1.75 (lut2p): Nr. 244 Bericht des Reichsbankpräsidenten über die Lage der Reichsbank und über Fragen der Kredit- und Währungspolitik. 5. Dezember 1925, 16 Uhr

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[945] Nr. 244
Bericht des Reichsbankpräsidenten über die Lage der Reichsbank und über Fragen der Kredit- und Währungspolitik. 5. Dezember 1925, 16 Uhr1

R 43 I /634 , Bl. 300-3412

Streng vertraulich!

Anwesend3: Luther, Brauns, Graf v. Kanitz; RbkPräs. Schacht; StS Kempner, Fischer, Trendelenburg; RbkVPräs. Kauffmann; MinDir. Kiep, v. Brandt, Lothholz, Schäffer; RbkDir. Hasse; MinR Wachsmann, Dorn, Norden, Schippel, Schulze, Karlowa, Reichardt, Heintze, Kissel, Andersch, Lünsmann, Pflug, Quassowski; Vortr. LegR Bobrik; ORegR Grävell, Hußlein, Sabath; Attaché Budde, Ohrtmann, Seelos; RegR Prause; Rittmeister Planck; für Preußen: Severing, Steiger, Schroeder, Weismann, Schleusener, Mulert, Bail, v. Leyden, Grosser, Lippert, Deichmann, Koch, Neumann; für Bayern: Krausneck, v. Preger, v. Wolf, Rohmer, Arnold; für Sachsen: v. Sichart, Lehmann; für Württemberg: Bosler, Schick, Michel; für Baden: Kempff; für Thüringen: Jost, Münzel; für Hessen: Fresenius; für Hamburg: Strandes; für Mecklenburg-Schwerin: v. Oertzen, Tischbein; für Oldenburg: Meyer-Rodenberg; für Braunschweig: Stübben, Boden; für Anhalt: Deist; für Bremen: Nebelthau; für Lippe: Hildenbrand; für Lübeck: Meyer-Lüerßen; für Waldeck: Schmieding, Sachs.

Reichskanzler Dr. Luther: Meine Herren! Die Besprechung, die wir, wenn auch nicht regelmäßig, so doch mit einer gewissen Häufigkeit abgehalten haben, in der der Herr Reichsbankpräsident der Reichsregierung und Vertretern des Reichsrats über die Lage in geldlicher Beziehung und über die die Reichsbank in erster Linie angehenden Fragen, sowie überhaupt über die Lage der Reichsbank Bericht erstattet hat4, ist diesmal in dem Umfange erweitert worden, den die Herren selber bemerken. Ich glaube, wir treten, wie wir das immer gewohnt waren, sofort in die sachliche Erörterung ein, indem ich den Herrn Reichsbankpräsidenten bitte, das Wort zu ergreifen.

[946] Reichsbankpräsident Dr. Schacht: Meine Herren! Der Druck seitens der Wirtschaft auf die Reichsbank hinsichtlich Ausdehnung ihrer Kreditgewährung sowohl wie hinsichtlich der Herabsetzung des Reichsbankdiskonts5 ist selbstverständlich in den letzten Monaten und insbesondere in den letzten Wochen besonders stark gewesen, da mit dem Eintreten des Winters die Verhältnisse in der Industrie sich verschlechtert haben und die verhältnismäßig etwas leichtere Situation des Sommers nun einer ernsteren Lage Platz zu machen droht. Der Zentralausschuß der Reichsbank6 hat sich mit dieser Situation sehr eingehend beschäftigt; er hat insbesondere dabei auch die Situation der Landwirtschaft einer eingehenden Erörterung unterzogen, und ich darf sagen, daß unter den Mitgliedern des Zentralausschusses und des Reichsbankdirektoriums eine volle Übereinstimmung über das, was die Reichsbank in dieser ganzen Lage tun könnte, erzielt worden ist. Ich darf insbesondere hier feststellen, daß wir die landwirtschaftlichen Vertreter im Zentralausschuß aufgefordert haben, doch einmal präzise mitzuteilen, was die Reichsbank für die Landwirtschaft tun kann, und es sind da zwei Wünsche seitens der Landwirtschaft festgestellt worden: der eine bezüglich der Düngemittelwechsel, wo wir den Herren die Versicherung geben konnten, daß bereits einige Tage vor dem Zusammentreten des Zentralausschusses die Reichsbank alles Erforderliche getan hatte und bereit war, in weitestem Umfange den Wünschen der Landwirtschaft entgegenzukommen7. Der zweite Wunsch war der – etwa wörtlich –, daß die Reichsbank doch die in ihrem Besitz befindlichen landwirtschaftlichen Wechsel und die noch etwa hereinzunehmenden landwirtschaftlichen Wechsel so lange prolongieren möge, bis es den Akzeptanten möglich geworden sei, durch Hereinnahme von Hypotheken diese Wechsel abzudecken. Diese Anregung ist damit beantwortet worden, daß eine solche Möglichkeit für die Reichsbank nach dem Bankgesetz8 nicht besteht.

Andere Vorschläge hinsichtlich Linderung der Kreditnot sind nicht gemacht worden. Die Maßnahmen, die die Reichsbank in der Beziehung ergriffen hat, gehen zunächst nicht auf eine Diskontermäßigung, sondern gehen auf den Abbau der Kreditrationierung, d. h. des etwas schematischen Betriebes, den wir notgedrungen in den letzten anderthalb Jahren haben durchführen müssen9. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß eine Herabsetzung des Diskonts, bevor die Aufhebung der Kreditrationierung eintreten kann, eigentlich ein wirtschaftlicher Nonsens ist; es gibt ein vollständig verkehrtes Bild von der ganzen wirtschaftlichen Lage, und wir haben deshalb untersucht, ob es möglich ist, die Kreditgewährung der Reichsbank etwas auszudehnen, und glauben auch, daß mit dem System der Ausdehnung der Kreditgewährung und eventuell, wenn die Möglichkeit dazu sich als gegeben erweist, mit dem (völligen) Abbau der[947] Kreditrestriktion und der Kreditrationierung sich die Wirtschaft leichter wird befreunden können als mit einer Herabsetzung des Reichsbankdiskonts, die sich im wesentlichen mangels überhaupt ausreichender Geldquellen nur auf das Kontingent der Reichsbank erstrecken würde, nicht aber auf den übrigen Geldmarkt.

Die Situation möchte ich zunächst mit einigen Ziffern beleuchten. Ich gebe die Ziffern immer für Ende des Monats bis einschließlich 30. November. Da ergibt sich, daß die Anlage der Reichsbank in Wechseln, Schecks und Lombard, und zwar ohne die im Ausland angekauften Wechsel, die ja nur eine Devisenreserve der Reichsbank darstellen, nicht aber eine Kreditgewährung an die Inländer, eine gewisse Verringerung in den letzten Monaten aufweist, etwa von 1,8 Milliarden Ende Juli auf etwas über 1,4 Milliarden Ende November. Die Rentenbankwechsel, also die Wechsel, die an die Landwirtschaft durch die Rentenbank10 gegeben worden sind, sind bis Oktober ungefähr gleich geblieben in der Höhe von 745 Millionen. Sie sind, wie Sie wissen, durch die Herabsetzung, die jetzt eben am Ultimo November erfolgt ist, auf 545 Millionen verringert worden. Die Kredite der Privatnotenbanken11 bewegen sich ungefähr immer auf der gleichen Höhe, aus dem einfachen Grunde, weil diese Banken ihr Notenkontingent restlos auszunutzen sich bemühen; sie bewegen sich immer gerade an der Grenze des ihnen gestatteten Notenumlaufs und betragen zwischen 210 und 220 Millionen. Die Kredite der Golddiskontbank12 haben sich, nachdem wir im Mai den Betrieb wieder aufgenommen haben, ziemlich erhöht; sie betrugen Ende November 163 Millionen gegen 79 Millionen Ende Mai, wobei die bei der Reichsbank untergebrachten Wechsel der Golddiskontbank nicht mitgezählt sind. Der effektive Bestand der Gesamtkredite der Golddiskontbank ist heute etwa 190 Millionen. Dann aber macht einen sehr wesentlichen Betrag der Rediskont der Reichsbankwechsel bei den öffentlichen Geldern aus, der natürlich zu der Gesamtkreditgewährung hinzuzurechnen ist und der sich zur Zeit beinahe auf dem Höchststand hält. Er beträgt 584 Millionen. Der Höchststand am Ende eines Monats war im April mit 607 Millionen erreicht. Also Sie sehen auch hier, daß verhältnismäßig geringe Schwankungen stattfinden, so daß die Summe der Kredite, die heute gegeben werden, aus diesen verschiedenen Quellen, mit denen die Wirtschaft gespeist wird, d. h. also alle diejenigen Kredite, die sich unter der Kontrolle der Währungsinstitute befinden, sich für den Augenblick auf nicht ganz 3 Milliarden beläuft, während der Höchststand an den Monatsenden beinahe 3,4 Milliarden Ende September gewesen ist. Ich mache aber darauf aufmerksam, daß Ende September bekanntlich der schwerste Termin des ganzen Jahres ist und infolgedessen eine exzeptionelle Anspannung gezeigt hat.

Wenn wir so sehen, daß die Kreditgewährung immerhin eine etwas rückläufige Tendenz in ihrem praktischen Ausmaß zeigt, so ist die Entwicklung des Geldumlaufs auf der anderen Seite keine mit dieser Entwicklung parallel gehende.[948] Wir hatten Ende November 1924, also etwa vor einem Jahre, einen Gesamtgeldumlauf – nicht nur Noten, sondern einschließlich Privatnoten, Rentenmark und geprägten Münzen – von annähernd 4 Milliarden. Wir haben seit Ende Juli dieses Jahres durchschnittlich einen Umlauf von 5 Milliarden. Er ist in der ersten Hälfte des Jahres von 4 auf nahezu 5 Milliarden gestiegen, und in den letzten fünf Monaten bewegt er sich an den Monatsenden wie folgt: 4,9, 5,004, 5,008, 5,083, 5,004; mit anderen Worten: der Geldumlauf ist nicht zurückgegangen, während die Kreditentlastung eine gewisse Höhe erreicht hat. Es drückt sich hierin, glaube ich, der Umstand sehr präzise aus, daß wir unseren Notenumlauf nicht nur für Kredite erweitern müssen, nicht nur für die Hereinnahme von Devisen, sondern in erster Linie auch für die Zahlungen, die auf Reparationskonto gehen; und wir sehen, daß wir die Abzüge, die der Reparationsagent13 dauernd von seinem Konto bei der Reichsbank macht, auch gewissermaßen durch Notenausgabe befriedigen müssen, also eine Art, wenn Sie wollen, indirekte Kreditgewährung; d. h. die Leistungen werden nicht aus der Wirtschaft selbst herausgebracht, sondern sie wirken sich in einer Vermehrung des Notenumlaufs aus.

Diejenigen Herren, die den Besprechungen der Regierung mit der Reichsbank regelmäßig beizuwohnen pflegen, werden sich erinnern, daß in der letzten und vorletzten Sitzung14 die Devisenlage der Reichsbank zwar nicht zu Beunruhigung, aber doch zu einiger Achtsamkeit Veranlassung gegeben hat. In der Mitte des Jahres sind unsere Devisenbestände ziemlich reichlich zurückgegangen. Wenn ich unter den Gesamtdevisenbestand rechne den Goldbestand, die Guthaben bei ausländischen Banken – einerlei, ob täglich fällig oder auf längere Termine festgelegt –, dann die im Inland angekauften Wechsel und Schecks, die auf ausländische Währung lauten, also im Ausland zahlbar sind, dann die im Ausland angekauften Auslandswechsel, und dazu die Bestände an Golddiskontbankwechseln, soweit sie bei der Reichsbank vorhanden sind, hinzurechne, ferner natürlich die Bestände an ausländischen Banknoten und Sorten, so ergibt sich etwa folgendes Bild: Wir haben den Höchstbestand von nahezu 2,25 Milliarden Ende Februar erreicht, während wir nachher einen Niedrigbestand gegen Ende September erreichten – der überhaupt der schwierigste Termin des Jahres gewesen ist, wie ich auch vorhin bemerkte – von nicht ganz 1,6 Milliarden. Wir haben also ganz erheblich Devisen abgegeben, ohne daß erfreulicherweise die Wirtschaft dadurch irgendwie besonders beängstigt worden ist. Die Bestände sind dann im Oktober und November sehr erheblich heraufgegangen, und wir sind im Augenblick zwar noch nicht auf der Höhe des Monats Februar, aber doch nur ganz wenig darunter. Die Bestände betragen augenblicklich 2,15 Milliarden, und dazu kann man noch die Bestände der Golddiskontbank rechnen, so daß ganz allgemein gesagt werden kann, daß die Devisenlage der Reichsbank infolge des Hereinkommens der Auslandskredite der letzten Wochen eine recht gute geworden ist, so daß wir generell gesprochen[949] das Gefühl haben, daß die Reichsbank heute sich vielleicht etwas freier bewegen und der Wirtschaft etwas entgegenkommen kann.

