1.26 (bru2p): Nr. 278 Der Reichsarbeitsminister an den Reichskanzler. 31. März 1931

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Nr. 278
Der Reichsarbeitsminister an den Reichskanzler. 31. März 1931

R 43 I /2426 , Bl. 317

[Zollvorlage des Reichsernährungsministers]

Sehr geehrter Herr Reichskanzler!

Vor meiner Reise erkläre ich nochmals, daß ich es ablehnen muß, daß am Donnerstag, dem 27. März, ein Zollermächtigungsgesetz gegen die Sabotage des größten Teils der landwirtschaftlichen Vertreter im Reichstag verabschiedet wurde1 und am Dienstag, dem 31. März, diese Zollermächtigung – mit Ausnahme von Butter – ohne innere sachliche Notwendigkeit schon restlos ausgeschöpft werden soll2. Das ist agitatorische Agrarpolitik, die die Gesamtpolitik der Reichsregierung auf das Allerschlimmste gefährden muß. Ich finde mich damit ab, daß von der Ermächtigung für Schweine (Fleisch), Gänse und Hafer Gebrauch gemacht wird und alle anderen Dinge erledigt werden mit dem Gesamtprogramm der Reichsregierung im Mai. Für einen Schweinezoll von 36, äußerstenfalls auch 40 RM würde ich stimmen, wenn seitens der Gesamtregierung die Verpflichtung eingegangen wird, daß durch Reich und Länder in der Spannenfrage Entscheidendes geschieht. Praktisch steht die Sache so, daß der Ernährungsminister die entgegengesetzte Politik macht, die der[1011] Arbeitsminister zu betreiben gezwungen ist. Wenn man sagen kann, ich habe in der Getreidefrage den deutschen Preis vom Weltmarkt abgehängt und bin im Begriffe, im Veredelungsverkehr dasselbe zu tun, dann ist es leicht, Ernährungsminister zu spielen. Wenn Schiele auf der ganzen Linie seinen stark von agitatorischen Gesichtspunkten bestimmten Willen durchsetzt und die übrigen Minister in diesen schwierigen Fragen sich ihm gleichsam wie Kreaturen fügen müssen, so möchte ich schon jetzt bitten, daß auch die Grüne Front den Arbeitsminister stellt und Agrarpolitik, Ernährungspolitik, Lohnpolitik und Sozialpolitik selbst gegenseitig abstimmt. Eine Agrarpolitik, für die der Reichsarbeitsminister im Zeitalter von 5 Millionen Arbeitslosen die ganze Zeche bezahlen soll, kann ich nicht mehr weiter mitmachen3.

Mit vorzüglicher Hochachtung

bin ich

Stegerwald

Fußnoten

1

Die Abstimmung über das Zolländerungsgesetz hatte am Donnerstag, den 26. 3., stattgefunden (RT-Bd. 445, S. 2044 ). Dt. Landvolk, ChrSVD, KVP, Volksnat. Vereinigung und Dt. Bauernpartei hatten dem GesEntw. geschlossen zugestimmt (RT-Bd. 445, S. 2059 –2060). DNVP und NSDAP hatten, wie alle RT-Sitzungen seit dem 10.2.31, auch die Sitzung vom 26. 3. boykottiert (vgl. Dok. Nr. 234, Anm. 6).

2

S. Dok. Nr. 277, P. 1. Das Schreiben wurde vom RK abgezeichnet. Es ist aus den Akten der Rkei nicht ersichtlich, ob der RArbM eine schriftliche Antwort erhalten hat.

3

Über die latente Kabinettskrise berichtete StS Pünder in einem Schreiben an StS Meissner vom 4.4.31: „[…] Da Sie an der letzten Ministerbesprechung teilgenommen haben, brauche ich auf deren Verlauf nicht mehr zurückzukommen. […] Ich vermute fast, daß Herr Minister Schiele in der bevorstehenden Osterwoche während der Abwesenheit des Herrn Reichskanzlers die Dinge sachlich und zeitlich in seinem Sinne zu beeinflussen suchen wird. Aus diesem Grunde sende ich Ihnen diese rein privaten Zeilen, zu denen ich einen Auftrag seitens des Herrn Reichskanzlers nicht habe. Ganz vertraulich möchte ich Ihnen jedenfalls mitteilen, daß der Herr Reichskanzler mit dem Vorgehen des Herrn Reichsministers Schiele keineswegs in allen Punkten einverstanden ist. Er war bis zum letzten Augenblick sehr dagegen, daß diese Dinge absolut noch vor Ostern im Kabinett erledigt werden mußten, so daß ihm, dem Reichskanzler, keine Zeit geblieben ist, namentlich auf die Reichsminister Dietrich und Stegerwald einzuwirken. […] Kurz vor seiner [Brünings] Abreise sagte er mir noch, daß er um der taktischen Methoden des Herrn Reichsernährungsministers willen nicht geneigt sei, sich von den wichtigsten Kabinettsmitgliedern (Dietrich und Stegerwald) trennen zu wollen. Tatsächlich liegen auch nach meiner Beobachtung die Dinge so, daß äußerst behutsam vorgegangen werden muß, um nach dieser Richtung hin nicht große politische Schwierigkeiten heraufziehen zu lassen. Lediglich aus dieser großen Sorge heraus erlaubte ich mir diese Zeilen, um über die in unserem Hause herrschenden Stimmungen und Ansichten aufzuklären. Verwendung bei dem Herrn Reichspräsidenten stellte ich selbstverständlich ganz ergebenst anheim“ (Abschrift in R 43 I /2426 , Bl. 318–320).

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