1.239 (bru2p): Nr. 491 Aktennotiz des Staatssekretärs Meissner über den Empfang des Französischen Ministerpräsidenten und des Französischen Außenministers beim Reichspräsidenten am 28. September 1931

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Nr. 491
Aktennotiz des Staatssekretärs Meissner über den Empfang des Französischen Ministerpräsidenten und des Französischen Außenministers beim Reichspräsidenten am 28. September 1931

R 43 I /69 , Bl. 163–167 Durchschrift

Der heutige Besuch des Französischen Ministerpräsidenten Laval und des Französischen Außenministers Briand, die vom Französischen Botschafter in Berlin, François-Poncet, begleitet waren, verlief in beiderseits betonter Höflichkeit und dauerte etwa über 15 Minuten1.

Im Auftrage des Herrn Reichspräsidenten habe ich die Herren an der Schwelle des Hauses empfangen und begrüßt und durch den Gartensalon zum Herrn Reichspräsidenten geleitet. Der Herr Reichspräsident kam den französischen Staatsmännern bis in die Mitte des Nebenzimmers entgegen; dort stellte der Botschafter François-Poncet die beiden Herren vor. Der Herr Reichspräsident begrüßte sie sowie den Botschafter mit Händedruck und den Worten: „Ich empfinde es mit Genugtuung, daß ich Sie in Berlin sehen und bei mir begrüßen kann, und danke Ihnen für diese Aufmerksamkeit.“ Der Herr Reichspräsident bat die Herren dann, Platz zu nehmen und begann die Unterhaltung, indem er ausführte, er sei alter Soldat und werde daher nicht viel über Politik reden; aber er begrüße den Besuch der französischen Staatsmänner in Berlin als einen Fortschritt auf dem Wege der Verständigung. Die wirtschaftliche Not hat in Deutschland den höchsten Grad erreicht; die Weltkrisis erfaßt immer weitere Länder. Diese Übelstände können nur noch durch gemeinsame Arbeit der Völker beseitigt werden. Hierbei sind Deutschland und Frankreich berufen, eine große Rolle zu spielen.

[1752] LavalLaval erwiderte darauf, daß er als Chef der französischen Regierung nur erklären könne, daß die französische Regierung den ehrlichen Willen zu einer Verständigung und zu einer Zusammenarbeit habe, und daß sie überzeugt sei, daß diese Zusammenarbeit einen Fortschritt für die Welt bedeute. Er könne hinzufügen, daß die französische öffentliche Meinung fast einstimmig den Gedanken der Verständigung mit Deutschland begrüße; es wolle ihm scheinen, daß die deutsche öffentliche Meinung nicht so einheitlich hinter der Verständigungspolitik stände, und daß sich eine gewisse Gegnerschaft gegen diese Idee zeige; aber er hoffe, daß die praktische Arbeit des Deutsch-Französischen Komitees, das man gestern und heute geschaffen habe, einer Entspannung dieser Gegnerschaft dienen werde.

BriandBriand fügte hinzu, daß er diesen Besuch in Berlin begrüße als eine große Etappe auf dem Wege der von ihm immer verfolgten Politik der Annäherung an Deutschland und der Zusammenarbeit.

Der Herr Reichspräsident erwiderte zunächst an Laval: Der Deutsche sei politisch weniger temperamentvoll als der Franzose. Er hoffe aber, daß das reichhaltige Programm der Ministerbesprechungen bereits praktische Ergebnisse zeitigen werde. Er hoffe, daß eine Entspannung eintreten und sich ein freundnachbarliches Verhältnis zwischen beiden Völkern herausbilden werde, das ihnen zum Segen gereichen möge. Allerdings und selbstredend – so betonte der Reichspräsident mit Nachdruck – unter gegenseitiger Wahrung ihrer Würde und Ehre.

LavalLaval stimmte dem zu. Das sei selbstverständliche Voraussetzung.

Der Herr Reichspräsident erklärte dann im weiteren Verlauf der Unterhaltung, daß er die Gelegenheit gern benutzen wolle, um mit Anerkennung der Arbeit zu gedenken, die der Botschafter de Margerie in seiner langjährigen Tätigkeit hier unter schwierigen Verhältnissen mit Takt, Würde und Verständnis geleistet habe. Er sei überzeugt, daß der neue Herr Botschafter, der eine gründliche Kenntnis Deutschlands mitbrächte, im selben Sinne mit Vorteil weiterarbeiten werde.

(BriandBriand nickte bei der Erwähnung der Arbeit de Margeries wiederholt dankend mit dem Kopf.)

