2.53.1 (lut1p): Entwurf eines Gesetzes über die Ablösung öffentlicher Anleihen.

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 7). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Die Kabinette Luther I und II (1925/26), Band 1.Das Kabinett Luther I Bild 102-02064Reichspräsident Friedrich Ebert verstorben Bild 102-01129Hindenburgkopf Bild 146-1986-107-32AStresemann, Chamberlain, Briand Bild 183-R03618

Extras:

 

Text

RTF

[200]Entwurf eines Gesetzes über die Ablösung öffentlicher Anleihen.

Zu Beginn der Sitzung, die wegen zeitweiliger Verhinderung des Reichskanzlers unter Vorsitz des Reichswehrministers stattfand, trugen der Reichsminister der Finanzen und der Reichsminister der Justiz Entwürfe für die Verlautbarungen vor, die über die Aufwertungsgesetze in die Presse gehen sollen. Die Entwürfe wurden grundsätzlich gebilligt und die beiden Ressorts ermächtigt, etwa aus dem Verlaufe der folgenden Beschlußfassung über das Gesetz über die Anleiheaufwertung sich als notwendig ergebende Änderungen im Benehmen miteinander vorzunehmen, die beiden Verlautbarungen auch inhaltlich miteinander abzustimmen1. Über den Zeitpunkt der Veröffentlichung wurde erst am Schluß der Sitzung endgültig Beschluß gefaßt.

Unter Vorsitz des Reichskanzlers trug sodann der Reichsminister der Finanzen die mit dem Schreiben vom 20. März 1925 mitgeteilten Abänderungsentwürfe für das Anleiheaufwertungsgesetz vor und bat um die Zustimmung des Kabinetts zum ersten Entwurf, der eine Verzinsung der Anleihen nicht vorsieht2.

Der Reichsminister des Innern hielt den ersten Entwurf nicht für ausreichend, weil in ihm den Wünschen der Parteien nicht genügend Rechnung getragen werde. Nach seiner Meinung genüge ein Tilgungsangebot nicht, sofern nicht daneben, wenn auch nur in geringem Umfange, eine Verzinsung in Aussicht gestellt wird.

Der Reichskanzler schloß sich dieser Auffassung an.

Der Vizepräsident der Reichsbank teilte mit, daß banktechnische Bedenken dem vorgelegten zweiten Entwurf nicht entgegenstünden.

Der Reichsminister des Innern hielt eine Verzinsung und Tilgung von insgesamt 10% für erforderlich sowie für notwendig, für die verstärkte Tilgung im Laufe der Jahre einen Betrag von 150 Millionen vorzusehen und auch in der Pressenotiz statt der Inaussichtstellung „eines einmaligen größeren Betrages“ diese Summe zu nennen.

Der Reichskanzler schloß sich dem an.

Es wurde dementsprechend beschlossen, den Entwurf eines Gesetzes über die Ablösung öffentlicher Anleihen unter Verwendung des gleichzeitig Verzinsung[201] und Tilgung der Anleiheablösungsschuld vorsehenden zweiten Entwurfs mit der Maßgabe zu verabschieden, daß anstatt eines Verzinsungs- und Tilgungssatzes von 8% ein solcher von 10% vorgesehen wird3. Redaktionelle Änderungen bleiben dem Reichsminister der Finanzen vorbehalten.

Der Reichskanzler brachte im Anschluß daran mit Bezug auf das jüngste Verhalten der Deutschnationalen Volkspartei zur Sprache, daß der gegenwärtige Zustand unmöglich fortbestehen könne; es müßten Vorkehrungen dagegen getroffen werden, daß eine Regierungspartei trotz der eingegangenen Bindungen von sich aus Abänderungsanträge stelle, ohne vorher mit den übrigen der Regierung nahestehenden Parteien und mit der Regierung Fühlung genommen zu haben4. Er erbat die Zustimmung des Kabinetts dazu, die Regierungsparteien, insbesondere die Deutschnationalen, darauf hinzuweisen, daß, wenn sie sich nicht verpflichten, gewisse noch näher zu bezeichnende Dinge als unverbrüchliche Grundlage für die Weiterbehandlung der Aufwertung hinzunehmen, er eine Möglichkeit der Weiterführung des Kabinetts nicht als gegeben ansehe. Dadurch solle nicht ausgeschlossen werden, daß die Parteien, nach Benehmen mit der Regierung, in nebensächlichen Dingen Anträge stellen. In Fragen von grundsätzlicher Bedeutung soll jedoch eine Antragstellung einer der zur Regierung gehörenden Parteien ausgeschlossen sein, sofern nicht die übrigen Regierungsparteien und die Regierung dem Antrage zugestimmt haben.

