der Wirtschaftspolitik nach den Erfordernissen einer gesunden Staatspolitik treten. Findet das Reich bei dem gefährlichen Anlaß des Barmat-Skandals diese Kraft zur Reinigung, Gesundung und Erstarkung, dann ist nicht nur die konkrete Gefahr gebannt, sondern ein Segen für das Reich aus ihr hervorgegangen.

Fußnoten

1

Die undatierte, nicht signierte Denkschrift wurde StS Kempner, der den RK bei dessen Antrittsbesuch in München begleitete, von MinPräs. Held am 10. 2. übergeben (Vermerke Kempners in R 43 I /662 , Bl. 136).

2

Pressemeldungen über gerichtliche Ermittlungen gegen die Konzerne Barmat und Kutisker und über Untersuchungen eines auf deutschnationalen Antrag (RT-Drucks. Nr. 68, Bd. 397 ) am 9.1.25 eingesetzten RT-Ausschusses („Barmat-Ausschuß“, s. RT-Bd. 384, S. 55 ) geben dieser finanzpolitischen Skandalaffäre Mitte Februar 1925 folgendes Bild: Kutisker, ein 1918 aus Osteuropa eingewanderter jüdischer Geschäftsmann, der durch Verkauf dt. Heeresbestände zu großem Reichtum gelangt war, hatte seine Geschäftsverbindung zur Pr. Staatsbank (Seehandlung) zu betrügerischen Wechselgeschäften ausgenutzt. Die von der Pr. Staatsbank – nicht ohne Verschulden ihrer leitenden Beamten – Kutisker gewährten, nicht gedeckten Wechselkredite erreichten schließlich die Gesamtsumme von 14,2 Mio RM. Bei Verhaftung Kutiskers im Dez. 1924 galt der Großteil der Kredite als verloren. Den Gebrüdern Julius und Henry Barmat, gleichfalls osteuropäisch-jüdischer Herkunft, war es gelungen, vom RPMin. Darlehen in Höhe von 14 Mio RM zu erhalten, die im Dez. 1924 als verloren angesehen werden mußten. Die Verhaftung der Barmats am 31.12.24 führte den Zusammenbruch des Konzerns herbei. Zum politischen Skandal weitete sich die Affäre aus, als im Verlauf der Untersuchungen Abgeordnete mehrerer Parteien, RPM Höfle, der ehemalige RK Bauer, ja selbst der RPräs. vertraulicher und eigennütziger Beziehungen zu Barmat bezichtigt wurden. Höfle trat daraufhin am 9. 1. zurück und legte – wie wenig später auch der RT-Abgeordnete Bauer (SPD) – das RT-Mandat nieder (s. die ausführlichen Presseauszüge in: Egelhaafs Jahresübersicht 1925, S. 158 ff.; s. auch: Schultheß 1925, S. 3 und 37 f.). Die gegen Friedrich Ebert erhobenen Anschuldigungen erweisen sich als vollkommen gegenstandslos (s. den Mdl. Teilbericht des 19. Ausschusses (Barmat-Ausschuß) vom 24.3.28 in RT-Drucks. Nr. 4161, Bd. 422 ). In den Prozessen gegen Kutisker und Barmat ergehen schließlich folgende Urteile: Kutisker erhält am 30.6.26 fünf Jahre Zuchthaus und vier Mio RM Geldstrafe. Julius Barmat wird am 30.3.28 zu elf Monaten Gefängnis verurteilt.