Eine Erscheinung, die wir daneben beobachten und die durchaus nicht etwa mit einer gar zu strengen Kreditpolitik der Reichsbank zusammenhängt, ist die Tatsache, daß das Wechselmaterial, das die Reichsbank aus der deutschen Wirtschaft hereinbekommt, sich ganz entschieden verschlechtert hat. Ich glaube, daß man ganz allgemein sagen kann, daß bei der Aufstellung der Goldbilanzen sich die betreffenden Unternehmungen doch noch nicht so ganz darüber klar geworden sind, welche außerordentlichen inneren Wertminderungen die Inflation gebracht hatte, und ich glaube, daß heute fast alle Unternehmungen, insbesondere aber die solideren, dazu übergehen werden und zum Teil ja schon damit beschäftigt sind, ihre Goldbilanzen noch einmal zu revidieren.

Wir haben in normalen Zeiten einen ganz verschwindenden Teil von sogenannten Stockwechseln gehabt, d. h. von Wechseln, die ins Stocken geraten sind und bei Fälligkeit nicht bezahlt werden können. Die Zunahme dieser Stockwechsel ist eine recht erhebliche, und ich kann, ohne den Prozentsatz selbst mitzuteilen, doch sagen, daß sie das mehrfache der Friedensziffer betragen, so daß hieraus auch jedenfalls nur auf eine allgemeine Verschlechterung der Wirtschaftslage geschlossen werden kann. Worauf diese Verschlechterung beruht bzw. worin sie besteht, das kommt erfreulicherweise doch jetzt in den Beratungen der Wirtschaftsverbände sehr viel klarer zum Ausdruck, und ich konstatiere mit Genugtuung, daß die Schuld nicht allein auf die Reichsbank geschoben wird, sondern daß die Wirtschaftskreise sich darüber klar werden, daß in ihren eigenen Reihen außerordentlich viel Nichtgesundes sich befindet und daß eine gewisse Reinigung innerhalb der Industrie selbst noch erfolgen muß, bevor wieder eine klare Situation geschaffen wird.

Von den verschiedensten Seiten wird auch darüber geklagt, daß die Banken ihrer Kundschaft gegenüber zurückhaltender geworden sind. Nach den Beobachtungen, die wir machen, widerspricht das den effektiven Ziffern. Wir verfolgen ja die Lage der Banken, abgesehen von unserer laufenden Verbindung mit ihnen, regelmäßig durch die Zweimonatsbilanzen, und wir sehen doch, daß die Zweimonatsbilanzen eine weitere Zunahme der Debitoren in jedem Ausweis ergeben haben. Allerdings ist die Zunahme der Steigerung der Debitoren im Laufe des Jahres eine langsamere geworden. Wenn man die Summe der Debitoren für Ende Dezember 1924 mit 100 einstellt, dann stellt sich die Ziffer der Debitoren für Februar auf 122%, also 22% mehr Debitoren, d. h. mehr gewährte Kredite als Ende 1924; für April auf 137%, für Juni auf 153%, für August auf 161% und für Oktober auf 168%, d. h. die von den Banken gewährten Kredite betragen zur Zeit 68% mehr als Ende vorigen Jahres. Das zeigt jedenfalls, daß die Banken ihr Möglichstes tun. Es zeigt allerdings gleichzeitig, daß die Zunahme des Zuwachses in den letzten drei Monaten eine verhältnismäßig langsamere ist als in den ersten Monaten.

Diese Entwicklung geht aber ganz und gar parallel mit der Entwicklung der fremden Gelder überhaupt. Auch die fremden Gelder haben in den ersten Monaten des Jahres eine sehr viel schnellere Zunahme gezeigt als in den letzten Monaten, was nicht unbedingt darauf zurückzuführen ist, daß etwa ein[950] Nachlassen der Sparsamkeit stattgefunden hat, sondern es ist doch wohl immer noch darauf zurückzuführen, daß nach der Deflation eine Reihe von Werten flüssig gemacht worden sind, die dann zur Bank gebracht worden sind, während diese Bewegung später mehr und mehr aufgehört hat und der Zuwachs, der nunmehr kommt, hoffentlich ein Zuwachs ist, der eben aus wirklich ersparten und verdienten Geldern erfolgt ist. Ich glaube deshalb, daß den Banken nach dieser Richtung hin ein Vorwurf nicht gemacht werden kann.

Sie sehen auch, wenn Sie die Liquiditätsziffern der Banken ansehen, daß die Liquidität der Banken nicht etwa zugenommen hat, was ja bei einer Kreditzurückhaltung der Fall sein müßte, sondern daß eher eine kleine Verschlechterungstendenz vorhanden ist.

Was nun die Auslandskredite betrifft, die hereingekommen sind, so ist auch hier eine Entwicklung zu konstatieren, die eine gewisse innere Besserung aufweist. Es ist nämlich folgendes zu konstatieren, und so unsicher vielleicht die Statistiken sind, auf denen diese Erkenntnis beruht, so stimmt doch diese Statistik mit den allgemeinen Beobachtungen, die man an der Wirtschaftsentwicklung anstellen kann, in starkem Maße überein. Die Gesamtsumme der laufenden Auslandskredite, also die gesamte ausländische Verschuldung Deutschlands, dürfte nach unseren Beobachtungen in den letzten Monaten trotz der Auflegung einer Reihe von Anleihen nicht wesentlich gestiegen sein, da eine große Reihe von kurzfristigen Auslandskrediten, die fällig geworden sind, zurückgezahlt worden ist, so daß das Hereinkommen der langfristigen Auslandskredite die Fundierung kurzfristiger Verschuldung ermöglicht hat; das ist natürlich eine Entwicklung, die ein großes Moment der Sicherheit in die ganze innere Wirtschaft hineinträgt. Ich schätze die Gesamtsumme der Auslandskredite, abgesehen von der Dawes-Anleihe, die mit 800 Millionen dazukommen würde, auf rund 2,5 Milliarden Mark, und zwar zerlegt sich diese Summe in folgende Bestandteile: langfristige Geldkredite etwa 900 bis 1000 Millionen, kurzfristige Geldkredite 5 bis 600 Millionen und geschäftliche Warenkredite 900 bis 1000 Millionen. Das ist eine Gesamtsumme von 2,3 bis 2,6 Milliarden, zu denen dann die Dawes-Anleihe hinzukäme. Wir kämen also auf eine Gesamtverschuldung zwischen 3 bis 3,5 Milliarden und sehen jedenfalls, daß die Verschuldung gegenüber dem Status von vor zwei Monaten sich kaum wesentlich verändert hat15.

Wenn ich nun zu der Frage zurückkehren darf, wieweit die Reichsbank in der Lage ist, durch erweiterte Kreditgewährung der Wirtschaft zu Hilfe zu kommen, so ist selbstverständlich Rücksicht zu nehmen auf die Deckung und die Höhe des gesamten Zahlungsmittelumlaufs; und wenn ich vorhin habe konstatieren können, daß der Zahlungsmittelumlauf nicht nur unter der Wechselbeanspruchung, unter der Kreditbeanspruchung betrachtet werden müsse, sondern daß eben auch für die verschiedenen öffentlichen Konten Beträge abfließen, so ergibt sich, daß für die Entwicklung des Zahlungsmittelumlaufs nicht die Kreditgewährung allein maßgebend ist. Wir haben im Bankgesetz eine[951] 40%ige Gold- und Devisendeckung vorgeschrieben. Wenn wir die Rentenbanknoten natürlich in diese Gesamtdeckung mit hineinziehen müssen16, so ist das Gesamtverhältnis heute ein durchaus befriedigendes, und ich habe im großen und ganzen genommen keine Ängstlichkeit, den Notenumlauf noch etwas anwachsen zu lassen. Die Deckung dazu ist absolut vorhanden.

Die Frage, die sich erhebt, ist, wieweit durch eine Steigerung des Notenumlaufs das Preisniveau verändert wird, und das ist das, wo wir abtasten müssen, wo wir sorgfältig prüfen müssen, ob eine Zunahme des Notenumlaufs sich etwa in Preissteigerungen auswirkt. In dem Augenblick, wo das der Fall ist, müßten wir uns wieder darüber schlüssig werden, ob wir kontrahieren sollen oder nicht.

Auf der anderen Seite möchte ich doch auch hier wieder einmal den Gedanken aussprechen, daß wir nicht jeden beliebigen Devisenbetrag hereinnehmen können. Wir müssen diese Rückwirkung auf die Preise und auf das ganze innere Wirtschaftsniveau berücksichtigen. Nehmen Sie an, wir würden einen Gold- und Devisenbestand von zusammen 4 Milliarden Mark ansammeln, hätten damit, von der Deckungsseite aus gesehen, die Möglichkeit, 10 Milliarden Noten auszugeben, es ist natürlich eine Unmöglichkeit, den Notenumlauf derartig zu steigern. Also die Kreditgewährung hat hier eine ganz natürliche Grenze. Eine solche Notenausgabe würde unabsehbare inflatorische Wirkungen ausüben.

Nichtsdestoweniger wollen wir jetzt den Versuch machen, mit der Kreditgewährung etwas larger zu sein, zumal nicht unbedingt eine Ausdehnung des Notenumlaufs damit verbunden zu sein braucht. Wir haben in den letzten Monaten sehen können, daß der ganze Giralverkehr, also die Bewältigung des Zahlungsmittelverkehrs durch Giroüberweisungen, eine ständig steigende Tendenz aufweist, und es könnte sich doch wohl hierin eine Tendenz ausdrücken, die fortfahren und die jedenfalls nicht unmittelbar eine Beanspruchung der Notenpresse hervorrufen wird. Natürlich muß man sich darüber klar sein, daß sich auch aus der Zunahme des Giralverkehrs, des sogenannten Schreibgeldes, ungünstige Wirkungen auf das Preis- und Lohnniveau ergeben.

Die Frage, zu welchen Zinssätzen wir eventuell weitere Kredite geben können, ist nach wie vor eine der unsichersten, die man sich überhaupt nur denken kann. Ich werde auf die Zinssätze der Auslandskredite nachher noch zurückkommen. Ebenso werde ich mir erlauben, über die Einwirkung der öffentlichen Gelder auf die Zinsfrage nachher noch einige Ausführungen zu machen. Es ist aber jedenfalls schon hier festzustellen, daß der Reichsbankzinssatz nach wie vor für bankmäßige Kredite eigentlich nicht maßgebend ist. Ich habe vor kurzem, als wir die Frage der Diskontermäßigung erörterten, einer Reihe von[952] Herren von der Bankwelt die Frage gestellt: würden Sie, die Banken, wenn die Reichsbank mit dem Diskontsatz jetzt herunterginge, folgen können? Und die Antwort ist ein glattes Nein gewesen, weil einfach die Verhältnisse im offenen Geldmarkt zwar für kurzfristiges Geld sehr günstig liegen, für längerfristiges Geld aber absolut unverändert ungünstig sind, und nur auf dieses Geld kommt es an; denn der offene Markt, der heute kurzfristige Anlagen sucht, kann in keiner Weise irgendwie maßgebend sein für länger laufende Werte. Wenn heute jemand zur Bank geht und einen Bankkredit aufnimmt, so ist er meist nicht in der Lage, diesen Bankkredit bei jeder von der Bank gewünschten Gelegenheit zurückzuzahlen, sondern er rechnet damit, daß ihm dieser Bankkredit auf längere Zeit hinaus gegeben wird. Wir haben auf der anderen Seite feststellen können, daß Sparkassen zum Beispiel heute noch Monatsgeld mit 12% verzinsen und öffentliche Ankündigungen machen, daß sie derartige Sätze zahlen. Solange die Situation am Geldmarkt derartig ist für längere Fristen, ist mit einer Herabsetzung der Zinssätze für das, was wir Kreditgeld nennen, nach meiner Auffassung mit sehr großer Unwahrscheinlichkeit zu rechnen.

