2.15.1 (ma11p): 1. Neuregelung der Beamtenbesoldung.

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1. Neuregelung der Beamtenbesoldung.

Ministerialdirektor von Schlieben berichtete eingehend über den Entwurf einer 12. Ergänzung des Besoldungsgesetzes2. Aus diesem Vortrag ist hervorzuheben, daß nunmehr die qualifizierte Arbeit dadurch anerkannt werden soll, daß die Spannung zwischen den einzelnen Gehaltsklassen auseinandergezogen wird. Die Spitzenorganisationen haben allgemein keinen scharfen Widerstand zu erkennen gegeben. Die neuen Gehälter sind höher als die Papiermarkgehälter, die Ende November gezahlt worden sind. Der Ortszuschlag ist umgerechnet worden, ebenso die Frauen- und Kinderzuschläge. Der Mehrbedarf des Reichs, in Prozenten ausgedrückt, beträgt 13,59. Da die Gehälter der Gruppen I–VI eine etwas stärkere Erhöhung erfahren haben, verteilt sich dieser Prozentsatz auf die einzelnen Gruppen wie folgt:

I

VI

8,67%

VII

IX

3,54%

X

XIII

1,32%

Einzelgehälter

0,06%.

Das Reichsfinanzministerium erbittet die Ermächtigung, im Reichsbesoldungsblatt eine kurze Begründung der jetzigen Besoldungsvorlage zu geben3.[73] Der Herr Reichsminister der Finanzen fügte noch hinzu, daß zwei Momente dabei nicht außer acht zu lassen seien: erstens fielen in den letzten Tagen die Preise zum Teil erheblich; zweitens müsse man immer wieder betonen, daß es sich bei der jetzigen Regelung nur um eine vorübergehende Erscheinung handele. Er hoffe, daß der Zeitpunkt einer Aufbesserung der Gehälter nicht zu fern sei.

Exzellenz von Seeckt führte aus, daß die neue Besoldungsordnung für die Reichswehr eine große Belastung darstelle. Mit allem Ernst wolle er betonen, daß angesichts dieser geringen Besoldung er eine Verantwortung für die Zuverlässigkeit der Reichswehr nicht mehr übernehmen könne. Zum Vergleich wolle er die Rüstungskosten einzelner Staaten in Prozenten des gesamten Budgets anführen:

Amerika

14%

England

9%

Frankreich

24%

Polen

32%

Deutschland

3%.

Es sei zweifellos begrüßenswert, daß das Reichsfinanzministerium diese Maßnahmen nur als vorübergehende bezeichnet. Immerhin seien die ausgeworfenen Gehälter derart, daß damit zahlreiche Reichswehrangehörige nicht mehr in der Lage seien, ihr Leben zu fristen. Beispielsweise erhalte ein Unteroffizier mit Familie etwa 105 Mark im Monat. Schon jetzt habe er Anzeichen, daß die Truppe anfange, unzufrieden zu werden. Die einzige und letzte Stütze unseres Staates sei die Reichswehr. Wenn sie zerfalle, sehe er keine Rettung mehr. Er hätte volles Verständnis für die Notlage des Reichs und habe daher nicht die Absicht, vom Herrn Reichsminister der Finanzen eine Erhöhung der Gehälter in Geld zu verlangen, zumal er sich der Tatsache bewußt sei, daß eine Erhöhung für die Reichswehr zwangsläufig auch die Erhöhung der Beamtengehälter zur Folge hätte. Wenn man aber nicht mit Geld helfen könne, so müsse man einen Weg finden, auf andere Weise der Reichswehr entgegenzukommen. Vielleicht wäre es möglich, gewissen Teilen der Reichswehr, darunter auch den Offizieren, dadurch zu helfen, daß man ihnen freie Verpflegung für sich und ihre Familien gewährt. Das könne vielleicht für die nächste Zeit dadurch ermöglicht werden, daß Lebensmittelbestände des Heeres zu einem herabgesetzten Preise an Angehörige der Wehrmacht abgegeben würden. Diese Bestände müßten dann allerdings später wieder ersetzt werden, so daß er nicht dafür bürgen könne, daß dieser Weg ganz ohne finanzielle Unterstützung des Reichs beschritten werden könne. Er betone nochmals, daß ihn bei seinem Vorschlage vor allem der Gedanke leite, die Reichswehr schlagfertig und vor allem zuverlässig zu erhalten. Den Reichswehrangehörigen sei bei ihrer Einstellung vom Staate eine Reihe von Versprechungen zuteil geworden, die leider infolge der Verhältnisse nach und nach hinfällig geworden seien. Wenn nun zu all diesen Momenten noch schwere Not hinzukomme, sei die Gefahr einer Zermürbung ganz besonders groß.

