2.167 (feh1p): Nr. 167 Das Reichsbankdirektorium an den Reichskanzler. 1. Februar 1921

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[446] Nr. 167
Das Reichsbankdirektorium an den Reichskanzler. 1. Februar 1921

R 43 I /630 , Bl. 46–49

[Betrifft: Änderung des Bankgesetzes]

Im Anschluß an die Unterredung des unterzeichneten Vizepräsidenten mit Herrn Staatssekretär Albert über die wachsenden Schwierigkeiten, welche die Aufrechterhaltung der sogenannten Bardeckung gemäß § 17 des Bankgesetzes bereitet1, beehren wir uns, anbei einen Gesetzentwurf, betreffend Änderung dieses Gesetzes, nebst Begründung zu überreichen2 und hierzu folgendes vorzutragen:

Schon bei der Beratung des Bankgesetzes im Jahre 1875 war man sich darüber klar, daß die Tätigkeit einer Notenbank von so viel qualitativen Momenten abhängt, daß eine mechanische Bindung an rein quantitative Faktoren nicht möglich ist und die Einhaltung der aufgestellten Deckungsvorschriften ein ungestörtes Wirtschaftsleben voraussetzt.

Zeiten schwerer Krisen haben in der Tat in verschiedenen Ländern wiederholt zur Suspendierung oder Modifizierung der Bankakte geführt, um der Landesnotenbank eine erhöhte, den gesteigerten Ansprüchen der Zeit entsprechende Leistungsfähigkeit zu sichern.

So hat denn auch bei Kriegsausbruch das Darlehnskassengesetz vom 4. August 1914 (RGBl. S. 340 ) in § 2 Abs. 2 eine Gleichstellung der neuen Zahlungsmittel mit den Reichskassenscheinen vorgesehen, die die Reichsbank berechtigte, ihre Bestände an Darlehnskassenscheinen in die sogenannte Bardeckung, die mindestens ein Drittel des Gesamtnotenumlaufs ausmachen soll, einzubeziehen3. Diese Erweiterung des engen Kreises der Deckungsmittel erschien gerechtfertigt, denn die neu geschaffenen Umlaufsmittel verpflichteten ebenso wie die Reichskassenscheine das Reich, für dessen Rechnung die Darlehnskassen betrieben wurden. Es konnte außerdem darauf hingewiesen werden, daß neben der Einlösungspflicht des Reichs die Darlehnskassenscheine noch eine[447] weitere Sicherstellung genossen durch die Personalhaftung des Darlehnsschuldners und die Realhaftung des Unterpfandes sowie durch den zur Einlösung der Scheine bestimmten, nicht unbeträchtlichen Reingewinn der Kassen.

Die erfolgreichen Bemühungen der Reichsbank während der ersten Kriegsjahre, ihre Goldbestände zu vermehren, gestatteten ihr, ungeachtet des starken Anwachsens des Papiergeldumlaufs, noch während mehr als 2er Jahre die vorgeschriebene Dritteldeckung in Metall bereitzustellen. Ende 1916 mußte bei einem Notenumlauf von ca. 8 Milliarden zum ersten Mal zum Nachweise der gesetzlichen Deckungsziffer auf die Darlehnskassenscheine zurückgegriffen werden.