Ich darf im Anschluß an diese Darlegung über die Lage der Reichsbank mich nun etwas ausführlicher noch zu der Frage des Hereinkommens ausländischer Gelder wenden und insbesondere dabei auch die von mir in Amerika gesammelten Erfahrungen verwerten17. Ich darf zunächst auch in diesem Kreise noch einmal betonen, daß ich nicht nach Amerika hinübergefahren bin, um irgendwelche Kreditverhandlungen zu führen. Es war dazu gar keine Veranlassung, weil irgendwelche Verhandlungen, die etwa eine Mithilfe der Reichsbank in direktem Wege erforderten, gar nicht vorlagen. Die Reichsbank selbst hat es in keiner Weise nötig, Auslandskredite zu suchen. Ihre Situation gegenüber dem Auslande ist eine außerordentlich starke, und soweit meine Reise den Zweck gehabt hat, die Beziehungen zwischen der Federal Reserve Bank und der Reichsbank zu festigen und vertrauensvoller zu gestalten, ist dieser Zweck, wie Sie sich denken können, natürlich vollständig erreicht worden.

Ich glaube, das vorausschicken zu sollen, daß das Vertrauen in die deutsche Währung drüben ein derartiges ist, daß mir überhaupt drüben kein Mensch in der ganzen Bank- und Finanzwelt begegnet ist, der irgendeinen Zweifel darüber geäußert hat. Ich habe mit Vergnügen feststellen können, daß das Vertrauen im Ausland zur deutschen Währung unendlich viel größer ist als im Inland. Ich bin auch der Überzeugung, daß, wenn irgendeinmal eine Situation eintreten sollte, die uns vorübergehend Schwierigkeiten bringen würde, die Reichsbank in der Lage sein würde – und ich spreche das, wie Sie sich denken können, natürlich im Bewußtsein der Erfahrungen von drüben aus –, sich jede vorübergehende Hilfe zu beschaffen, in New York sowohl wie in London, die erforderlich sein würde, um die Dinge hier wieder in die Reihe zu bringen. Ich kann also nur sagen, daß das Vertrauen zur deutschen Währung ein derartiges ist, daß es überhaupt nicht in Zweifel gezogen wird.

[953] Ich habe verschiedentlich bei praktischen Gelegenheiten nun auch versucht, diese Tendenz noch zu verstärken. Sie wissen, daß bisher alle deutschen Anleihen, die drüben abgeschlossen worden sind, auf Dollar lauten. Insbesondere ist die Anleihe der Rentenbankkreditanstalt18 ein so großer Erfolg gewesen, weil auch hier eine Dollaranleihe vorlag. Ich bin von den verschiedensten Gruppen gefragt worden, ob nun nicht auch die anderen Hypothekeninstitute in der Lage wären, Dollarpfandbriefe herauszugeben, sie wären sofort bereit, Dollarpfandbriefe in beliebigen Beträgen zu übernehmen. Ich habe darauf, was zunächst die Ausstellung dieser Pfandbriefe in Dollar anbelangt, geantwortet, daß man sich werde daran gewöhnen müssen, daß Deutschland Anleihen nicht immerfort in Dollar aufnehmen könne, sondern daß man zur Anlage in Reichsmark übergehen müsse, und ich stände meinerseits auf dem Standpunkt, daß die Placierung von Feingoldpfandbriefen19, die an sich also auf Reichsmark lauteten, aber mit der sogenannten Feingoldhypothekenklausel ausgerüstet seien, eine genauso sichere Anlage böte wie ein Dollarbond, und ich müßte bitten, daß die in Frage kommenden Gruppen ihre Verhandlungen mit den deutschen Instituten auf dieser Basis führten. Selbstverständlich hat man sich gesträubt und mich zu bewegen versucht, doch einen anderen Standpunkt in dieser Frage einzunehmen. Ich bin aber fest geblieben und kann zu meiner Freude konstatieren, daß die Verhandlungen für die Placierung von Goldpfandbriefen durchaus nicht so aussichtslos sind, wie sie im ersten Augenblick schienen. Ich habe gerade gestern abend noch wieder einen Brief von drüben gesehen, der die grundsätzliche Bereitwilligkeit aussprach, auch Goldpfandbriefe zu übernehmen.

Ich habe ferner – um diese allgemeinen Bemerkungen vorauszuschicken – immer wieder darauf hingewiesen, daß, wenn erst der Dawes-Fonds hier eine gewisse Höhe erreicht haben würde, die Kreditbedürfnisse Deutschlands in erster Linie aus dem Dawes-Fonds befriedigt würden20 und daß dann irgendwie eine Möglichkeit oder eine Notwendigkeit oder Wahrscheinlichkeit, deutsche Anleihen im Ausland zu placieren, nicht mehr vorhanden sein würde, mithin daß die deutschen Anleihen in wenigen Jahren einen Seltenheitswert bekommen würden und daß die Herrschaften sich etwas beeilen möchten, wenn sie an diesem Geschäft noch mit teilnehmen wollten. Ich kann konstatieren, daß diese Ansicht mir bei einer späteren Gelegenheit von einem ersten amerikanischen Bankier in einer dritten Gesellschaft aus seinem Munde wiederholt wurde, der offenbar vergessen hatte, daß er diese Sache von mir hatte, der sie aber allen Ernstes gegenüber seinen eigenen Landsleuten verteidigte.

Ich darf anschließend hieran einige Bemerkungen machen, wie ich die Stimmung der amerikanischen Finanzwelt über den Dawes-Plan als Ganzes gefunden habe, und ich darf annehmen, daß ich mich hier ruhig etwas offen über[954] diese Frage aussprechen kann. Ich habe in ganz Amerika – ich bin in New York gewesen, in Washington, in Chicago und in Buffalo –, ich habe an allen vier Plätzen – „ganz Amerika“ ist vielleicht ein zu umfassender Ausdruck – nicht einen einzigen Menschen gefunden, der an die Durchführbarkeit des Dawes-Plans glaubt, und zwar ist darüber nicht etwa Zerknirschung oder Verzweiflung vorhanden, sondern man betrachtet das als etwas ganz Natürliches. Ich bin bei den verschiedensten Gelegenheiten angezapft worden, teils diskret, teils indiskret, mich doch über die Undurchführbarkeit oder Durchführbarkeit des Dawes-Plans zu äußern. Ich habe mich dabei niemals verleiten lassen, die Undurchführbarkeit des Dawes-Planes auszusprechen, sondern ich habe immer gesagt: warum soll der Dawes-Plan nicht ausführbar sein? Wir haben im Frieden eine Wirtschaft gehabt, die in den letzten Jahren vor dem Kriege mindestens einen jährlichen Nationalvermögenszuwachs von 4 bis 5 Milliarden gezeitigt hat. Wenn wir in dieselbe wirtschaftliche Situation versetzt werden wie damals, so könnte ich mir denken, daß man durchaus die Summen des Dawes-Plans aufbringen könnte. – Hinsichtlich des Transfers21 habe ich mich selbstverständlich immer zweifelnd ausgedrückt. Ich habe gesagt: ob der Transfer möglich sei, das müsse sich erst aus der ganzen Entwicklung der internationalen Wirtschaft ergeben.

Ich bin dann natürlich auch immer wieder gefragt worden, was ich denn darunter verstände, daß man Deutschland in seine alte wirtschaftliche Position hinein versetzte, und habe dann immer zunächst gesagt, daß Deutschland bisher immer alles erfüllt hätte, aber die Alliierten hätten leider nicht immer alles erfüllt. Im Dawes-Plan sei die sofortige Räumung des Ruhrbezirks und die fristgemäße Räumung der ersten Zone vorgesehen22. Mit beiden sei man – bei der Ruhr ein Jahr und bei der Räumung der ersten Zone auch jetzt nahezu ein Jahr – im Rückstand geblieben, und das hätte selbstverständlich schon die deutsche Wirtschaft erheblich zurückgeworfen. Ferner wäre die militärische Besetzung in den linksrheinischen Gebieten eine Angelegenheit, die doch dauernd den Wirtschaftsapparat störte, und auch hier müßten selbstverständlich Änderungen eintreten. Ich bin dann aber weiter gegangen und habe gesagt, daß die Folgen des Versailler Vertrags, insbesondere die Folgen der Neugründung all der Sukzessionsstaaten, dazu geführt hätten, den Markt für die deutschen Industrieerzeugnisse in einem unerfreulichen Umfang zu verkleinern, daß in der ganzen Welt eine schutzzöllnerische Tendenz maßgebend würde, die unseren[955] Absatz auch für die weitere Zukunft bedrohte, und ich habe die Amerikaner daran erinnert, daß sie mit ihren 110 Millionen Einwohnern das größte Freihandelsgebiet wären, das überhaupt bestände, und daß ich mir nur denken könnte, daß die Amerikaner alles Interesse daran hätten, die Zollmauern innerhalb Europas nicht anwachsen, sondern niederreißen oder jedenfalls herabmindern zu sehen.

Ich habe ferner darauf aufmerksam gemacht, daß meines Erachtens das amerikanische Geld nicht dazu verwandt werden sollte, um in Polen, Tschechien, Jugoslawien usw. sogenannte nationale Industrien zu entwickeln, die mit sehr großen Ausgaben verbunden seien und voraussichtlich sehr teuer produzieren würden, sondern daß es richtiger wäre, die Leute ihre natürlichen landwirtschaftlichen Quellen entwickeln zu lassen und die billige Ware, die Deutschland ihnen liefern könnte, von Deutschland zu entnehmen. Ich habe mich gehütet, allzusehr darauf einzugehen, daß ja auch Amerika selbst nicht gerade übermäßig gewillt ist, deutsche Waren aufzunehmen, und habe das getan, weil die Erkenntnis darüber einmal den Amerikanern von England bereits sehr stark zu Gemüte geführt worden ist, und es wird drüben gewissermaßen so aufgefaßt, als ob England sagen wolle, ihr Amerikaner sabotiert ja selbst die Durchführung des Dawes-Planes, weil ihr den deutschen Erzeugnissen euren Markt durch eure Schutzzollpolitik verschließt. Wieweit dabei schutzzöllnerische Tendenzen Englands selbst sich verbergen, bleibt natürlich vorbehalten.

Ich erinnere mich aber sehr deutlich, daß niemand jemals an die Übertragung der gesamten Zahlungen des Dawes-Fonds an Amerika und die Alliierten denkt oder irgend etwas derartiges ausgesprochen hat; und was auf den Dawes-Fonds Bezug hat, das hat natürlich auch Bezug auf die gesamten Schulden der übrigen europäischen Länder. Diese Anschauung entwickelte sich eines Abends nach einem Essen, bei dem ich eine Rede gehalten hatte und woran sich eine Diskussion angeschlossen hatte, zu dem lapidaren Satze, den der Vorsitzende unter dem – ich kann beinahe sagen – jubelnden Beifall sämtlicher Anwesenden aussprach: How, the devil, can these people pay, if we don’t take their commodities? – das heißt: wie sollen denn diese Leute uns zahlen können, wenn wir nicht bereit sind, ihnen ihre Waren abzukaufen? Ich glaube, daß es mit dieser ganzen Stimmung zusammenhängt, daß das Kalianleiheverbot, das Herr Hoover jetzt gerade wieder im Kabinett durchgesetzt hat, von den eigentlichen Trägern der Wirtschaft drüben, insbesondere jedenfalls von den Finanzkreisen, auf das schärfste verurteilt wird. Es ist ein Unfug, diese Anleihe mit der Begründung zu verbieten, daß das deutsche Kali ein Monopol sei, und ich glaube, daß sich gegen diese Art und Weise, wie sich speziell Handelsinteressen, die Hoover vertritt – er ist Minister der Wirtschaft –, gegenüber den allgemeinpolitischen und finanzpolitischen Interessen durchzusetzen suchen, noch einmal eine sehr starke Opposition und eine sehr starke Erörterung drüben auslösen wird, die meines Erachtens nur zu unseren Gunsten enden kann.

Was nun das weitere Verhalten hinsichtlich des Dawes-Planes anlangt, so ist die Situation so, und ich glaube, darauf ist das Hauptaugenmerk für unsere ganze Politik in der Dawes-Frage zu richten: Jedermann weiß innerlich und[956] gesteht es im kleinen Kreise ein, aber noch nicht öffentlich, daß der Dawes-Plan nicht ausführbar ist. Die Frage ist: Wer ist der Schuldige, den man nachher an den Pranger stellen kann, wenn sich nun wirklich erweist, daß die Ausführung nicht glückt? Ich glaube, die deutsche Politik muß alles vermeiden, was auch nur den Anschein erwecken könnte, den Schein des Rechtes gibt, als ob Deutschland der schuldige Teil wäre. Wir müssen unter allen Umständen alles unterstützen, was die Durchführbarkeit des Dawes-Planes fördert, d. h. jeder Anschein einer Sabotage des Dawes-Planes muß von unserer Seite aus vermieden werden.

