2.20.1 (feh1p): [Unterzeichnung des Entwaffnungsprotokolls von Spa]

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[Unterzeichnung des Entwaffnungsprotokolls von Spa]

Herr Minister Simons legt noch einmal kurz das Ergebnis der gestrigen Konferenzsitzung dar, wie es in der schriftlich überreichten Formulierung der Bedingungen der Entente seinen Niederschlag gefunden hat1. Es handelt sich nunmehr um die Frage: sollen die deutschen Delegierten unterschreiben oder nicht. Dazu sei ergänzend das folgende zu bemerken: die in Berlin zusammengerufenen Führer der Parteien, [die] Reichsratsmitglieder sowie vor allem die in Berlin verbliebenen Mitglieder des Kabinetts hätten depeschiert, daß zwar die schärfsten Bedenken gegen das Unterschreiben bestünden, daß insbesondere die Androhung des Einmarsches nach den vorhergegangenen Verhandlungen über Scapa Flow unannehmbar sei, daß die letzte Entscheidung jedoch den in Spa anwesenden Delegierten überlassen bleibe2. Inzwischen habe nun eine Besprechung zwischen ihm (Minister Simons) und dem Generalsekretär der Konferenz (Rolin-Jacquemyns) stattgefunden; dabei sei letzterem dargelegt worden, daß, falls sich die deutsche Delegation zur Unterschrift entschließen könne, letztere jedenfalls nicht die Androhung des Einmarschs decken werde; denn diese Androhung sei gegen den Friedensvertrag, ändere daher letzteren ab und eine Unterzeichnung dieses Punktes überschreite daher schon rein formal die Vollmacht der deutschen Delegation. Wenn überhaupt unterschrieben werde, sei erste Voraussetzung, daß dem Protokoll eine Fassung gegeben werde, derzufolge die Unterschrift nicht unter der „sanction“ stehe. Der Generalsekretär habe das eingesehen und in Aussicht gestellt, das seinige zu tun.

Herr Minister Geßler legt dar, daß er es für notwendig halte zu unterschreiben. Über die Unannehmbarkeit der „sanction“ und die Notwendigkeit des Protests bestände allgemeines Einverständnis. Er selber müsse allerdings aus politischen und persönlichen Gründen zurücktreten. Er habe sich für das 200 000-Mann-Heer zu stark in der Öffentlichkeit festgelegt. Außerdem enthalte[52] das Diktat der Alliierten die Verpflichtung zum Bürgerkrieg, diesen könne kein politischer Minister durchführen, das könne nur ein General mit außerordentlichen Vollmachten tun.

Herr Geßler erklärt sich jedoch auf den Hinweis, daß die einstimmige Haltung des Kabinetts und seine Zustimmung die erste Voraussetzung und die letzte Chance für ein Gelingen bei der Ausführung bilde, bereit, die Frage seines Rücktritts zurückzustellen bis nach Vertretung der Sache im Reichstage.

Herr Minister Scholz erklärt, daß er persönlich unter keinen Umständen zustimmen könne, es müsse eine Form gefunden werden, die ihm das unauffällige Ausscheiden aus dem Kabinett erleichtert. Er erklärt jedoch auf den Vorhalt, daß sein Ausscheiden politisch nicht erträglich sei und den Weg für Verhandlungen über die wirtschaftlichen Angelegenheiten verschließe, daß er, dem Appell an sein Pflichtgefühl folgend, sich im gleichen Sinne wie Herr Geßler entscheide.

Für die Entscheidungen der beiden Herren waren im wesentlichen die folgenden Ausführungen des Ministers Simons maßgebend:

Die Durchführbarkeit des jetzigen Diktats der Entente hänge von der Aufrechterhaltung der Ruhe in Deutschland ab. Falle diese Voraussetzung weg, so läge „force majeure“ vor, und Deutschland sei von seiner Verpflichtung nach allgemeinem internationalen Recht frei. Ferner müsse die militärische Frage erst aufgeklärt sein, dann erst könne man an die wirtschaftlichen Fragen herantreten. Stimme man den militärischen Forderungen nicht zu, so verschließe man gerade die Chance für die wirtschaftliche Verständigung, die alle Herren einstimmig für den wesentlichsten Teil der Regelung auf der Konferenz in Spa betrachteten. Würde das Wirtschaftliche geregelt, so würde das Interesse der Alliierten an der Durchführung des Finanz- und Wirtschaftsprogramms den Druck der wirtschaftlichen Bedingungen von selbst abschwächen. Augenblicklich aber stünden französische und englische Truppen an der Grenze zum sofortigen Einmarsch. Nach einem halben Jahr sei dieser Druck in keinem Falle mehr in dieser Weise möglich.

Minister Heinze erklärt, daß für ihn das einstimmige Votum der Delegierten, die an der Konferenzsitzung teilgenommen hätten, maßgebend sei. Diesem Votum unterwerfe er sich. Es käme darauf an, Zeit zu gewinnen. Er stimme daher für Unterzeichnen unter der Voraussetzung einmütiger Entschließung des Kabinetts.

Nachdem Minister Severing noch die Entwaffnung der Bevölkerung innerhalb sechs Monaten als durchführbar bezeichnet hat, weil durch das Diktat der Entente eine neue Situation geschaffen sei, werden die für die heutige Konferenzsitzung bestimmten Delegierten ausdrücklich zur Unterzeichnung der Bedingungen und der Fristsetzung seitens der Alliierten unter der Voraussetzung ermächtigt, daß gegen die „sanction“ ausdrücklich Protest erhoben und eine Form gefunden wird, wonach die Unterschrift nicht die „sanction“ decke3.

Fußnoten

1

Vgl. Dok. Nr. 19, Anm. 1.

2

Vgl. Dok. Nr. 19.

3

Am 9.7.1920 wurde das Entwaffnungsprotokoll von Fehrenbach und Simons unterzeichnet. In das Protokoll wurde eine Erklärung der dt. Vertreter aufgenommen, daß die dt. Regierung von der Entscheidung der Alliierten Kenntnis genommen habe und sich verpflichte, die Bestimmungen, soweit sie die dt. Regierung angingen, getreulich durchzuführen (RT-Drucks. Nr. 187, Bd. 363 , Anlage 7). Mit dieser Erklärung wurde nach Ansicht der dt. Vertreter klargestellt, daß die Sanktionsklausel des Protokolls durch die dt. Unterschrift nicht gedeckt sei (StS Albert vor dem Haushaltsausschuß des RT am 10.7.1920, Schultheß 1920, I, S. 191).

Am 12.7.1920 erschien in der DAZ eine amtliche Veröffentlichung zu dem Entwaffnungsprotokoll vom 9.7.1920. In dieser Veröffentlichung wurde festgestellt, daß Dtld. die ihm durch das Protokoll auferlegten Verpflichtungen erfüllen werde, daß aber aus der Unterschrift nicht das Einverständnis mit weiteren Besetzungen angenommen werden könne (RT-Drucks. Nr. 187, Bd. 363 , Anlage 8).

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