Die Entwicklung der Verhältnisse mit ihrer wachsenden Papiergeldflut hat im weiteren Verlauf des Krieges dazu geführt, daß die Einhaltung der formalen Deckungsvorschriften auch in der seit dem 4. August 1914 geltenden Fassung mehr und mehr auf Schwierigkeiten stieß. Da eine Verbreiterung der schmalen Metallbasis über ein gewisses Maß hinaus nicht möglich war, blieben als ausdehnungsfähiger Bestandteil der Bardeckung im Sinne des § 17 B.G. [Bankgesetz] nur die Darlehnskassenscheine übrig, deren Ausgabebetrag – in den Grenzen der Kontingentierung gemäß § 2 D.K.G. [Darlehnskassengesetz] Abs. 3 Satz 24 – von dem Darlehnsbestand der Darlehnskassen abhängig war. Wenn deshalb die Dritteldeckung aufrechterhalten werden sollte, und das erschien während des Krieges unbedingt geboten, so konnte es nur dadurch geschehen, daß die Darlehnskassen ihre Geschäfte entsprechend auszudehnen suchten und daß u. a. die Befriedigung der großen, in die Milliarden gehenden Kreditansprüche der Gemeinden, Bundesstaaten und bundesstaatlichen Geldinstitute sowie der kriegswirtschaftlichen Organisationen über die Darlehnskassen geleitet wurde. Trotzdem würde auf die Dauer der Darlehnsbestand der Darlehnskassen nicht genügt haben, die erforderlichen Darlehnskassenscheine als Deckungsmittel zur Verfügung zu stellen, wenn nicht die Preußische Staatsbank (Seehandlung) auf Wunsch der Reichsbank große Kredite, deren sie an und für sich nicht bedurfte, entnommen hätte, um die auf diesen Entnahmen beruhenden Darlehnskassenscheine der Reichsbank als Notendeckungsmittel zu überlassen. Ein derartiger Zustand, der naturgemäß nur ein Notbehelf für eine Zeit sein konnte, läßt sich nicht länger aufrechterhalten. Die ganze Verknüpfung der Dritteldeckung mit den Darlehnskassenscheinen war seinerzeit unter ganz anderen Voraussetzungen beschlossen worden und überhaupt nur als Kriegsmaßnahme gedacht. Die durch den Gang der Dinge erzwungene Steigerung der Ausleihungen unter dem Gesichtspunkte der Gewinnung von Deckungsmitteln für den dreifachen Notenbetrag widersprach je länger je mehr dem wirtschaftlichen Zweck des D.K.G. und konnte nur solange vertretbar erscheinen, als es[448] den Kampf um die politische Existenz des Reiches galt, allenfalls noch für eine Übergangszeit, solange die Hoffnung bestand, daß ein Abbau der schwebenden Schuld die Aussicht auf Verringerung des Notenumlaufs und auf dessen Annäherung an den wirklichen Verkehrsbedarf eröffnen würde.

Der Krieg ist vorüber. Trotzdem mehren sich die finanziellen Ansprüche des Reiches an die Reichsbank in erschreckendem Maße; sie bedingen ein fast ununterbrochenes Anwachsen der Notenausgabe.

Der natürliche Darlehnszuwachs kann damit unmöglich Schritt halten. Überdies sieht sich die Preußische Staatsbank (Seehandlung) außerstande, auf die Rückzahlung der von ihr bei der Darlehnskasse entnommenen großen Darlehen länger zu verzichten. Es ist daher unerläßlich, mit dem seitherigen System der Notendeckung zu brechen und die Verbindung zu lösen, die zwischen der Vermehrung des Notenumlaufs und dem unabhängig von ihr sich entwickelnden Forderungsbestand der Darlehnskassen zur Zeit besteht.

Der an sich denkbare Ausweg, den gegenwärtigen Zustand unter Herabsetzung der Deckungsprozente aufrechtzuerhalten, ist nicht gangbar. Eine dem Bedürfnis entsprechende weitgehende Herabsetzung müßte den Kredit der Reichsbank und damit den Kredit der Reichsbanknote schwer schädigen. Eine geringfügige Herabsetzung aber würde keine dauernde Abhilfe schaffen und binnen kurzem zu weiteren Ermäßigungen nötigen, deren Feststellung im Wege der Gesetzgebung fort und fort Anlaß zur Beunruhigung der Öffentlichkeit gäbe.

Näher liegt der Gedanke, auf Grund der die Abänderung des Bankgesetzes bedingenden Lage eine völlige Neuordnung der Deckungsvorschriften überhaupt ins Auge zu fassen.

Die Entwicklung der Verhältnisse hat dahin geführt, daß die Reichsbank heute in einem früher nicht bekannten Umfange Deckungsmittel von anerkanntem Wert und internationaler Geltung besitzt, die sich nach dem Wortlaut des § 17 B.G. bei der Feststellung des Deckungsverhältnisses zur Zeit nicht in die sogenannte Bardeckung einrechnen darf, nämlich Devisen, Auslandsguthaben und Silberbarren. Alle diese Bestände sind Aktiva von unzweifelhaftem, jederzeit realisierbarem Werte, die im Ausland schon vor dem Kriege in den bankgesetzlichen Bestimmungen und in den Statuten verschiedener Notenbanken in gewissem Umfange als primäre Deckungsmittel zugelassen waren. Die formale Deckungsberechnung auf der alten Basis wird also der tatsächlichen Lage, wie sie heute besteht, schon aus dem Grunde nicht gerecht, weil sie wichtige, die Darlehnskassenscheine an internationaler Wertschätzung weit überragende Deckungsmittel außer Ansatz läßt. Dazu kommt, daß in der bilanzmäßigen, den Vorschriften des Bankgesetzes entsprechenden Berechnung des Goldbestandes von rund 1 Milliarde Mark gegenüber dem weit höheren, zur Zeit etwa das zwölffache betragenden Marktwerte des Goldes eine nicht zu unterschätzende Reserve liegt, die bei der Feststellung des Deckungsverhältnisses nicht zum Ausdruck gelangt.