In diesem Zusammenhang darf ich auf zwei Punkte noch etwas näher eingehen, die ja hier schon des öfteren, auch von meiner Seite aus, in die Debatte geworfen worden sind, und ich darf bitten, daß die Herren sich des ganzen Ernstes dieser Frage noch einmal bewußt werden: das ist die Frage der öffentlichen Gelder und die Frage der Auslandsanleihe.

Ich habe in der Frage der öffentlichen Gelder immer wieder den Standpunkt vertreten, daß es eine Unmöglichkeit ist, daß die Finanzverwaltungen – ich spreche jetzt ganz allgemein, weil ich niemanden, auch keine einzelne Verwaltung persönlich treffen möchte –, daß die Finanzverwaltungen so außerordentlich große flüssige Gelder haben, die im Wege des Kredits an die Wirtschaft ausgeliehen werden23. Es wird von drüben der größte Nachdruck darauf gelegt, und insbesondere hat im Einverständnis mit der Treasury, mit dem Schatzamt drüben, die Federal Reserve Bank immer wieder darauf das Augenmerk gelenkt: Es ist unmöglich, daß diese Gelder verwaltet werden, ohne daß die Reichsbank darauf einen ganz bestimmenden Einfluß hat; und man wird dieses Moment zweifellos immer wieder hervorziehen, um uns den Vorwurf zu machen, wir hintertrieben damit die Kontrolle des Geldmarktes durch die Reichsbank, wir hintertrieben damit die Ausführung des Dawes-Planes. Ich habe selbstverständlich diesen Dingen gegenüber nicht einfach stillgeschwiegen oder diesen Vorwurf hingenommen, sondern ich habe gesagt, daß der Fehler in den Bestimmungen des Dawes-Planes selber liegt, daß wir den besten Willen haben, eine organische Verwaltung des Geldmarktes in Deutschland durchzuführen, daß aber der Dawes-Plan uns daran hindert. Ich möchte bemerken, daß ich diese Dinge jetzt zum Anlaß genommen habe, um in der letzten Sitzung des Generalrates der Reichsbank24 den entscheidenden Schritt zu tun. Ich habe dem Generalrat folgendes Memorandum unterbreitet und werde mir erlauben, gleich daran anschließend mitzuteilen, welche Konsequenzen die Dinge gehabt haben. Dieses Memorandum lautet folgendermaßen:

Die Frage der öffentlichen Gelder bietet nach wir vor große Schwierigkeiten. Dieselben liegen nicht in der Unwilligkeit des Reichsfinanzministeriums, der Post und der Eisenbahn, diese Gelder unter die Kontrolle der Reichsbank zu stellen; im Gegenteil hat das Reichsfinanzministerium alles Erforderliche nach dieser Richtung hin getan. Die Post hält sich in regelmäßiger[957] Verbindung mit der Reichsbank hinsichtlich der Anlage ihrer Gelder, und auch die Eisenbahn hat neuerdings die Verbindung mit der Reichsbank aufgenommen und verhandelt wegen der Anlage eines großen Teils dieser Gelder durch die Reichsbank.

Die Schwierigkeiten liegen vielmehr darin, daß diese Gelder überhaupt in einem so großen Umfange vorhanden sind. Das trifft insbesondere für die Gelder des Reichsfinanzministeriums zu. Es sind nicht Gelder, die aus normalen wirtschaftlichen Vorgängen entstehen, sondern die durch Überbesteuerung der Wirtschaft entstanden sind und daher einen politischen Charakter tragen. Das Reich kann schon mit Rücksicht auf die politische Öffentlichkeit diese sehr großen Summen nicht zinslos an die Reichsbank geben, sondern muß für einen Teil dieser Gelder nach zinsbringender Anlage durch die Reichsbank suchen. Für die Post und Eisenbahn ist es ganz unmöglich, ihre Gelder zinslos der Reichsbank zu geben. Dadurch wird die Reichsbank in die schwierige Lage versetzt, jeweils die geeignete Anlage für diese Gelder zu beschaffen.

Die Fehler dieses Systems liegen also nicht in einer bösen Absicht der Regierung, der Post und der Eisenbahn, sondern es ist ein Fehler des Systems, der durch das Dawes-Gutachten entstanden ist. Das Reich hat für seine vorübergehenden Betriebsbedürfnisse keine ausreichende Kreditmöglichkeit bei der Reichsbank. Auch die Kreditmöglichkeit im offenen Geldmarkt ist ihm verschlossen, weil den privaten Geldgebern die Rediskontmöglichkeit für Reichsschatzwechsel, selbst wenn sie kurzfristig sind, bei der Reichsbank fehlt. Infolgedessen ist das Reich gezwungen, sich große eigene Geldreserven zu halten. Dieses Geld wird der Wirtschaft, in der es sonst produktiv arbeiten würde, entzogen und drückt die Produktionsmöglichkeiten der deutschen Wirtschaft dadurch herab.

Die Rückwirkungen dieses Systems auf den Geldmarkt sind folgende. Die Wirtschaft, der das Geld entzogen ist, wird in verstärktem Maße kreditbedürftig, und dieser Kredit kann natürlich nur ein relativ längerer sein und ist daher teurer. Andererseits wird das in den Händen der Regierung befindliche Geld durch die Reichsbank dem kurzfristigen Geldmarkt wieder zugeführt, wo indessen Anlagemöglichkeiten in ausreichendem Umfange nicht vorhanden sind. Unter normalen Verhältnissen würde dieses kurzfristig ausgeliehene Geld in den Markt der Primadiskonten oder von Reichsschatzwechseln hineingehen. Reichsschatzwechsel fehlen zur Zeit und Primadiskonten, d. h. Bankakzepte, sind nur in einem beschränkten Umfang vorhanden, weil die Banken aus begreiflicher Solidarität nur für einen gewissen Prozentsatz ihres Aktienkapitals plus Reserven unter Akzept treten wollen und können. Hieraus resultiert der außerordentlich große Unterschied zwischen den Sätzen für kurzfristiges Geld, welches zur Zeit uach bei 6,5% keine Anlagemöglichkeit findet, und den Sätzen für Bankkredite, die sich um 14% herum bewegen.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß diese Situation vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen durchaus schädlich ist. Der normale Zustand würde sein, daß das Reich weniger Steuern erhebt und dadurch die Wirtschaft[958] stärkt, daß ferner bei auftretendem vorübergehenden Bedarf das Reich Schatzwechsel am offenen Markt begibt. Der offene Markt nimmt aber diese Schatzwechsel nur dann, wenn er eine Rediskontmöglichkeit bei der Reichsbank sieht. Es handelt sich dabei nur um die Möglichkeit; denn in der Praxis wird auch die Reichsbank, allein schon wegen des Zinsverlustes – Unterschied zwischen Privatdiskont und Reichsbankdiskont – von dieser Möglichkeit nur im äußersten Notfalle Gebrauch machen.

Ich habe geglaubt, hierüber erst die grundsätzliche Stellungnahme des Generalrates, an den ich in dieser Frage gebunden bin, einzuholen, und habe das erfreuliche Resultat erzielt, daß der Generalrat einstimmig beschlossen hat, für den Fall, daß die Besprechung mit der Reichsregierung eine dahingehende Möglichkeit eröffne, eine Änderung des Bankgesetzes dahin zu empfehlen, daß die Reichsbank ermächtigt wird, Kredite in einer Höhe, die sich vielleicht auf 500 Millionen bemessen ließe, dem Reich durch Rediskontmöglichkeit von Reichsschatzwechseln zur Verfügung zu stellen25. Jedenfalls sollte auf diesem Gebiete nichts versäumt werden, um auch den Schatten eines Vorwurfs von der deutschen Seite zu nehmen, und das ist der Grund, warum ich dieses Memorandum wörtlich vorgelesen und in das Protokoll der Generalratssitzung aufgenommen habe, damit ich jederzeit nachweisen kann, daß Deutschland zu seinem Teil versucht hat, diese Dinge nach Kräften zu ändern.

Das zweite Moment, auf das ich noch eingehen möchte, ist die Frage der Auslandsanleihen. Sie wissen, daß ich schon vor Antritt meiner amerikanischen Reise zu dieser Frage wiederholt hier Stellung genommen habe, sowohl im internen Kreis hier26 wie auch nachher der Öffentlichkeit gegenüber, da es ganz unerläßlich ist, auch die Wirtschaft über diese Dinge aufzuklären. Ich darf vielleicht zunächst einmal die deutschen Gesichtspunkte noch einmal kurz zusammenstellen, die für die Aufnahme von Auslandsanleihen in Geltung sind.

Ich habe schon von der Rücksicht auf den Notenumlauf gesprochen. Es ist ganz ausgeschlossen, daß wir einen beliebigen Betrag von Auslandsgeldern in Deutschland auf dem Wege der Umwechslung in Reichsbanknoten aufnehmen können. Darüber hinaus muß darauf Rücksicht genommen werden, daß der Auslandsmarkt für deutsche Anleihen unter allen Umständen einmal ein begrenzter ist. Wir sind augenblicklich in der sehr angenehmen Situation, daß Frankreich vom amerikanischen Geldmarkt vollständig verschwunden ist, daß auch sonst die geldliche und währungspolitische Situation in Europa so ist, daß gegenwärtig eigentlich nur in deutschen Anleihen für den New Yorker Markt ein Geschäft für die Bankiers zu machen ist. Das ist zweifellos ein Moment, welches dazu beiträgt, daß augenblicklich deutsche Anleihen in New York sehr leicht zu placieren sind. Es ist aber gar keine Frage, daß, einmal aus den inneren Verhältnissen Amerikas heraus gesehen, die Aufnahmefähigkeit des[959] New Yorker Marktes doch eine gewisse Grenze hat, daß ferner diese Grenze in dem Augenblick sich außerordentlich verengt, wo die Situation in Europa so wird, daß auch die anderen Mächte anfangen, in verstärktem Maße für Privatanleihen den amerikanischen Geldmarkt in Anspruch zu nehmen. Ich weise darauf hin, daß nach Regelung des italienischen Schuldverhältnisses zu Amerika sofort von der italienischen Industrie Verhandlungen aufgenommen worden sind, um mit italienischen Anleihen an den amerikanischen Markt zu kommen.

Dieser Umstand, meine Herren, bestimmt natürlich auch in einem gewissen Umfange die Höhe der Zinssätze. Solange wir eine Konkurrenz haben, die bereit ist, die gleichen oder womöglich höhere Zinssätze zu zahlen als die Deutschen, solange werden wir uns natürlich davon etwas beschwert fühlen.

Ich darf dann aber ferner vom deutschen Gesichtspunkt aus noch das Moment geltend machen, daß nach meiner Auffassung – möglicherweise stoße ich hier bei einigen Herren auf Widerspruch – die Kredite für die private Wirtschaft unter allen Umständen den Krediten für die Kommunen vorzugehen haben. Meine Herren, wenn die private Wirtschaft nicht floriert und nicht in Gang kommt, dann, fürchte ich, wird auch der Kredit der Kommunen in sehr erheblichem Maße leiden. Die Kommunen werden nicht leben können, wenn ihre Steuerzahler nicht leben, und es ist in erster Linie notwendig, daß die steuerzahlende Wirtschaft lebt, bevor die Kommune an Ausgaben herangeht. Ich weiß sehr wohl, daß selbstverständlich auch wirtschaftliche Unternehmungen in den Händen der Kommunen sich befinden, obgleich die Amerikaner dafür leider nicht immer das nötige Verständnis aufbringen, und es ist ja selbstverständlich – wir haben das ja auch immer getan –, daß dieser Gesichtspunkt bei den Beratungen der Auslandsanleiheberatungsstelle27 mitsprechen muß. Aber in erster Linie müssen wir dafür sorgen, daß die private Wirtschaft mit amerikanischem Gelde versorgt wird. Ich brauche nur darauf hinzuweisen, daß noch eine sehr große Anleihe der chemischen Industrie bevorsteht, ferner noch eine sehr große Anleihe der deutschen Eisenindustrie, wenn die Trustkombination zustande kommt, die beide an den amerikanischen Markt appellieren müssen, ganz abgesehen von einer Reihe kleinerer Anleihen, die alle noch auf Erledigung warten.

