2.188 (mu21p): Nr. 188 Der Reichskanzler an den Reichsbankpräsidenten. 30. April 1929

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Nr. 188
Der Reichskanzler an den Reichsbankpräsidenten. 30. April 19291

R 43 I /277 , Bl. 171 f. Reinkonzept

[Betrifft: Reparationsleistungen.]

Sehr geehrter Herr Reichsbankpräsident!

Ich bestätige den Eingang Ihres gefälligen Schreibens vom 27. d. Mts.2. Einleitend stellen Sie erneut fest, daß die Rolle der deutschen Experten aufs schwerste beeinträchtigt worden sei durch die den übrigen Experten vor Beginn der Konferenz übermittelte Auffassung von der angeblichen Bereitwilligkeit Deutschlands zu einer Annuität von 2 Milliarden Reichsmark. Nachdem ich Ihnen bezüglich dieses Punktes bereits am 20. Februar d. J. hatte mitteilen können, daß von keiner verantwortlichen Seite der deutschen Reichsregierung irgendeine Äußerung nach dieser Richtung erfolgt sei3, glaubte ich annehmen zu können, daß die Angelegenheit dadurch erledigt sei. Wenn nunmehr[607] Herr Parker Gilbert Ihnen gegenüber die Frage erneut angeschnitten und behauptet hat, daß er bei den amtlichen Stellen in Berlin niemals einen Zweifel darüber gelassen habe, daß eine Reparationslösung auf der Pariser Konferenz nur bei einer Annuität von 2–2,2 Milliarden zu erreichen sei, so kann ich meinerseits nur mit der Feststellung antworten, daß diese Erklärung des Herrn Gilbert unrichtig ist. Selbstverständlich habe ich die Behauptung des Herrn Parker Gilbert – wobei ich dahingestellt lassen möchte, ob und welche Bedeutung ihr überhaupt beizumessen gewesen wäre, – im Kreise der beteiligten Reichsminister zur Aussprache gebracht. Es ist diesen Herren Reichsministern ebenso wie mir unerfindlich, auf welche konkreten Besprechungen Herr Parker Gilbert seine Mitteilungen überhaupt stützen könnte4. Weder ich selbst noch einer der beteiligten Herren Reichsminister hat jemals mit Herrn Parker Gilbert eine Aussprache über derartig ziffernmäßig formulierte Vorbedingungen für die Reparationslösung geführt. Die Reichsregierung hat – wie Sie wissen – überhaupt in keinem Stadium der Verhandlungen Veranlassung genommen, für die Pariser Konferenz ein zahlenmäßig begrenztes Programm für die Reparationslösung aufzustellen. Vielmehr hat sie von der ersten Vorbesprechung über das Zustandekommen der Konferenz an unverrückbar an dem stets offiziell bekundeten Standpunkt festgehalten, weder dem Urteil der von ihr in die Konferenz entsandten Experten irgendwie vorzugreifen, noch deren Gutachten als Wirtschaftler durch feste Instruktionen zu beeinflussen.

Mit dem Ausdruck meiner ausgezeichneten Hochachtung bin ich Ihr sehr ergebener

M[üller]

Fußnoten

1

Dieses Schreiben war von StS Pünder vorbereitet worden, der sein Konzept an Stresemann gesandt hatte. Abweichend von diesem Reinkonzept heißt es dort: „In Ihrem Schreiben vom 27. d. M. haben Sie Mitteilung davon gemacht, daß Ihnen bei den Pariser Verhandlungen von den Experten anderer Länder entgegengehalten worden sei, Deutschland habe sich bereits vor Beginn der Konferenz zu einer Annuität von 2 Mio RM bereit erklärt. Sie haben weiter mitgeteilt, daß der Reparationsagent, Herr Gilbert, derjenige sei, der diese Auffassung den Vertretern der anderen Länder übermittelt habe. Herr Gilbert habe nämlich erklärt, daß er bei den amtlichen Stellen in Berlin niemals einen Zweifel darüber gelassen habe, daß eine Reparationslösung auf der Konferenz nur bei einer Annuität von 2–2,2 Mrd. zu erreichen sei. – Ich habe diese Mitteilung unverzüglich zur Kenntnis der beteiligten Herren RM gebracht und habe angesichts der großen Bedeutung, die Sie der Angelegenheit erklärlicherweise beimessen, eine eingehende mündliche Aussprache darüber herbeigeführt. Auf Grund dieser Feststellung kann ich Ihnen nur mitteilen, daß die Erklärung des Herrn Gilbert unrichtig ist.“ Der weitere Text entspricht dem der Ausfertigung. (R 43 I /277 , Bl. 167 f.). Nach einstündigem Gespräch zwischen Pünder und Stresemann, von dem „verschiedene Formulierungen“ stammen, wurde der Text des Reinkonzepts geschrieben (Vermerk Pünders vom 30.4.29; R 43 I /277 , Bl. 169). Abschriften dieses Schreibens und des Schreibens Schachts vom 27. 4. erhielten Curtius, Hilferding, Stresemann und Wirth.

2

Siehe Dok. Nr. 184.

3

Siehe Anm. 3 zu Dok. Nr. 130.

4

Im ersten Entwurf Pünders lautete dieser Satz: „Es ist den Herren RM gänzlich unerfindlich, bei welcher Gelegenheit Herr Gilbert in der Lage gewesen wäre, der RReg. oder einzelnen ihrer Mitglieder auch nur einigermaßen authentische Zahlenangaben über die Reparationsforderungen zu machen, auf welche die Reparationsgläubiger sich geeinigt hätten und durch deren ausführliche oder stillschweigende Hinnahme eine amtliche Stelle diese Zahl als Vorbedingung für das Zustandekommen der Konferenz anerkannt hätte“ (R 43 I /277 , Bl. 167 f.).

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