Eine Neuregelung der Vorschriften über die Bardeckung, welche die vorerwähnten Aktiva für die Deckung nutzbar macht und der in dem tatsächlichen Wert des Goldes enthaltenen Reserve ziffernmäßig Ausdruck gibt, würde sich[449] sachlich rechtfertigen, ließe die noch immer bestehende starke Fundierung der Banknote klar in Erscheinung treten und wäre geeignet, den ungünstigen Eindruck, den eine Herabsetzung des Deckungsverhältnisses hervorrufen könnte, wieder auszugleichen.

Nichtsdestoweniger muß unseres Erachtens von einer solchen völligen Neuordnung abgesehen werden.

Sie widerrät sich schon mit Rücksicht auf die wechselnde Höhe der Devisenbestände und das starke Schwanken des Silberpreises und die fortgesetzte Veränderung des Goldwertes. Der Bewertung des Goldes nach seinem Marktpreise stehen überdies münzgesetzliche Vorschriften entgegen, deren Abänderung vom währungspolitischen Gesichtspunkt aus unangebracht erscheint. Aber auch abgesehen hiervon ließe sich die geplante Neuordnung nur Hand in Hand mit einer Sanierung unserer gesamten Finanzwirtschaft und einer Befestigung unserer Währungsverhältnisse zweckentsprechend durchführen. Für eine solche fehlen indes heute noch sämtliche Voraussetzungen. Solange nicht das Gleichgewicht im Reichshaushalt wie in der Zahlungsbilanz wiederhergestellt ist – und diese Wiederherstellung hängt vor allem von einer angemessenen Regelung der Verpflichtungen Deutschlands aus dem Friedensvertrage ab –, steht jede Neuordnung auf dem Papier.

Die vorbezeichneten Erwägungen müssen dahin führen, aus den gegenwärtigen Schwierigkeiten einen Ausweg zu suchen, der unter Verzicht auf aussichtslose, weil unzeitgemäße Versuche, etwas Definitives zu schaffen, durch eine vorläufige Regelung über die gegenwärtigen Schwierigkeiten hinweghilft, der Gefahr vorbeugt, daß die Reichsbank aus formalen Gründen ihre Notenausgabe einstellt, und für die Zukunft eine endgültige Regelung offen hält. Dieses scheint am besten durch die vorgeschlagene Gesetzesänderung erreichbar, welche die Reichsbank lediglich ermächtigt, die bisher für die sogenannte Bardeckung vorgeschriebene Dritteldeckung zu unterschreiten.

Selbstverständlich kann der vorgeschlagene Weg nur ein Provisorium sein. Die Ermächtigung ist deshalb zeitlich zu begrenzen. Sie endet nach unserem Vorschlage am 31. Dezember 1923. Bis dahin werden die zurzeit noch durchaus unübersehbaren Verhältnisse sich voraussichtlich geklärt haben und eine feste Regelung mit mehr Aussicht auf Erfolg als heute gestatten.

Der in dem Vorschlag liegende Verzicht auf die zu Recht bestehende formale Dritteldeckung ist sicherlich nicht ohne Bedenken. Er wird in der Öffentlichkeit als ein vollgültiger Beweis für die unerhört schwierige Lage des Reichshaushalts und der deutschen Volkswirtschaft gewertet werden. Daß er aber den bisher noch unbezweifelten Kredit der Reichsbank erschüttern und die Banknote im In- und Auslande diskreditieren würde, befürchten wir nicht. In dieser Hinsicht kommt in Betracht, daß die Deckungsvorschriften längst nur noch formale Bedeutung gehabt haben und daß der innere Wert der Banknote durch die Tatsache der rein äußerlichen Beseitigung der Drittelgrenze nicht beeinträchtigt wird, daß er vielmehr nach wie vor in erster Linie auf den vorhandenen wertvollen realen Deckungsmitteln, auf Devisen, Auslandsguthaben, Silberbarren und vor allem auf dem Goldvorrat mit der darin enthaltenen hohen latenten[450] Reserve beruht. Durch die vorgeschlagene Regelung werden überdies die seither in den Kassen der Reichsbank als Notendeckung zurückgehaltenen Darlehnskassenscheine für den Verkehr frei; ihre etwaige Verausgabung würde den gleichen Betrag Banknoten einsparen und so zu einer Verbesserung des Bankausweises beitragen.