Dann aber ist für mich, taktisch gesehen, noch ein Gesichtspunkt bedeutsam, und das ist der, daß in der Frage der Auslandsanleihen die Initiative zur Einschränkung und Kontrolle nicht vom Ausland ausgehen darf, sondern daß auch hier wir die Initiative behalten müssen, schon wiederum aus dem Gesichtspunkt heraus, daß wir allen Anlaß zeigen müssen, die Durchführung des Dawes-Planes zu fördern, nichts zu tun, was irgendwie gegen die Durchführung geht, nichts zu versäumen, was die Durchführbarkeit erleichtert.

[960] Dieses waren die Gesichtspunkte, die ich vor der Amerikareise schon ausgesprochen hatte und mit denen ich drüben ankam. Es war ein für mich durchaus überraschendes Zusammentreffen, daß ich am zweiten Tage meiner Anwesenheit zunächst von einem Bankier privatim einen Brief bekam, den das amerikanische State-Department in Washington, also das Auswärtige Amt, an eine Bankfirma geschrieben hatte, die sich mit der Auflage einer deutschen – ich glaube, es war eine Stadtanleihe – beschäftigte. Es war gewissermaßen ein guter Rat, den das State-Department der betreffenden Bankfirma erteilte. Die Dinge liegen faktisch so, daß jeder amerikanische Bankier, der eine Auslandsanleihe verhandelt, nicht nur deutsche, sondern auch andere, dem State-Department davon Mitteilung machen muß – es ist zwar kein Gesetz, aber ein ungeschriebenes Gesetz –, und sowie das State-Department diese Anzeige erhält, daß irgendeine solche Anleihe in der Verhandlung ist, nimmt es in irgendeiner Form dazu Stellung; und den deutschen Anleihen gegenüber – das habe ich dann weiterhin festgestellt – war in nahezu gleichlautenden Briefen eine Haltung eingenommen worden, die sowohl politisch wie juristisch zu außerordentlich starken Bedenken Anlaß geben mußte. Es war in diesem Brief mitgeteilt, daß man erstens auf die ganze allgemeine deutsche wirtschaftliche Lage doch sehr stark Rücksicht nehmen müsse. Dann aber war insbesondere darauf aufmerksam gemacht, daß der Transferagent28 unter Umständen an der Zahl und Art der in New York placierten deutschen Auslandsanleihen ein sehr lebhaftes Interesse haben könne aus dem Gesichtspunkt, daß nicht durch die Auflage solcher Anleihen die Transferierungsmöglichkeit, die im Dawes-Plan vorgesehen ist, etwa behindert werden könnte. Und letzten Endes war in einer Reihe von Briefen – ich habe es nicht in allen Briefen feststellen können – eine Bezugnahme auf § 248 des Versailler Vertrages enthalten, die ergab, daß gewissermaßen eigentlich alles deutsche öffentliche Eigentum, einschließlich Staaten, Kommunen, öffentliche Verbände u. dgl., für die Reparationszahlungen bereits verhaftet sei und daß man das in Rücksicht ziehen müsse, wenn man insbesondere munizipale und staatliche Anleihen verhandle.

Ich habe sofort Veranlassung genommen, erstens die deutsche Reichsregierung von diesen Dingen in Kenntnis zu setzen, selbstverständlich durch den Herrn Botschafter drüben29. Ich bin sofort mit dem Gouverneur der Federal Reserve Bank30, mit dem ich mich über diese Frage sehr eingehend unterhalten habe, nach Washington gefahren, und ich habe dann eine Unterhaltung mit dem Schatzsekretär Mellon gehabt, die mir sofort ein ziemlich klares Bild von der Regierungssituation in dieser Frage drüben enthüllte.

Die Momente, die hier geltend gemacht wurden – es sind im wesentlichen drei: § 248, Behinderung der Transfermöglichkeit und unproduktive Verwendung der Gelder –, waren wohl im wesentlichen vom Wirtschaftsministerium suggeriert, also von Hoover; sie waren dem State-Department suggeriert wegen der politischen Tragweite der Dinge und waren dann zur Begutachtung an das[961] Schatzamt gegangen. Ich glaube, hier nicht zuviel zu sagen, wenn ich sage, daß das Schatzamt diesen Brief seinerseits für einen außerordentlich unglücklichen gehalten hat und nicht nur taktisch, sondern auch sachlich mit dem Verhalten des State-Departments nicht übereinstimmte.

Es galt nun natürlich, die Stellung der Treasury zu stärken, und ich habe mich mit Herrn Mellon des deutlichsten darüber ausgesprochen, daß ja die ganze Stellungnahme, die die deutsche Reichsregierung und die Reichsbank in dieser ganzen Frage von sich aus, ohne irgendwie von Washingtons Haltung etwas zu wissen, eingenommen hatte, durchaus ausreichend sei, um die Bedenken des State-Departments zu zerstreuen. Ich habe gesagt, daß die Haltung hinsichtlich des § 248 juristisch vollständig unhaltbar sei, daß in der Transferfrage der Transferagent und das Transferkomitee31 immer eine Haltung eingenommen hätten, die vollständig loyalerweise die Auflegung privater und kommunaler Anleihen in Amerika gestattete, und ich habe ferner hinsichtlich der Unproduktivität der Ausgaben darauf hingewiesen, daß wir selbst hier schon eine sehr scharfe Kontrolle eingeführt hätten. Hier und da sei vielleicht ein Lapsus passiert, darauf beruhend, daß man Anleihen in einem sehr frühen Stadium genehmigt hätte, daß man darauf gepocht hätte, sie seien vor sechs Monaten genehmigt worden und man hätte jetzt die Möglichkeit, abzuschließen, daß aber auch da bereits ein Riegel vorgeschoben worden sei32; und ich habe in Kenntnis der amerikanischen Herren einen Depeschenwechsel mit der deutschen Reichsregierung gehabt und auch von hier aus eine Antwort erhalten33, die mir in der[962] ganzen Frage außerordentlich hilfreich gewesen ist, so daß die Treasury den Eindruck bekommen hat, ebenso wie die Federal Reserve Bank, daß wir auf dieser Seite alles zu tun bereit sind, was vernünftigerweise von uns gewünscht werden kann. Ich bemerke, daß die Treasury mit diesen Ausführungen durchaus zufrieden und einverstanden war und sich der Anschauung hingab, als ob nunmehr die Sache erledigt werden könne, d. h. daß das State-Department veranlassen werde, irgendwie eine Milderung in dieser Frage eintreten zu lassen.

Ich bemerke noch, daß in der Unterhaltung der Versuch gemacht wurde, daß die Reichsregierung und die Reichsbank doch auch eine Kontrolle über die privaten Anleihen aus den gleichen Gesichtspunkten heraus vornehmen möchten. Ich habe sofort auf die Unmöglichkeit dieses Verlangens hingewiesen und habe ausgeführt, daß hier eine Kontrolle absolut nicht nötig sei, da die privatwirtschaftliche Einsicht sowohl auf der Geldnehmer- wie auf der Geldgeberseite vorhanden sei, um hier durchaus ausreichende Schutzmaßregeln aus der natürlichen wirtschaftlichen Lage heraus zu schaffen. Auch in diesem Punkte ist mir die Treasury beigetreten und hat ein derartiges Verlangen auch nie wiederholt.

Ich darf vielleicht hier noch einschieben, welche Rolle bei dieser ganzen Kontrolle die Reichsbank gespielt hat bzw. spielen sollte. Ich darf zunächst betonen, daß die Reichsbank niemals von sich aus irgendeine Kontrolle dieser Dinge oder irgendeinen entscheidenden Einfluß auf diese Dinge beantragt oder vorgeschlagen hat. Auch drüben habe ich das nicht getan, sondern ich habe im Gegenteil gesagt, daß es rechtlich bei den Kommunal- und Staatsanleihen sich um eine Regierungsangelegenheit handle, in der die Reichsbank zwar beratend mitwirken könne, daß aber die Entscheidung über diese Dinge unter allen Umständen bei der Reichsregierung bzw. bei den Länderregierungen liegen muß. Ich möchte also zur Steuer der verschiedenen Gerüchte über eine Vordringlichkeit der Reichsbank bemerken, daß ich mich in dieser Frage absolutester Zurückhaltung befleißigt habe.

Die Entwicklung der nächsten Tage hat leider gezeigt, daß das State-Department zu einer Zurücknahme des Briefes nicht zu bewegen gewesen ist. Die Stellungnahme der Bankiers in New York wurde von Tag zu Tag gegnerischer gegenüber Washington. Erstens ruinierte ihnen das State-Department ihre guten Geschäfte, die sie mit Deutschland abzuschließen im Begriffe waren, und zweitens hat der amerikanische Bankier wie jeder amerikanische Bürger das Gefühl, daß eine Einmischung der Zentralregierung etwas an sich Unerwünschtes[963] ist und daß man als freier Geschäftsmann seine Geschäfte abschließen müsse, wie man es für richtig halte. Immerhin haben die anständigeren Bankiers und Bankfirmen – und das sollten ja eigentlich die sein, mit denen die deutschen Anleiheverhandlungen geführt werden sollten – sich in einem gewissen Konnex mit der Federal Reserve Bank, mit Herrn Strong, gehalten, der wiederum mit mir in ständiger Fühlung gestanden hat. Wir haben zu wiederholten Malen beide – sowohl er wie ich wie auch gemeinschaftlich – mit den in Frage kommenden Bankiers verhandelt, und im großen und ganzen kann ich nur sagen, daß, abgesehen von einigen Reduktionen bei verschiedenen Anleihen, die in Verhandlung waren, es doch gelungen ist, sämtliche Verhandlungen, die schwebten, zum Abschluß zu führen.

Es herrschte zunächst die Tendenz vor, die Dinge möglichst nicht in die Presse kommen zu lassen, weil es ganz klar war, daß, wenn irgendwie ein genereller Schritt der amerikanischen Regierung gegenüber den deutschen Auslandsanleihen geschehen würde oder geschehen wäre, das selbstverständlich auf den gesamten deutschen Kredit auf dem New Yorker Markt auch für die privaten Anleihen sehr abträglich gewirkt haben würde. In den letzten Tagen meines Aufenthalts aber habe ich doch gesehen, daß die Presse hier und da von diesen Dingen Wind bekommen hatte, und ich kann nur feststellen, daß auch die Presse sich in durchaus freundlicher und vernünftiger Weise geäußert hat und, wenn auch vielleicht nicht offen, so doch zwischen den Zeilen, gegen die Haltung von Washington Stellung genommen hat, so daß ich unsere ganze Position in dieser Sache durchaus nicht etwa als gefährdet ansehe, sondern glaube, daß es auch weiterhin möglich sein wird, Anleihen, die sich wirtschaftlich vertreten lassen, auch solche der Kommunalverbände und Kommunen, in Amerika abzuschließen. Es wird wichtig sein, daß eine gewisse ständige Fühlung zwischen der Federal Reserve Bank und der Reichsbank in dieser Frage besteht. Ich habe gerade heute früh wieder einen Depeschenwechsel gehabt, nachdem mir heute ein Brief des State-Departments an eine Bankfirma, die über eine deutsche Anleihe verhandelt, gezeigt worden ist, der zwar etwas gemildert war, aber doch noch eine Reihe von Punkten aufweist, die in den ersten Briefen an die Bankfirmen geschrieben worden waren. Ich habe Herrn Strong von der Federal Reserve Bank keine Unklarheit in meinem Telegramm darüber gelassen, daß diese Ungewißheit, in der wir uns in dieser Frage befinden, auf die ganzen Verhältnisse außerordentlich ungünstig einwirken muß.

Ich darf vielleicht im Anschluß an die eben gemachten Ausführungen über Auslandsanleihen und innere deutsche Finanzregelung – öffentliche Gelder – noch einen Punkt erwähnen, der beide Dinge gleichmäßig betrifft: das ist die geplante Postanleihe. Ich habe nach dem, was ich gehört habe, was mir bekannt geworden ist, durchaus den Eindruck, daß die Aufnahme einer Anleihe seitens der Post etwas unbedingt Notwendiges ist. Ich möchte aber glauben, daß man sich noch überlegen sollte, in welchem Umfang man bei dieser Anleihe den Auslandsmarkt in Anspruch nehmen sollte und ob es nicht jetzt an der Zeit wäre, die Vorschüsse, die die Post an die verschiedenen Länder und Staatsbanken gegeben hat, einmal wieder zurückzurufen und einen Teil davon in dieser Anlage zu verwenden, die die Post plant. Ich glaube, daß es keinen günstigen[964] Eindruck machen würde, wenn die Post zu gleicher Zeit an den amerikanischen Geldmarkt herangeht, wo sie hier in Deutschland große Außenstände zeigt.

