1.151 (str2p): Nr. 265 Der Reichsarbeitsminister an den Reichsfinanzminister. 16. November 1923

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RTF

Nr. 265
Der Reichsarbeitsminister an den Reichsfinanzminister. 16. November 1923

R 43 I /2028 . Bl. 330–332 Durchschrift

Betrifft: Geldmittel für die Erwerbslosenfürsorge im besetzten Gebiet. […]

Ich lege Wert darauf, noch einmal wie schon gestern in der Besprechung im Reichsfinanzministerium1 klarzustellen, weshalb meine Anforderungen[1103] für die Erwerbslosenfürsorge des besetzten Gebietes sehr wesentlich über die Beträge hinausgehen mußten, die gestern im Reichskabinett errechnet worden sind2. Meine Berechnung vom 13. November3 geht nicht von einem Goldmarkbetrage, sondern von den Papiermarkbeträgen aus, in denen die Erwerbslosenunterstützung festgesetzt wird und bisher auch im besetzten Gebiete noch ausgezahlt worden ist. Diese Papiermarkbeträge sind, soweit sie sich für diese und für die nächste Woche abschätzen lassen, nach dem Rechnungsverhältnis vom 13. November in Goldmark umgewandelt worden, weil nach den Erklärungen Ihres Ressorts die ganze Summe in einem Betrage und unverzüglich ausgeschüttet werden sollte. Dabei ergab sich ein äußerster Mindestbedarf von 140 Goldmillionen für 10 Tage. Dieser Betrag mußte sich bei vorsichtiger Schätzung auf 200 Goldmillionen erhöhen. Daneben war auf Anregung aus Ihrem Ressort ein weiterer Betrag in Aussicht genommen, der meinen Kommissaren bei den Wirtschaftlichen Außenstellen zur Ausgleichung besonderer Härten zur Verfügung gestellt werden sollte. Diesen Betrag hatten meine Bearbeiter auf 100 Goldmillionen eingeschätzt.

Die 50 Goldmillionen, die gestern im Kabinett errechnet worden sind4, entsprechen zwar in etwa dem Goldwert aller Zahlungen, die bestimmungsgemäß im Laufe von zwei Wochen an rund 2 Millionen Erwerbslose zu leisten sind. Da es aber nicht möglich ist, den Goldwert der Beträge, die Sie mir überweisen, bis zu der Auszahlung an die Erwerbslosen aufrechtzuerhalten, ist der Bedarf durch eine erste Überweisung von 50 Goldmillionen keinesfalls zu decken. Auch wenn Sie, was ich lebhaft begrüße, meine Anforderung nicht in Papiermark, sondern in einer festen Währung erfüllen, bleibt immer noch der Wertverlust, den die Zahlungen auf ihrem Wege durch das besetzte Gebiet erleiden. Denn ich gehe mit Ihnen davon aus, daß es nicht angängig ist, durch die öffentliche Hand Rentenmark in das besetzte Gebiet gelangen zu lassen und damit der Beschlagnahme auszusetzen, während andererseits wertbeständiges Geld den Gemeinden regelmäßig nicht in ausreichender Menge zur Verfügung steht. Unter diesen Umständen muß es sehr zweifelhaft erscheinen, ob es tatsächlich möglich ist, auch mit den 88 Goldmillionen, die Sie mir in wertbeständiger Form überweisen wollen, dem dringendsten Bedarf der Erwerbslosenfürsorge für die Dauer von 18–20 Tagen zu genügen, wie das Kabinett das erwartet, und ob es deshalb angängig ist, für die politischen Entscheidungen, die notwendig sind, mit dieser Frist zu rechnen. Ich will versuchen, den Goldwert der wertbeständigen Zahlungen, die Sie mir machen, dadurch zu erhalten, daß ich sie, soweit es irgend angeht, nicht für Unterstützungen im besetzten Gebiet verwende, sondern für den Ankauf von Lebensmitteln außerhalb[1104] des Gebietes, die den Erwerbslosen im Gebiete zugute kommen. Es liegt aber auf der Hand, daß sich das bei den völlig zerrütteten Verhältnissen des besetzten Gebietes nur für einen Bruchteil der Erwerbslosen erreichen läßt. Ich habe jedenfalls unverzüglich Verhandlungen in diesem Sinne mit dem Herrn Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft und mit den beteiligten Ländern eingeleitet und darf auf Ihre Unterstützung bei meinen Bemühungen rechnen.

Abschrift dieses Schreibens habe ich dem Herrn Staatssekretär in der Reichskanzlei und den Herren Reichsministern mitgeteilt.

[…]5

Dr. Brauns

Fußnoten

1

Über diese Besprechung waren in R 43 I keine Unterlagen zu ermitteln.

2

S. Dok. Nr. 259, P. 3.

3

Der RArbM bezieht sich hier auf ein Schreiben an den RFM vom 13.11.23, von dem keine Abschrift in die Rkei gelangt ist.

4

Welcher Berechnungsvorgang der Summe von 50 Mill. M zugrunde liegt, ist weder im amtlichen Protokoll noch der Aufzeichnung Jarres’ über die Ausführungen Luthers am 15.11.23 (BA: NL Jarres  6) zu entnehmen. Im Übergangshaushalt ist für die Zeit vom 14.11.23 bis zum 31.3.24 eine Globalsumme von 340 Mill. M für die Erwerbslosenfürsorge eingesetzt ohne Differenzierung zwischen besetztem und unbesetztem Gebiet (BA: NL Jarres 6).

5

Der Abschrift ist als Zusatz beigefügt: „Ich weise auch Ihnen gegenüber besonders darauf hin, daß es mir nach wie vor sehr zweifelhaft erscheinen muß, ob es möglich ist, mit den 88 Goldmillionen, die der Herr Reichsminister der Finanzen zur Verfügung stellen will, über 10 Tage hinaus auszukommen, und daß ich es deshalb für gefährlich halte, bei den politischen Entscheidungen, die notwendig sind, mit einer längeren Frist zu rechnen.“ RegR Wienstein vermerkte auf der ersten Seite des Schreibens: „Das Reichskabinett hat in der Sitzung am 15. XI. 23 beschlossen, auf keinen Fall über den Betrag von 100 Millionen Mark (Rentenmark) für die Erwerbslosenfürsorge usw. des besetzten Gebiets hinauszugehen. Wie lange die in Frage kommenden Stellen mit diesem Gelde reichen, ob 10 Tage oder länger, wird nach den Darlegungen des Reichsministers der Finanzen Sache der verantwortlichen Stellen sein, die zu äußerster Sparsamkeit ermahnt worden sind.“

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