3

Maßnahme im Rahmen der Währungs- und Haushaltssanierungspolitik der Kabinette Stresemann und Marx. Rechtliche Grundlage war die „Verordnung zur Herabminderung der Personalausgaben des Reichs (Personal-Abbau-Verordnung)“ vom 27.10.23 (RGBl. I, S. 999 ), die u. a. vorsah: 1) Versetzung der Reichsbeamten in den Ruhestand mit Vollendung des 65. Lebensjahres, 2) Entlassung oder vorzeitige Versetzung in den Ruhestand von mindestens 25% der außerplanmäßigen oder planmäßigen Reichsbeamten, 3) Nichtwiederbesetzung der durch die Entlassungen freiwerdenden Planstellen, 4) Entlassung einer großen Zahl von Angestellten des Reichs. Insgesamt wurden bis 31.3.24 396 000 Beamte, Angestellte und Arbeiter des Reichs entlassen. Über den Personalabbau in den Reichsverwaltungen zwischen Okt. 1923 und 31.12.24 s. die tabellarischen Übersichten in den Anlagen zur „Zweiten Ergänzung der Denkschrift über den Personalabbau“ des RFM vom 22.4.25 (RT-Drucks. Nr. 829, Bd. 400 ). Zur Behandlung im Kabinett s. diese Edition: Die Kabinette Marx I/II, Dok. Nr. 15, P. 3; 34, P. 5; 62, P. 1; 100, P. 2. Eine kurze Darstellung geben Netzband/Widmaier, Währungs- und Finanzpolitik der Ära Luther 1923–1925, S. 120 ff.

4

S. die Ausführungen des RFM in seiner Kabinettsvorlage vom 23.1.25 (Dok. Nr. 7).

5

Die Denkschrift war am 4.1.24 RK Marx vom bayer. Gesandten v. Preger übergeben worden (s. diese Edition: Die Kabinette Marx I/II, Dok. Nr. 63, P. 1). Sie ist veröffentlicht als Sonderbeilage zur Bayer. Staatszeitung vom 5.1.24 und als RR-Drucks. Nr. 5 vom 8.1.24 (Aktenexemplar in R 43 I /2332 , Bl. 40-49); Zusammenfassung in: Schultheß 1924, S. 1 ff.; später nochmals abgedr. in: Verfassungsausschuß der Länderkonferenz, Beratungsunterlagen 1928, hrsg. vom RIMin., Berlin 1929, S. 343–361.

6

Londoner Abkommen vom 16.8.24, s. RGBl. II, S. 290 .

7

Die Bemühungen der Länder in dieser Angelegenheit gehen zurück auf eine Initiative der Bayer. StReg., die mit Schreiben an die Rkei vom 30.9.19 um Einrichtung und gesetzliche Verankerung einer Ausgleichs- und Beschaffungsstelle für Reichsaufträge gebeten hatte (R 43 I /897 , Bl. 4). RR und RT schlossen sich dieser Forderung im Nov. 1920 an und ersuchten die RReg. in gleichlautenden Resolutionen, durch VO des RPräs. „unverzüglich eine Stelle einzurichten, die einen fortlaufenden Überblick erhält über alle Beschaffungen des Reiches […], bei der die Länder durch ihre Beauftragten in der Lage sind, auf die gerechte und wirtschaftliche Verteilung der Reichsaufträge […] einzuwirken.“ (RR-Drucks. Nr. 257, Bd. 1920 und RT-Drucks. Nr. 991, Bd. 364 ). Nachdem das RKab. über diesbez. VO-Entwürfe des RSchMin. bis Mai 1921 keine Einigung erzielt hatte, richteten die Länderregg. eine „Ausgleichsstelle der Länder“ auf eigene Kosten in Berlin ein (Schriftwechsel, VO-Entwürfe, Besprechungsprotokolle, Denkschriften dazu in R 43 I /897 ). Die Bemühungen der Länder um Mitarbeit der RReg. führen schließlich zum Erfolg, als im August 1930 die „Deutsche Gesellschaft für öffentliche Arbeiten A.G.“ in Berlin gegründet wird. Zweck der Gesellschaft ist es, die Errichtung und den Ausbau wertschaffender Anlagen durch Aufnahme von Anleihen und Darlehen im In- und Ausland und Vergabe von Darlehen im Inlande an öffentlich-rechtliche und gemischt-wirtschaftliche Unternehmungen zu fördern. Die Gesellschaft untersteht der Aufsicht durch das Reich, die durch einen RKom. ausgeübt wird (Aktenmaterial dazu in R 43 I /898 ).