Ich darf dann vielleicht noch einige allgemeine finanzpolitische Bemerkungen hinzufügen, die die generelle Situation und das Verhältnis oder die Auffassung Amerikas gegenüber Europa beleuchten. Ganz Amerika ist daran interessiert, daß die wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse in Europa sich stabilisieren. Ich darf vielleicht die einzelnen Staaten kurz erwähnen.

Bezüglich Belgien liegen die Dinge so, daß ich glaube, daß mit einer Stabilisierung der belgischen Währung spätestens im März oder April nächsten Jahres unter allen Umständen gerechnet werden kann. Die Belgier sind entschlossen, ihre Währung zu stabilisieren, unabhängig von Frankreich, und bemühen sich jetzt, ihre Währung aufrechtzuerhalten, während Frankreich gleichzeitig hinuntergeht. Sie haben dazu die entsprechenden interimistischen Kredite in Amerika erhalten. Gleichzeitig ist vereinbart worden, daß Verhandlungen aufgenommen werden sollen, um eine definitive Stabilisierung der belgischen Währung vorzunehmen.

Was dann die italienischen Verhältnisse anlangt, so haben die Italiener einen ausgezeichneten Moment erwischt, um ihre Schulden drüben zu regulieren bzw. um ein festes Abkommen zu treffen; und Sie werden ja alle gesehen haben, daß dieses Abkommen außerordentlich günstig für die Italiener ist34. Nachdem das französische Abkommen gescheitert war35, war drüben die Stimmung vorhanden, daß man doch vielleicht einen Fehler gegenüber den Franzosen gemacht hätte, und jedenfalls war das Bedauern, daß dieses Abkommen gescheitert sei, in allen Finanzkreisen drüben ganz allgemein. Diesen Moment haben die Italiener benutzt. Sie haben außerordentlich geschickt verhandelt und haben ein sehr mildes Abkommen erreicht und werden danach zweifellos auch weitere Kredite für die Privatwirtschaft bekommen. Interessant – und das ist vielleicht zur Kennzeichnung des Verhältnisses zwischen der Stimmung in der Finanzwelt und in der übrigen Bevölkerung doch wichtig mitzuteilen – interessant ist die Stimmung, die gegenüber den Italienern drüben an sich herrschte, d. h. gegenüber der heutigen Mussolini-Regierung. Als das Schiff mit der italienischen Delegation ankam, hatten sich 2000 Demonstranten italienischer Abkunft am Pier der Linie unten am Hafen versammelt, um die italienische Delegation mit einer Gegendemonstration gegen Mussolini zu empfangen; und die amerikanische Regierung war gezwungen, die Herren draußen an der Quarantänestation mit einem Torpedoboot vom Dampfer zu nehmen und heimlich an einer anderen Stelle an Land zu setzen, um dieser Demonstration aus dem Wege zu gehen. Diese Dinge sind vielleicht ganz allgemein so zu charakterisieren,[965] daß der Amerikaner zwar auf der einen Seite die Regierungen, die auf allzu großem Chauvinismus und, wenn Sie wollen, auf einem gewissen Terror beruhen, unter allen Umständen verwirft, daß er aber auf der anderen Seite selbstverständlich für jede Regierung begeistert ist, die im Lande Ordnung hält. Der Gegensatz zwischen Freiheit und Ordnung ist etwas, was eben ausbalanciert werden muß. Man will auf der einen Seite eine freiheitlich-demokratische, wenn Sie wollen, liberal-republikanische Regierung sehr gern haben, aber auf der anderen Seite möchte man keine Regierung haben, die die wirtschaftlichen Verhältnisse in ihrer Ordnung irgendwie gefährdet. Ich glaube, dieses Problem ist ja auch dasjenige, an dem die sämtlichen europäischen Regierungen laborieren.

Wenn ich ein kurzes Wort über Polen noch sagen darf, das uns ja auch außerordentlich interessiert, so liegen die Dinge hier so, daß in der amerikanischen Finanzwelt ein ganz außerordentlich starkes Mißtrauen gegen die polnischen Verhältnisse besteht. Ich habe nur einen einzigen Bankier gefunden, der für Polen fest war, und das war die betreffende Firma, die aus der letzten polnischen Anleihe, die sie emittiert hatte, noch ungefähr die Hälfte übrigbehalten hatte, so daß sie unmöglich für die polnischen Verhältnisse flaumachen konnte. Der betreffende Herr, der an einem Essen teilnahm, bei dem ich auch eine Rede hielt, drückte sich dahin aus, daß Polen zweifellos der beste Staat für amerikanische Anlagen sei und daß nach Polen erst das Deutsche Reich käme. Er hat mit dieser Anschauung allerdings, glaube ich, nicht viel Anklang gefunden. Immerhin ist der Wunsch, auch Polen zu sanieren und Polen zu helfen, den ich ja auch in London immer vorgefunden habe, auch in Amerika vorhanden. Während ich drüben war, hielt sich drüben gleichzeitig der Vizepräsident der Bank Polski, Herr M#.lynarski, auf, der einen großen Eindruck – das möchte ich hier nicht verhehlen – bei der Federal Reserve Bank dadurch gemacht hatte, daß er sagte, wenn Locarno unterzeichnet würde, würde Polen bereit sein, seine Armee auf die Hälfte zu reduzieren. Das ist etwas, wofür der Amerikaner außerordentlich zugänglich ist und was ihn eventuell veranlassen könnte, noch einmal wieder etwas Geld in dieses Land hineinzustecken. Im großen und ganzen aber glaube ich nicht, daß eine definitive Hilfe oder auch nur eine provisorische Hilfe von irgendwelchem nennenswerten Ausmaß, d. h. eine solche, die Polen wirklich über gewisse Schwierigkeiten hinwegbringen würde, in Amerika zur Zeit zu erwarten ist, und die letzte Entwicklung der polnischen Währung bestärkt mich in dieser Auffassung.

Ich darf auch noch ein Wort sagen über die Frage Korridor und Oberschlesien. Ich habe auch drüben keinen Menschen getroffen, der mit der derzeitigen Regelung dieser Verhältnisse einverstanden ist, und das letzte Wort, das mir ein Mann in immerhin sehr bedeutsamer Stellung sagte, als ich mich von ihm verabschiedete, war: Wie regeln wir nur jetzt die Verhältnisse im Korridor und in Oberschlesien? Ich habe ihm darauf erwidert, daß meines Erachtens auch dafür die Zeit kommen würde.

Ich halte es ferner nicht für unwahrscheinlich, daß in London – sowohl aus meinen früheren Erfahrungen heraus wie auch aus meinen neueren in New York – die Dinge so laufen werden, daß man sich eine Regelung der wirtschaftlichen[966] und finanzpolitischen Verhältnisse in Polen nicht gut denken kann ohne eine Mitwirkung Deutschlands in irgendeiner Form, die natürlich nicht in der Weise zu denken ist, daß Deutschland irgendwie Geld geben könnte. Aber immerhin eine gewisse Mitwirkung auf diesem Gebiet wird, glaube ich, auch von Amerika aus begrüßt werden.

Was Frankreich anlangt, so ist die Enttäuschung über das Scheitern der Caillaux’schen Verhandlungen ganz allgemein. Ich habe mich bei allen Personen, die es wissen konnten, zu erkundigen versucht, worauf denn das Scheitern der Dinge zurückzuführen sei, und habe übereinstimmend im wesentlichen feststellen können, daß das recht ungeschickte Auftreten Caillaux’ in dieser Frage sehr zum Scheitern dieser Dinge beigetragen hat. Caillaux ist gewissermaßen mit einem Ultimatum gekommen. Er hat von vornherein gesagt: Die Sache muß in acht Tagen erledigt werden. Er hat ferner eine Kommission bei sich gehabt, die ihn, glaube ich, selbst sehr gehandicapt hat, weil sie aus lauter Gegnern von ihm bestand. Er hat verschiedentlich indiskrete Mitteilungen in die Presse gegeben, die eine Regelung der Sache quasi schon als sicher hinstellten, ohne daß die betreffenden Herren in Washington von amerikanischer Seite schon eine dahingehende Äußerung geben konnten. Kurz und gut: Die ganzen Verhältnisse haben unter einem ziemlich ungünstigen Stern gestanden. Jedenfalls ist das Bedauern in den Finanzkreisen jetzt allgemein, und der Wunsch zum Entgegenkommen gegen Frankreich ist durchaus in großem Umfange vorhanden. Man soll sich nicht darüber täuschen, daß Amerika, was es irgendwie tun kann, zugunsten Frankreichs tun wird. Selbstverständlich ist die Bedingung einer definitiven Hilfe die Stabilisierung des französischen Franken und damit die Ausgleichung des Budgets, die ja in Frankreich keine außenpolitische Frage, keine Valutafrage ist, sondern eine innere Schuldenfrage. In der Lösung dieses ganzen Problems liegt meines Erachtens der nächste Schritt nach Locarno. Der erste Schritt war der Dawes-Plan, der zweite Schritt ist Locarno, der dritte Schritt wird zweifellos die Regelung der französischen Finanzen sein, und ich nehme an, daß dabei auch Gelegenheit sein wird, für uns etwas Weiteres herauszuholen.

Daß Caillaux die Situation verkannt hat, selbst etwas sehr verärgert über die ganze Frage gewesen ist, und daß der ganze Ausgang unerquicklich gewesen ist, wurde mir an einem kleinen Scherzwort erläutert, das vielleicht erfunden ist. Es wird drüben in der augenblicklichen Jahreszeit zum Essen regelmäßig als Vorspeise Melone angeboten, und beliebt ist die sogenannte Honigtau-Melone, die auf englisch „honey-dew-melon“ heißt; und als man am letzten Lunch vor der Abreise von Caillaux ihm wieder eine honey-dew-melon anbot, sagte er: Nein, ich habe mich daran satt gegessen und will mit money-due Mellon nie wieder etwas zu tun haben, d. h. mit einem Mellon, dem ich Geld schuldig bin.

Ich darf als Letztes noch die Haltung gegenüber Rußland erwähnen, ohne daß ich hier einen Namen nennen möchte. Aber ich glaube, sie ist in jeder Hinsicht striktest ablehnend. Man will mit einem Lande, welches seine Schulden nicht anerkennt und welches das Privateigentum nicht in vollem Umfang achtet, nichts zu tun haben und lehnt von vornherein jede Verhandlung über irgendwelche[967] Dinge ab, solange diese Voraussetzungen nicht geschaffen sind. Ich möchte das lediglich zur Erläuterung der Situation mitteilen.

Ich bin von dem Herrn Reichskanzler für die heutige Sitzung noch gefragt worden, ob ich nicht ein Wort darüber sagen könnte, welche Rückwirkungen finanzpolitisch von Locarno zu erwarten sind. Ich glaube, die Frage einmal negativ formulieren zu dürfen. Wenn Locarno nicht unterzeichnet worden wäre, so wäre nicht nur keine einzige Anleihe für die deutsche Wirtschaft oder für deutsche Kommunen oder Länder zustande gekommen, sondern es würden nach meiner Auffassung a tempo sämtliche ausländischen Gelder aus Deutschland zurückgezogen worden sein. Umgekehrt bedeutet Locarno für die amerikanische Bevölkerung und für die amerikanischen Politiker ein deutliches Zeichen dafür, daß Deutschland gewillt ist, denselben Weg der Lösung zu gehen, den Amerika mit dem Dawes-Plan vorgezeichnet hat; d. h. eine Lösung aus den politischen Schwierigkeiten, in denen sich Europa befindet, ist nach amerikanischer Auffassung nicht möglich durch politische Mittel, sondern nur durch wirtschaftliche und in engerem Sinn finanzielle und finanzpolitische Mittel. Ich glaube, daß dabei bei allem Wunsch, an Deutschland und an Europa möglichst viel Geld zu verdienen, im großen und ganzen doch bei der amerikanischen Bevölkerung in einem gegebenen Moment ein gewisser Idealismus durchbrechen wird, der sagt: Wir werden dieser ganzen Sache dadurch helfen, daß wir auf einen Teil unserer Ansprüche verzichten. Ich sage das auf Grund einer Reihe von sehr vertraulichen Unterhaltungen, die ich mit maßgeblichen Leuten gehabt habe, insbesondere auch solchen, die am Dawes-Plan mitgewirkt haben. Es ist mir in einer Unterhaltung etwa so formuliert worden: Im Augenblick weiß die amerikanische Öffentlichkeit noch nicht, daß der Dawes-Plan unausführbar ist und daß es eine Unmöglichkeit ist, jemals das Geld von den europäischen Ländern nach Amerika hereinzuholen; sie fängt aber schon an zu begreifen, daß eine Hereinholung dieser Gelder jedenfalls ganz unmöglich ist, wenn wir auf der Abschließungspolitik und auf unserer jetzigen Zollpolitik bestehen. Es wird also erstens die amerikanische Öffentlichkeit langsam über diese Entwicklung aufgeklärt werden müssen, und eines Tages wird die amerikanische Öffentlichkeit vor die Wahl gestellt werden, ob sie entweder europäische Waren zulassen will oder ob sie auf einen Teil ihres Geldes verzichten will; und in diesem Fall wird die Entscheidung zweifellos nach der letzten Seite hin fallen.