Ein nicht zu unterschätzender Vorzug der Neuregelung ist darin zu erblicken, daß der Bankausweis durch den Wegfall der Notwendigkeit, einen bestimmten Betrag an Darlehnskassenscheinen zwecks formaler Deckung zu beschaffen, an Klarheit und Durchsichtigkeit gewinnt. Vielfachen, in der Öffentlichkeit laut gewordenen Wünschen entsprechend schlagen wir vor, diese Durchsichtigkeit noch dadurch zu verstärken, daß künftig in den zur Veröffentlichung gelangenden Wochenübersichten der Wechselbestand von dem Bestande der Reichsschatzanweisungen und die Höhe der öffentlichen Guthaben von dem Betrage der privaten Guthaben getrennt nachgewiesen wird. Diese getrennte Nachweisung, die während des Krieges unmöglich war, läßt sich gegenwärtig ohne Gefahr für den Reichskredit durchführen. Sie wird übrigens zeigen, daß der im Besitze der Reichsbank befindliche Wechselbestand größer ist, als im allgemeinen angenommen wird.

Der Vollständigkeit wegen dürfen wir schließlich erwähnen, daß kein Grund besteht, die für die Reichsbank beantragte Ermächtigung auf die Privatnotenbanken auszudehnen, da diese mit ihrem Notenumlauf nicht vom Reich in Anspruch genommen werden5.

Reichsbankdirektorium

Havenstein

Glasenapp

Fußnoten

1

Der § 17 des Bankgesetzes vom 14.3.1875 (RGBl. 1875, S. 177  f.) bestimmte, daß mindestens ein Drittel der im Umlauf befindlichen Reichsbanknoten durch kursfähiges deutsches Geld, Reichskassenscheine oder Gold in Barren oder ausländischen Münzen und der Rest durch diskontierte Wechsel gedeckt sein sollte (RGBl. 1875, S. 182 ).

2

Der „Entw. eines Gesetzes, betreffend Änderung des Bankgesetzes vom 14.3.1875“ findet sich in R 43 I /630 , Bl. 34–37. Der einzige Paragraph des GesEntw. sah vor, daß die Bestimmung über die Dritteldeckung gemäß § 17 des Bankgesetzes vom 14.3.1875 bis zum 31.12.1923 außer Kraft gesetzt werden sollte.

3

Um das hohe Kreditbedürfnis bei Kriegsbeginn zu befriedigen, war durch das Darlehnskassengesetz vom 4.8.1914 (RGBl. 1914, S. 340  f.) die Möglichkeit geschaffen worden, Darlehnskassen zu errichten, die gegen Verpfändung von Waren und Wertpapieren Darlehen gewähren konnten. Für den Betrag der bewilligten Darlehen konnten diese Kassen ein besonderes Geld, die Darlehnskassenscheine, ausgeben. Durch den § 2 des Darlehnskassengesetzes waren diese Darlehnskassenscheine den Reichskassenscheinen gleichgestellt worden und konnten damit zur Bardeckung gemäß § 17 des Bankgesetzes herangezogen werden.

4

Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 des Darlehnskassengesetzes sollte der Gesamtbetrag der Darlehnskassenscheine 1500 Mio M nicht übersteigen. Nach Satz 2 wurde der Bundesrat jedoch ermächtigt, im Bedarfsfall den Betrag der auszugebenden Darlehnskassenscheine zu erhöhen (RGBl. 1914, S. 341 ).

Im Bankausweis der Reichsbank für den 31.12.1920 belief sich die Summe der Darlehnskassenscheine auf 22,3 Mrd. M bei einem Gesamtnotenumlauf von 68,8 Mrd. M (Material für ein Studium von Dtlds. Wirtschaft, Währung und Finanzen, Berlin 1924, S. 11).

5

Auf seiner Sitzung vom 9.3.1921 beschloß das Kabinett, den GesEntw. zur Änderung des Bankgesetzes zu genehmigen. Siehe dazu Dok. Nr. 200, P. 1. Zum endgültigen Text des Gesetzes s. RGBl. 1921, S. 508 .

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