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Um diesen Vorstellungen Nachdruck zu verleihen, ersucht die Bayer. Reg. den RK mit Schreiben v. Pregers vom 26. 2., im RR Auskunft erteilen zu lassen, welche Maßnahmen die RReg. gegen den Kreditmißbrauch und im Interesse einer sachgemäßen Bewirtschaftung und Verteilung der Reichsgelder sowie des Abbaus von Reichsbeteiligungen an privatwirtschaftlichen Unternehmen eingeleitet habe (R 43 I /662 , Bl. 139 f.). – Der vom RK mit der Auskunfterteilung beauftragte RFM führt in seinem Entw. vom 30.11.25, dem die beteiligten Ressorts nach längeren Unterhandlungen zugestimmt haben, u. a. aus: Die Reichsverwaltungen (Reichsfinanzverwaltung, Reichspostverwaltung, Reichsbahngesellschaft) seien nach den geltenden Bestimmungen (s. z. B. den Runderlaß vom 12.10.20 in: Amtsblatt der Reichsfinanzverwaltung, S. 431) gehalten, alle verfügbaren Kassenbestände an die Reichshauptkasse, die der Rbk angegliedert ist, abzuführen. Die Anlegung dieser Gelder erfolge grundsätzlich durch die Rbk oder im Einverständnis mit ihr. Sie seien größtenteils unmittelbar bei der Rbk durch Beteiligung an deren Wechselportefeuille und zum Ankauf von Privatdiskonten angelegt. Daneben seien im Einvernehmen mit der Rbk Kredite an die Pr. Staatsbank und die Pr. Zentralgenossenschaftskasse zur Weitergabe an die Wirtschaft (z. B. Düngemittelkredite an die Landwirtschaft) gegeben worden. Bei der Anlegung und Verwendung der Postscheckguthaben und der Postrücklagen werde seit Februar 1925 nach neuen Bestimmungen des Verwaltungsrats der RP verfahren, wonach von den verfügbaren Geldern mindestens ein Drittel zum Ankauf von reichsbankfähigen Wechseln verwendet werden müsse. Der Rest sei in festverzinslichen reichsbanklombardfähigen Wertpapieren oder in öffentlichen Anleihen oder in Reichsbankschatzwechseln oder in Darlehen an Staatsbanken und Länder anzulegen. Die Ausleihungen an Staatsbanken und Länder sollen sich nach Möglichkeit auf das ganze Reichsgebiet erstrecken. Die in Bayern und Württemberg aufkommenden Postscheckgelder würden selbstverständlich in diesen Ländern verbleiben. – Zur Reichsbeteiligung an Industrieunternehmen heißt es dann: Hinsichtlich der Großunternehmen, die im unmittelbaren Besitz des Reiches ständen oder an denen das Reich mit einer Mehrheit des Geschäftskapitals beteiligt sei (z. B. Dt. Industriewerke A.G. Spandau, Dt. Werke Kiel, Elektrowerke A.G., Vereinigte Aluminiumwerke A.G., Bayer. Stickstoffwerke A.G., Vereinigte Industrieunternehmungen A.G. (Viag), Reichskreditgesellschaft A.G.), bestehe ein unzweifelhaftes allgemeines volkswirtschaftliches und staatliches Interesse, das die dauernde Beibehaltung im Reichsbesitz rechtfertige. Eine Anzahl von Beteiligungen, an deren Beibehaltung ein dringendes öffentliches Interesse nicht vorgelegen habe, sei in den letzten Jahren abgestoßen worden. Die Abstoßung weiterer Beteiligungen sei für einen Zeitpunkt ins Auge gefaßt, an dem dies unter Wahrung der finanziellen Interessen des Reichs möglich erscheine.

Über den Zeitpunkt dieser Auskunftserteilung vor dem RR konnte in den Akten nichts ermittelt werden. Es findet sich dort nur der handschrl. Vermerk Wachsmanns vom 15.1.26: „Bayern hat sich mit der Auskunft augenscheinlich begnügt.“ (R 43 I /662 , Bl. 187-190, hier: Bl. 187).

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