[…]

Der Reichspostminister warnte davor, die neuen Bezüge mit den Bezügen des November in Vergleich zu bringen. Ein solcher Vergleich hinke deswegen,[74] weil man daraus lediglich ersehen könne, wie gering die Novemberbezüge der Beamten gewesen seien. Was die Bezüge der Beamten des besetzten Gebiets anlange, so müsse darüber noch besonders gesprochen werden. Angesichts der Ausführungen des Herrn Chefs der Obersten Heeresleitung tauche wiederum die Frage auf, ob es richtig gewesen sei, seinerzeit die Reichswehrangehörigen in die Beamtenbesoldung aufzunehmen. Nunmehr sei es durch diese Einreihung ungeheuer erschwert, für die Reichswehr eine besondere Regelung zu treffen.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft trat aufs wärmste für eine Besserstellung der Reichswehr und Schupo ein. Er habe Nachrichten aus der Reichswehr, daß es unter den Mannschaften krisele. Er könne die Ausführungen des Herrn Chefs der Obersten Heeresleitung nur in jeder Beziehung unterstreichen. Die Reichswehr müsse unter allen Umständen zuverlässig erhalten bleiben. Auch für die Schupo, die gerade in letzter Zeit für einen sehr geringen Lohn ihr Leben in die Schanze schlage, müsse besser gesorgt werden.

Der Reichskanzler schloß sich diesen Ausführungen an und betonte, daß seitens der Regierung diesen Anträgen das größte Wohlwollen entgegen gebracht werden würde.

Der Reichsminister der Finanzen erklärte sich dazu bereit, sofort mit dem Reichswehrministerium und dem Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft die Frage zu prüfen, wie den Heeresangehörigen und den im Außendienst verwandten Schupoleuten geholfen werden könne. Er bäte unter diesem Vorbehalt um Zustimmung des Kabinetts zu der Besoldungsvorlage.

Das Kabinett stimmte der Besoldungsvorlage zu4. Bezüglich der Reichswehr werden besondere Verhandlungen eingeleitet werden.

Fußnoten

2

Der Entwurf (in R 43 I /2566 , Bl. 93-96) bringt eine Neufestsetzung der Gehälter der Reichsbeamten in GM, d. h. auf wertbeständiger Grundlage. Die unteren Besoldungsgruppen erhalten danach etwa 70 bis 75% der entsprechenden Bezüge von 1913, die mittleren Gruppen etwa 47% und die höheren etwa 39 bis 43% (nach RBesBl. 1923, S. 429). Vgl. auch die „Denkschrift über die Entwicklung der Besoldung der Reichsbeamten von 1897 bis Dezember 1924“ vom 19.1.25, RT-Drucks. Nr. 407, Bd. 398 ; Statistisches Jahrbuch für das Dt. Reich, 44. Jg., 1924/25, S. 286; Luther, Politiker ohne Partei, S. 219 f.

3

S. RBesBl. 1923, S. 429 f.

4

Am 12.12.23 wird die „VO über die 12. Ergänzung des Besoldungsgesetzes“ auf Grund des Ermächtigungsgesetzes erlassen (RGBl. I, S. 1181 ). Sie tritt mit Wirkung vom 1.12.23 in Kraft.

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