Das Kabinett stimmte dem zu.

Der Reichskanzler wird die Besprechungen am Montag [23. 3.] beginnen5.

Staatssekretär Dr. Joel bat um Entscheidung darüber, ob die beiden Gesetze in einem Rahmengesetz oder getrennt eingebracht werden sollten.

Es wurde beschlossen, die Gesetze getrennt vorzulegen mit der Maßgabe, daß die Vorlegung zwar im Laufe der kommenden Woche, aber erst dann erfolgen solle, wenn die Besprechungen des Reichskanzlers mit den Parteien stattgefunden haben6. Auch dann solle erst die Presseverlautbarung herausgebracht werden7.

[202] Der Reichsminister der Justiz und der Reichsminister der Finanzen werden diese Entwürfe über die Pressenotizen miteinander in Übereinstimmung bringen und dem Reichskanzler alsbald zur Billigung vorlegen.

Fußnoten

1

Zu diesen Verlautbarungen s. weiter Anm. 7.

2

Der erste Änderungsentwurf des RFM bestimmt: Für die Tilgung der Anleiheablösungsschuld bei Altbesitzanleihen, die im Wege der Prämienauslosung erfolgen soll, sind jährlich 80 Mio RM, höchstens jedoch 8% des Nennbetrages der gewährten Ablösungsrechte aufzuwenden, wobei der 50 Mio RM übersteigende Betrag dieser Summe für die Gewährung von Prämien zu verwenden ist. Dieser Vorschlag unterscheidet sich in den wichtigsten Punkten also nur unwesentlich von den am 16. 3. im Kabinett gebilligten „Grundzügen“ des RFM. Vgl. dazu Anm. 18 zu Dok. Nr. 48.

Der zweite Vorschlag sieht vor: Eigentümern von Altbesitzanleihen steht das Recht auf eine Ablösungsrente in Höhe von 5% des Nennbetrages der Anleiheablösungsschuld zu, die zunächst für die Zeit zwischen 1.1.26 und 31.12.28 zu gewähren ist; die Fortgewährung ist im Wege der Gesetzgebung auf weitere drei Jahre zu bestimmen, sofern die Finanzlage des Reichs dies gestattet. Mit dem Recht auf Ablösungsrente ist das Recht auf Teilnahme an der Tilgung der Anleiheablösungsschuld verbunden. Diese geschieht durch Prämienauslosung, wofür jährlich 3% des Betrages der gewährten Auslösungsrechte aufzuwenden sind. Die Gesamtausgabe für die Ablösungsrente und die Auslosung darf in einem Jahre 80 Mio RM nicht übersteigen (R 43 I /2455 , Bl. 325-331).

3

Der „Entwurf eines Gesetzes über die Ablösung öffentlicher Anleihen“, den der RFM am 25. 3. dem RR zuleitet (RR-Drucks. Nr. 54, Bd. 1925, I) ist dementsprechend wie folgt geändert: Es werden neben der 5%igen Ablösungsrente für die Tilgung (durch Prämienauslosung) nunmehr 5% des Betrages der gewährten Auslosungsrechte festgesetzt. Der für die Ablösungsrente und die Tilgung aufzuwendende Betrag von zunächst 80 Mio RM ist demzufolge auf 100 Mio RM jährlich erhöht. Außerdem wird der RFM ermächtigt, einen einmaligen Betrag von 150 Mio RM für a) die Abfindung der Anleiherenten der öffentlichen Sparkassen, b) für die Entschädigung bedürftiger Kriegsanleihebesitzer und c) für eine verstärkte Ziehung der Auslosungsrechte im Rahmen des vorgesehenen Tilgungsverfahrens zu verwenden.

4

Gemeint ist wohl der Antrag auf Außerkraftsetzung der Aufwertungsbestimmungen der Dritten Steuernotverordnung, den der Abg. Hergt am 20. 3. im RT eingebracht hatte. S. Anm. 16 zu Dok. Nr. 51.

5

Diese Besprechungen beginnen bereits am 22. 3. (s. Dok. Nr. 55); s. sodann auch Dok. Nr. 61.

6

Die Gesetzentwürfe über die Aufwertung öffentlicher Anleihen und über die Hypothekenaufwertung werden am 25. 3. durch den RFM und den RJM dem RR zugeleitet (RR-Drucks. Nr. 54 und 56, Bd. 1925, I).

7

Erfolgt am 26. 2. in Form umfangreicher und detaillierter Inhaltsübersichten über die beiden Aufwertungsgesetze (s. z. B. „Die Zeit“ vom 27. 2.; auch in: Schultheß 1925, S. 51 f.).

Extras (Fußzeile):