Reichskanzler Dr. Luther: Meine Herren, bevor wir in die Diskussion eintreten, möchte ich ein Wort vorweg sagen. Ich möchte den gleichen Wunsch, den der Herr Reichsbankpräsident wegen unserer Stellungnahme zum Dawes-Plan ausgesprochen hat, von mir aus mit allem Nachdruck unterstreichen. Die Aussichten, daß der Dawes-Plan sich in einem für uns möglichen Sinn allmählich verändert, liegen in der Natur der Dinge. Nach der Richtung wirken können wir aber niemals, wenn wir, wie es ja zum Teil in der deutschen Öffentlichkeit geschieht, immer wieder erklären: wir können ihn nicht ausführen; sondern wir wirken am stärksten in der Richtung, wenn wir unsererseits immer fast erstaunt tun, daß man uns mit derartigen Gesichtspunkten entgegenkommt. So wächst auf der anderen Seite die Überzeugung, vielleicht verbunden mit der Vorstellung der größeren Klugheit, die wir einmal haben, daß die Dinge doch[968] nicht funktionieren. Ich glaube, in diesem nur durch Behörden vertretenen Kreis das einmal ganz offen, so wie es tatsächlich liegt, aussprechen zu sollen, daß jedenfalls nicht aus deutschem Behördenmund jemals ein Wort fällt, das da sagt: die Geschichte ist unausführbar. Die Feststellungen kommen auch an mein Ohr in erfreulich steigendem Maße von den anderen und sind aus dem Munde der anderen erheblich wertvoller als aus unserem Munde.

Meine Herren, im übrigen ist an die Ausführungen des Herrn Reichsbankpräsidenten stets eine Aussprache angeschlossen worden. Ich glaube, wir sind alle dem Herrn Reichsbankpräsidenten für seine sehr ausführlichen Darlegungen sehr dankbar. Ich persönlich bin nun allerdings in eine gewisse zeitliche Bedrückung gekommen, da ich um 6 Uhr zum Herrn Reichspräsidenten gehen muß36; ich hatte nicht angenommen, daß die Verhandlungen so lange dauern würden. Herr Minister Brauns hat sich freundlicherweise bereit erklärt, an meiner Stelle den Vorsitz zu übernehmen. Ich nehme an, daß Diskussionsäußerungen erwünscht sind.

Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft Graf v. Kanitz: Herr Reichsbankpräsident, ich habe eine Frage an Sie zu stellen; sie betrifft die Krediterleichterungen, die Sie ja vorhaben und die ja auch schon einige Tage in der Presse erörtert worden sind. Im Kreise des Reichskabinetts und auch sonst von beachtlicher Seite sind jetzt Erwägungen gepflogen worden, ob es wirklich praktisch sei und nicht vielleicht preisverteuernd wirke, wenn jetzt die Reichsbank ihre Kreditrestriktion abbaute, und ob es nicht im Sinne einer Niederhaltung der Preise liege, wenn die Reichsbank zwar vielleicht etwas die Maschen lockerte, aber doch im großen und ganzen der Wirtschaft in diesem Moment nicht mit diesen großen Kreditsummen unter die Arme spränge, weil ja doch hierbei folgendes passieren kann. Es können gewisse Kreise der Wirtschaft, die immer noch, ich möchte sagen, an ein Wunder über Nacht glauben und immer noch denken, es kommt eine Besserung, sich doch vielleicht dadurch angereizt und angeregt sehen, auf ihren Waren sitzen zu bleiben und den Geldbedarf sich einfach durch neue Kredite zu beschaffen. Die Reichsregierung ihrerseits – und ich glaube, auch die Regierungen der Länder – hat natürlich das Bestreben, daß die ganze Politik so eingerichtet wird, daß die Waren unbedingt heraus müssen, und ich darf vielleicht, ohne aus der Schule zu plaudern, sagen, daß wir uns heute morgen im Kreise des Reichskabinetts über die Frage unterhalten haben, wenn auch nur ganz kurz, und doch einige der Herren der Ansicht waren, eine Ermäßigung des Diskonts würde im gegenwärtigen Moment praktischer sein als eine allzu große Vergrößerung der zur Verfügung gestellten Kredite37. Ich glaube persönlich, daß diese Befürchtung, soweit es die Landwirtschaft angeht, nicht berechtigt ist; denn die Landwirtschaft wehrt sich ja jetzt ganz besonders gegen neue kurzfristige Wechsel, und die Reichsbank könnte ja nur kurzfristige Kredite geben. Die Landwirtschaft sitzt außerdem[969] zur Zeit nicht auf Waren, sondern ist bestrebt, à tout prix, um ihre Zinsverpflichtungen und Rückgabeverpflichtungen zu erfüllen, die Waren abzustoßen. Daher ja auch der niedrige Stand der Erzeugerpreise. Anders könnte es noch bei gewissen Industrien liegen; ich kann es, wie gesagt, persönlich nicht beurteilen. Aber ich wäre doch sehr dankbar, wenn Sie, Herr Reichsbankpräsident, mitteilen könnten, ob Sie eine preissteigernde Wirkung bei der Kreditrestriktionslockerung etwa voraussehen oder befürchten.

Zweitens wäre ich für eine Beantwortung der Frage dankbar, ob Sie glauben, daß eine weitere Herabsetzung des Diskonts, was Sie ja nicht vorhaben, wie Sie eben sagten, sich nicht doch zum Besten der ganzen Wirtschaft und auch im Sinne einer weiteren Preissenkung auswirken könnte. Sie hätte ja nur insofern Sinn, als sie sich auch auf dem öffentlichen Geldmarkt durchsetzte, was ja bisher leider nicht geschehen ist. Von der letzten Diskontermäßigung der Reichsbank38 hat ja die übrige Wirtschaft nicht allzuviel gefühlt, sondern haben eigentlich nur diejenigen Nutzen gezogen, die direkt Reichsbankkredite bekommen haben. Ich persönlich möchte mich auch nicht für eine Diskontermäßigung der Reichsbank aussprechen – ich habe ja auch schließlich gar keinen Einfluß darauf –, solange nicht feststeht, daß die Banken und der öffentliche Geldmarkt auf diesem Wege folgt; sonst würde es wiederum nur eine Bevorzugung des beschränkten Kreises von Reichsbankgiranten sein.

Reichsbankpräsient Dr. Schacht: Einen Einfluß auf die Höhe der Zinssätze, Herr Minister, haben Sie selbstverständlich durch die Schlagkraft Ihrer Gründe, die Sie vorbringen. Wir sind selbstverständlich jederzeit bereit, all diesen Gründen nachzugehen und uns dadurch beeinflussen zu lassen.

Ich glaube aber, ich habe die beiden Momente, die der Herr Minister vorgebracht hat, in meinem Vortrage erwähnt. Ich habe auf die Gefahren hingewiesen, die auch der Herr Minister Graf Kanitz erwähnt hat, daß die Kreditvermehrung nämlich nicht in einem Umfang erfolgen darf und insbesondere auch die Notenausgabe nicht in einem Umfang erfolgen darf, der Preissteigerungen herbeiführt. In dem Augenblick, wo wir sehen würden, daß eine solche Bewegung droht oder ansetzt, würde zweifellos wieder zurückgehalten werden müssen.

Daß die Herabsetzung des Reichsbankdiskonts heute einen fühlbaren Einfluß auf die Zinssätze der übrigen Wirtschaft, also außerhalb des Kreises der Reichsbankdiskontanten, ausüben würde, ist uns nach allem, was wir festgestellt haben, sehr unwahrscheinlich, wenn es uns nicht geradezu ausgeschlossen erscheint. Die Banken haben gesagt, daß sie, durch die Konkurrenz der übrigen banklichen Geldnehmer, also Sparkassen, Girokassen usw., gezwungen, mit den Zinssätzen nicht heruntergehen könnten, d. h. auch wenn der Reichsbankdiskont heruntergesetzt würde. Nun würde man ja mit furchtbarem Druck und Hängen und Würgen vielleicht wieder auf die Bankiers einwirken können; aber, meine Herren, wir sind uns doch alle darüber klar, daß, solange diese Dinge nicht von der natürlichen Entwicklung getragen sind, sie halbe Maßnahmen bleiben. Auch die Provisionsherabsetzung von 3 auf 2,4% hat zweifellos[970] in einem gewissen Umfange Platz gegriffen, aber ich bin heute der festen Überzeugung, daß das Gros sämtlicher Bankkredite, wenn Sie die Provinzbanken usw. hinzunehmen, die Filialen der Banken, daß das Gros der Bankkredite über den normalen Zins- und Provisionssätzen liegt, die die Vereinigungen festgestellt haben. Da werden Risikozuschläge oder Bereitstellungszuschläge gefordert, denen Sie doch in keiner Weise beikommen können.

Reichskanzler Dr. Luther: Ich möchte, ehe ich bitte, mich verabschieden zu dürfen, zu dem Punkte doch eine kleine Bemerkung machen. Die Diskontpolitik der Reichsbank kann selbstverständlich nicht ohne Zusammenhang mit der Diskontpolitik der anderen Länder sein. Aber auch wenn man das sieht, erblickt man doch immer noch recht deutlich vor sich die Gesichtspunkte, die für eine Herabsetzung des Diskonts der Reichsbank sprechen. Zunächst einmal glaube ich, daß die von den Banken – aus dem Munde der Reichsbank habe ich es nie gehört –, von den Privatbanken öfter aufgestellte Theorie, Geldverbilligung bedeute unbedingt Warenverteuerung, doch mindestens in dieser Zuspitzung nicht richtig ist. Daß Geldvermehrung Warenverteuerung bedeuten kann, ist klar. Aber Geldverbilligung ist zunächst in den psychologischen Wirkungen etwas anderes als Geldvermehrung. Geldverbilligung ist schließlich eine Verbilligung der Produktionskosten überhaupt und kann sich infolgedessen auch durchaus als Warenverbilligung auswirken. Daß das sich alles nur mit Hängen und Würgen durchsetzt, wie der Herr Reichsbankpräsident sagt, daß es sich auch nicht hundertprozentig durchsetzt, das ist eine Erfahrung, die wir auf dem ganzen Gebiete des Preisabbaus bei jeder Gelegenheit gemacht haben. Aber wir haben andererseits bei der ganzen Preisbeeinflussung – und die Länderregierungen werden genau dieselbe Erfahrung gemacht haben wie die Reichsregierung – das eine gesehen, daß sich überhaupt nur eine These halten läßt, nämlich die These, daß die Verbilligungsaktion und die Beeinflussungsaktion auf der ganzen Linie ohne jede Ausnahme gemacht werden muß; denn für jeden Einzelfall weisen einem die diesem Einzelfall Nächststehenden immer nach, daß er belanglos ist für das Gesamtergebnis. Wenn Sie trotzdem sich das Gesamtbild ansehen, daß wir über eine Zeit, wo wir einen Zolltarif zur Einführung gebracht haben39, ohne Preissteigerungen, ja im großen und ganzen mit einer Preissenkungsbewegung hinweggekommen sind, dann ist das ein Beweis, daß die Aktion, wie sie die Reichsregierung in Verbindung mit den Länderregierungen gemacht hat, diese mühsame Aktion in gewissen Einzelmaßnahmen, durchaus richtig war.

Nun hat der Reichsbankdiskont eine besondere Eigenschaft. Er hat gegenüber allen anderen Preissenkungen, wie man sich vorstellen kann, etwas Signalhaftes. Er hat die Idee in sich: Die Dinge werden billiger, so daß mir, selbst wenn man rechnungsmäßig nicht alles nachprüfen kann, doch die Gesichtspunkte für eine Ermäßigung des Diskonts immer noch sehr stark zu sein scheinen.