Der Herr Reichspräsident fuhr dann fort: Er wolle bei dieser Gelegenheit auch aufrichtig danken dafür, daß die französische Regierung loyal für die Erhaltung der deutschen Kriegergräber auf französischem Boden sorge und mit deutschen Stellen zur Pflege der Kriegergräber gut zusammenarbeite.

LavalLaval erwiderte darauf, daß das eine selbstverständliche Pflicht Frankreichs sei.

Der Herr Reichspräsident leitete dann die Unterhaltung weiter auf die persönlichen Verhältnisse Briands und Lavals, fragte, ob die Reise für Herrn Briand nach seiner Krankheit nicht zu anstrengend gewesen sei2, fragte Laval[1753] nach seiner Heimat, die auch die Heimat des eigentlichen Begründers Frankreichs, Vercingetorix, gewesen sei3, und fragte zum Schluß, ob die Herren mit der Unterkunft im Hotel Adlon zufrieden wären. Beide Herren erwiderten lebhaft, das Hotel Adlon sei eine der ausgezeichnetsten Hotels, die sie kennengelernt hätten; sie seien mit der Unterkunft vollkommen zufrieden.

Der Herr Reichspräsident betonte dann weiter, man dürfe aus dem gewissen Luxus und den Personen, die man im Adlon antreffe, nun nicht schließen, daß das in Deutschland überall so wäre. Es sei tatsächlich große Not vorhanden, die auch auf der Straße in Erscheinung trete, namentlich durch die Arbeitssuchenden und auch durch Bettler.

Der Botschafter François-PoncetFrançois-Poncet erwiderte, er bekäme täglich Bittgesuche aus der Bevölkerung um Arbeit oder um Unterstützung und sei überzeugt, daß in vielen Kreisen große Not herrsche.

Ministerpräsident LavalLaval sagte, er habe gestern auch eine Zuschrift von einem einfachen Manne aus dem Volke bekommen, der zwei Taschenbücher von französischen Soldaten seinem Schreiben beifügte, die er im Kriege bei der Beerdigung von Gefallenen an sich genommen habe. In diesem Briefe sei mit sehr schlichten, aber herzlichen Worten die Hoffnung auf deutsch-französische Verständigung ausgedrückt; es sei ein sehr einfaches, aber sehr rührendes Schreiben gewesen.

Der Herr Reichspräsident wünschte dann den Herren für ihren Aufenthalt in Berlin alles Gute, insbesondere etwas mehr Wetterglück.

LavalLaval schloß die Unterhaltung dann ab, indem er in deutlicher Betonung sagte, sein und Herrn Briands Besuch beim Herrn Reichspräsidenten solle den ehrlichen Willen Frankreichs bekunden, mit Deutschland zu einer Aussöhnung und Verständigung zu kommen.

Der Herr Reichspräsident begleitete dann die Herren bis an die äußere Tür des Gartensaales und verabschiedete sich dort. Ich geleitete sie dann weiter bis vor das Portal.

Vor und während des Besuchs hatte sich eine erhebliche Menschenmenge in der Wilhelmstraße angesammelt, die bei der Anfahrt der französischen Staatsmänner sich ruhig verhielt; bei der Abfahrt grüßten die meisten durch Abnahmen der Kopfbedeckung, und es wurden auch zahlreiche Hoch-Rufe laut.

Berlin, 28. September 1931

Meissner

Fußnoten

1

StS Meissner hatte der Rkei am 28.9.31 eine Durchschrift der Aktennotiz übersandt (Anschreiben Meissners in R 43 I /69 , Bl. 162). Mit dem Besuch beim RPräs. war einem ausdrücklichen Wunsch Lavals und Briands entsprochen worden (Vermerk des StS v. Bülow vom 23.9.31, Nachl. Pünder Nr. 53).

2

S. Dok. Nr. 442, P. 2. Vgl. auch Curtius, 6 Jahre Minister der dt. Republik, S. 225: „Nach dem Empfang beim Reichspräsidenten von Hindenburg, der selbst 84 Jahre alt war, äußerte dieser zu Staatssekretär Meissner, als er die Herren bis zum Wagen begleitet hatte: ‚Ich mache mir Sorge, ob der alte Herr – Briand (68 Jahre) – die Strapazen aushält.‘ Tatsächlich ist Briand ja schon fünfeinhalb Monate darauf gestorben.“

3

Laval stammte aus Chateldon (Puy-de-Dome) in der Auvergne.

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