2.249.4 (bru1p): 2. Agrarpolitik.

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2. Agrarpolitik.

Der Reichskanzler führte aus, es bestehe die Gefahr, daß der Reichstag eine Ermächtigung zur freien Bestimmung der Zölle für die vorgesehenen Waren nicht beschließen würde, wenn sie vom Reichsministerium beschlossen und gefordert würde. Die Deutsche Volkspartei werde die Zölle auf Butter und Käse kaum mitmachen7.

Daß die Anträge vom Reichstag aus gestellt würden, dafür bestehe kaum Aussicht. Würde im Reichstag die Ermächtigung abgelehnt, ohne daß sich die Rechte daran beteilige, so wäre die Aufrollung der Front der Rechten von ungeheurer Bedeutung. Deswegen seien auch die Verhandlungen mit der Grünen Front besonders wichtig gewesen. Die Gefahr für die Ausfuhr nehme er nicht so schwer wie andere Mitglieder des Kabinetts. Insbesondere Holland sei mit großen Teilen seiner Produktion auf das deutsche Absatzgebiet angewiesen.

[908] Die Lage des Reichsarbeitsministers sei schwierig. Sachlich sei er mit ihm einig. Es sei bedenklich, die Beschlüsse zu fassen in einer Woche, in der bisher die Höchstzahl der Arbeitslosen erreicht sei8. Trotz dieser Bedenken bitte er, von den außenpolitischen Gefahren abzusehen. Wenn Holland tatsächlich Schwierigkeiten in der deutschen Ausfuhr mache, so habe er keine Bedenken, an die Reparationsfrage heranzugehen. Es werde nötig sein, sich intern darüber klar zu sein, daß von den Ermächtigungszöllen kein Gebrauch gemacht werden solle, sondern daß sie nur eine Sicherung gegen Überraschungen bedeuten würden. Der Landwirtschaft dürfe diese interne Einigung nicht bekanntwerden, andererseits sei sie für den Reichsarbeitsminister von großer Wichtigkeit. Zu erwägen sei, ob die Ermächtigung mit der Annahme des Genfer Handelsabkommens9 verkoppelt werden sollte. Für einen Teil der Sozialdemokratie würde dies entscheidend sein, ebenso die Ratifizierung des deutsch-polnischen Handelsvertrages10.

Auf einen Hinweis des Reichskanzlers erklärte der Reichsminister des Auswärtigen er habe dem holländischen Außenminister sehr deutlich seine Meinung gesagt, als dieser gegen die deutschen Maßnahmen scharf Stellung genommen habe. Von der unfreundlichen Rede des holländischen Gesandten sei ihm nichts bekannt gewesen. Er werde ihn ersuchen, Äußerungen dieser Art zu unterlassen. Es sei zu erwägen, ob die Ermächtigung für bewegliche Zölle nicht möglichst allgemein gestaltet werden möchte. Der Reichstag solle von Mitte März bis November vertagt werden. In der Zwischenzeit seien auch handelspolitische Maßnahmen zu treffen. Auch für diese müsse eine allgemeine Ermächtigung vorgesehen werden, um die Handelsvertragspolitik beweglicher zu gestalten als bisher.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft schilderte die psychologische Verfassung der Landwirte. Die Grüne Front sei noch vernünftig. Die übrigen Landwirte wären bis zum Bolschewismus aufgereizt. Die vernünftigen Elemente könnten nur noch durch weitestgehende Maßnahmen bei ihrem ruhigen Standpunkte gehalten werden. Mehrfach sei schon die Revolution angedroht worden.

199 Abgeordnete ständen bestimmt hinter der Regierung. SPD und Kommunisten zählten zusammen 22011. Wenn die Deutschnationale Volkspartei sich an einer Durchbringung des Agrarprogramms nicht beteilige, dann bestehe für sie die Gefahr erneuter Zersplitterung.

Die Nationalsozialisten würden nicht mitarbeiten. Aber die Deutschnationalen würden es nicht aushalten, fernzubleiben.

Ein Durchschnittspreis von 170 RM für den Zentner Butter würde die Unkosten rationeller Betriebe gerade decken. Er dürfe nicht bekanntgegeben werden, sondern sei intern festzuhalten. Der Schmalzpreis sei von 155 auf[909] 96,30 RM für den Doppelzentner gefallen. Vor dem Kriege habe er 112 RM betragen.

Der Reichsarbeitsminister stimmte den Ausführungen des Reichskanzlers zu. Er fürchte, daß auch der Arbeiterflügel des Zentrums den Vorschlägen der Regierung nicht zustimmen werde. Der Abgeordnete Ersing hätte ihm erklärt, wenn er als Reichsarbeitsminister diese Vorschläge billige, dann könne er ihn nicht mehr unterstützen.

Er hoffe, die Arbeitslosenversicherung reformieren zu können, hätte aber keinen Boden mehr in der Arbeiterschaft, wenn die Zollmaßnahmen getroffen würden.

Reichsminister Treviranus erinnerte daran, daß die SPD die Weizen- und Roggenrichtpreise seinerzeit angenommen habe. Er setzte sich für einen Richtpreis für Butter ein, der nur innerhalb des Kabinetts bekannt sein dürfe. Auch erhöhten Butterzoll würden die Dänen unterbieten. Die Opposition befinde sich jetzt bereits in schwieriger Lage. Es dürfe ihr nicht die Möglichkeit gegeben werden zu erklären, die Entscheidungen hingen von ihr ab.

Bei Schmalz könne auf den Wegfall der Zwischenzölle verzichtet werden mit der Begründung, daß dies mit Rücksicht auf die Arbeitslosen geschähe. Im übrigen müsse die Veredlungsproduktion geschützt werden.

Staatssekretär Dr. Trendelenburg glaubte, daß die Kombination der Ermächtigung mit der Annahme des Genfer Handelsabkommens bei Käse und anderen Waren Beruhigung schaffen, bei Butter aber die Beunruhigung vermehren würde. Holland würde dem Genfer Handelsabkommen dann nicht beitreten.

Er halte eine allgemeine Ermächtigung für Gleitzölle für möglich.

Staatssekretär Joël führte aus, ohne Verfassungsänderung sei eine Delegation der Gesetzgebungsgewalt nur in eng begrenztem Maße möglich. Darüber hinaus bedürfe es eines verfassungsändernden Ermächtigungsgesetzes.

Der Reichskanzler beauftragte die zuständigen Reichsministerien, die Frage sofort zu prüfen, inwieweit allgemeine Ermächtigungen zur Festsetzung von gleitenden Zöllen und zu handelsvertraglichen Vereinbarungen möglich seien12.

Die Verhandlung wurde dann abgebrochen. Sie wurde abends 7.30 Uhr in der Reichskanzlei fortgesetzt.

Fußnoten

7

In der RT-Debatte am 25.2.31 unterstützte der DVP-Sprecher Meyer zu Belm die Politik des REM (RT-Bd. 445, S. 1216 –1218), und die DVP-Abg. Matz beklagte am 26. 2. die erhöhte Einfuhr von ausländischer Butter und ausländischem Käse (RT-Bd. 445, S. 1265 ).

8

Vgl. Dok. Nr. 247, Anm. 15.

9

Vgl. Dok. Nr. 190, P. 8.

10

Vgl. Dok. Nr. 24, P. 2.

11

Der REM rechnete mit den Stimmen des Z, der DVP, WP, BVP, DStP, der ChrSVD-Fraktion und Angehörigen des Dt. Landvolks.

12

S. dazu Dok. Nr. 250.

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