Was die Krediterweiterung anbetrifft, so ist es an sich, wie mir scheint, richtig, daß in einer Zeit, wo die angebotenen Kredite vielfach nicht ausgenutzt[971] werden – denn so ist es doch, Herr Reichsbankpräsident? (Reichsbankpräsident Dr. Schacht: Teilweise!) –, teilweise nicht ausgenutzt werden, vielleicht der Zeitpunkt gegeben ist, wo man zu einem freieren System der Kreditgewährung übergehen kann, einer Loslösung von der Kreditzwangswirtschaft und der Kontingentierung oder wenigstens zu einer Auflockerung. Dieser Zeitpunkt ist zu einer solchen Maßnahme der relativ geeignetste; das wird man ohne weiteres der Reichsbank zugeben müssen. Auf der anderen Seite müssen sich ja diese Maßnahmen alle miteinander verzahnen, und da ist es vielleicht für die Herren der Länderregierungen nicht unwesentlich, wenn ich ihnen mitteile, daß das Reichskabinett heute morgen, bevor es seinen Rücktrittsbeschluß gefaßt hat, noch den Beschluß gefaßt hat, eine Reihe von gesetzgeberischen Maßnahmen in der Preissenkungsaktion dem Reichsrat vorzulegen40. Ich begrüße die Gelegenheit, das hier vor den Herren aussprechen zu können.

Darunter befinden sich gewisse Veränderungen der Kartellgesetzgebung. Darunter findet sich ein Gesetz gegen die Ringbildung. Darunter finden sich Veränderungen der Gewerbeordnung, die darauf abzielen, Ehrenstrafen und Ordnungsstrafen wegen Preisabweichungen gegen Innungsmitglieder nur noch dann verhängen zu können, wenn es sich um unlauteren Wettbewerb handelt, also Rückkehr zu dem gesunden System, das sich früher herausgebildet hatte. Bei der Kartellgesetzgebung derselbe Grundgedanke. Darunter findet sich schließlich auch das Gesetz über die Aufhebung der Geschäftsaufsicht und ihren Ersatz durch ein Zwangsvergleichsverfahren vor dem Konkurs.

Meine Herren, zu dem letzten Gesetz weiß ich, daß auch gerade aus den Kreisen der Länderregierungen vielfach der Wunsch geäußert worden ist, man möchte doch mit den Beratungen der Dinge fortfahren, man müßte doch eine Reihe von Verbänden und dergleichen hören. Das wird ja selbstverständlich für die einzelnen Länderregierungen im Reichsrat immer noch möglich sein. Wir mußten uns aber heute entschließen, dieses Gesetz vorzulegen, denn dieses Gesetz ist nach meiner Überzeugung überhaupt der Kernpunkt in den ganzen zu ergreifenden Maßnahmen. Es ist natürlich eine große Frage, ob man das Gesetz nicht viel glücklicher schon vor einem Jahre oder vor anderthalb Jahren hätte bringen sollen, zu einer Zeit, wo unsere Wirtschaft noch nicht unter der unmittelbaren Deflationskrise der gegenwärtigen Gestaltung der Dinge stand. Aber es jetzt nicht bringen, hätte etwas ganz Schlimmes bedeutet. Daß das Gesetz über die Geschäftsaufsicht nicht überhaupt zu ganz unmöglichen Verhältnissen geführt hat, ist meines Erachtens nur dem zu verdanken, daß wir bisher immer – erst Krieg, dann Inflation – diese Scheinblüte der Wirtschaft gehabt haben; denn sonst bedeutet das Gesetz über die Geschäftsaufsicht doch nichts weiter als eine Unzahl von Spezialmoratorien, die sich schließlich zu einem die Wirtschaft völlig stillegenden Generalmoratorium steigern. Diese Wirkung würde im Laufe dieses Winters bei den zu erwartenden Verhältnissen sicher eingetreten sein und würde die furchtbar schwere Krise, vor der wir stehen, zwar zunächst einmal so ein bißchen hingehalten, aber in ihren Gesamtwirkungen[972] noch ganz außerordentlich verschärft haben. Der jetzige Gedankengang, der den einzelnen Schuldner und damit auch das, was volkswirtschaftlich wertvoll am einzelnen Schuldner ist, davon freimacht, daß irgendein einziger dickköpfiger Gläubiger den Mann unbedingt in den Konkurs treibt – das soll ja der jetzige Zweck sein –, ist meines Erachtens gut. Da ist es eben, ohne daß der Konkurs eröffnet wird, möglich, den Zwangsvergleich mit gewissen qualifizierten Mehrheiten und Zustimmung von Behörden herbeizuführen. Das ist notwendig; das ist eine objektive Verbesserung. Aber beseitigt wird der Zustand von heute, daß man nicht mehr letzten Endes doch vor der Frage steht, entweder seine Schulden zu bezahlen oder in irgendeiner Form zu liquidieren oder Pleite zu machen. Dieser Zustand wird durch die Gesetzesvorlage beseitigt. Ich bin überzeugt, daß das Gesetz an sich auf die größten Schwierigkeiten stoßen wird, auch noch im Reichstag. Die Wirtschaftskreise machen gegen dieses Gesetz, das sie theoretisch in früheren Zeiten stark gefordert haben und das sie theoretisch auch heute noch für richtig halten, in der Praxis mit 10 000 Bedenken mobil. Das ist der Druck der Not, der heute auf der Wirtschaft liegt. Die Regierung würde aber, glaube ich, ihre Aufgabe des Regierens völlig vergessen, wenn sie nicht umgekehrt in dieser Zeit darauf hinwirkte und danach handelte, daß hier die soliden wirtschaftlichen Grundsätze wieder durchgeführt werden müssen.

Dazu, meine Herren, unsere ganzen Maßnahmen im Kartellwesen, im Innungswesen, unsere Maßnahmen gegen Ringbildungen. Alle diese Sachen gehen nicht isoliert, sondern gehen nur in großen Zusammenhängen. Und die große Zentralfrage ist nun einmal nach meiner Überzeugung die Frage der Geschäftsaufsicht. Ich hoffe mit Bestimmtheit, daß bereits das Herausbringen dieses Gesetzentwurfs eine nicht unerhebliche Wirkung in der Richtung ausüben wird, daß die Leute sich nicht mehr unter dem Schutz dieser künstlichen Geschäftsaufsicht in Deckung fühlen, also viel mehr überlegen, ob sie wirklich noch imstande sind, Kredite zu nehmen oder nicht.

Insofern hängt dieser Geschäftsaufsichtsgesetzentwurf eng mit der Absicht der Reichsbank zusammen, in der Kreditgestaltung an sich freier zu werden. Ich glaube sogar, daß das eine ohne das andere ganz unmöglich ist. Ich habe heute auch in diesem Sinne im Reichskabinett mich geäußert. Der Zusammenhang ist damit gegeben, und die Mitteilung ist insofern wichtig. Trotzdem glaube ich, daß die Reichsbank, wie auch der Herr Reichsbankpräsident zugesagt hat, sehr sorgfältig wird aufpassen müssen, ob sich im Einzelfall bei diesen Krediterweiterungen zeigt, daß daraufhin die Preise steigen. Zeigt sich das nämlich, meine Herren, dann ist das ein Beweis dafür, daß die Krediterweiterung dem wirklichen volkswirtschaftlichen Nutzen gar nicht entspricht; denn wenn wir daraufhin Preissteigerungen bekommen, entspricht das nicht dem Ziel, unsere Wirtschaft auf einer gesunden Grundlage wieder aufzubauen.

Darum wollte ich den Herrn Reichsbankpräsidenten bitten, erstens diese Frage noch nicht als erledigt anzusehen, sondern dieser Frage weiter in dem Sinn nachzugehen, ob sich nicht doch eine Diskontsenkung empfiehlt; und zweitens bei der in Aussicht genommenen Auflockerung der Kreditverhältnisse ganz besondere Obacht zu geben auf die Rückwirkung in der Preisfrage und auf[973] das Zusammenspielen mit diesen gesetzgeberischen Maßnahmen der Reichsregierung.

Die Herren vom Reichsrat bitte ich zu würdigen, daß wir mit diesen Gesetzen im Zusammenhang herauskommen mußten und daß infolgedessen dieser oder jene Einzelpunkt noch im Reichsrat besprochen werden kann.

Ich bitte die Herren um Entschuldigung, wenn ich mich jetzt empfehle.

(Reichsarbeitsminister Brauns übernimmt den Vorsitz.)

Thüringischer Finanzpräsident Dr. Jost: Ich möchte eine Frage an den Herrn Reichsbankpräsidenten richten. Kann die Reichsbank nicht etwas mehr darauf hinarbeiten, daß die Konkurrenz unter den Bankinstituten hinsichtlich der Zinsen, die für Depositen gegeben werden, etwas mehr eingeschränkt wird? Der Herr Reichsbankpräsident hat ausgeführt, daß ihm Fälle bekannt wären, daß Sparkassen für Geld mit monatlicher Kündigung 12% geben. Mir sind Fälle bekannt, wo noch weit höhere Zinssätze gegeben werden. Ich nehme an, daß eine Senkung des Zinssatzes in der Wirtschaft davon ausgehen muß, daß zunächst die Zinssätze, die gegeben werden, eingeschränkt werden. Die einzelnen Banken sind aber dazu gar nicht in der Lage wegen der Konkurrenz. Wenn eine Bank beispielsweise 6% bietet, dann bietet eine andere 7%, die dritte 8%, die vierte 9%, um die Gelder zu bekommen. Wir haben uns in einem Spezialfalle an die Reichsbank gewandt und haben von dort die Mitteilung bekommen, die Reichsbank hätte nur ein Interesse daran, die Zinssätze zu senken, die genommen würden, aber kein Interesse, die Zinssätze zu senken, die gegeben würden. Ich weiß, daß früher die Reichsbank sehr erheblich auf die Bankenvereinigungen eingewirkt hat, daß die Konditionen gehalten werden. Diese Konditionsgemeinschaft ist zur Zeit etwas ins Wanken geraten. Ich glaube, wir würden leichter zu einer Senkung der Zinssätze kommen, wenn die Reichsbank hier etwas fester die Zügel anfaßte und diejenigen, die unlautere Konkurrenz hinsichtlich der Zinssätze, die gegeben werden, machten, von dem Rückgriff auf die Reichsbank ausschlösse.

Dann eine weitere Frage. Die einzelnen Banken haben, wie bekannt ist, in erheblichem Maße Gelder von der Post und von der Eisenbahn. Wenn diese Gelder nun den öffentlichen Banken entzogen werden, wird die Reichsbank dann den öffentlichen Banken einen stärkeren Rückhalt gewähren? Diese Gelder sind ja selbstverständlich in der Wirtschaft angelegt, und zum Teil sind sie in Schnelligkeit nicht aus der Wirtschaft zurückzuziehen, namentlich die landwirtschaftlichen Kredite.

Dann eine dritte Frage. Eine Reihe von Banken benutzen zur Zeit die Reichsbank nicht, weil sie sich in der Reichsbank eine letzte Reserve halten wollen. Wenn die Reichsbank nunmehr ihre Kredite ausdehnt, wird diese Reserve dann nicht geschwächt? Wird nicht unter Umständen dann später, wenn bei irgendeiner Krise diese Organisationen und Unternehmungen an die Reichsbank herankommen, die Reichsbank sagen müssen: Wir können nicht mehr, wir haben unsere unmittelbaren Kredite an die Wirtschaft ausgedehnt und können infolgedessen den Banken nicht mehr einen größeren Rückhalt gewähren.

[974] Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft Graf v. Kanitz: Ich habe nur eine Frage an den Herrn Reichsbankpräsidenten zu richten, die vielleicht auch wie das, was eben gesagt worden ist, nicht ganz im Zusammenhang mit der heutigen Sitzung steht; das ist folgende Erscheinung, die sich hauptsächlich während der Abwesenheit des Herrn Reichsbankpräsidenten zugespitzt hat, daß nämlich die Wechselzinsen eigentlich überall teurer werden. Ich sehe das vor allen Dingen auf dem landwirtschaftlichen Gebiet, ich sehe es auch in meinem eigenen Betrieb, daß die Wechselzinsen erhöht werden, soweit es nicht Wechsel sind, die bei der Reichsbank untergebracht sind. Es heißt überall: Ja, wenn es ein Reichsbankwechsel ist, dann können wir mit 12 bis 14% rechnen. Die Reichsbank nimmt nur 9, und 5 werden dann daraufgeschlagen. Wir haben ja wieder dieselben hohen Zinssätze wie vor anderthalb Jahren in der Wirtschaft. Aber wenn es kein Reichsbankwechsel ist, werden ganz willkürliche Zinssätze zum Teil erhoben, vor allen Dingen von den unteren, nachgeschalteten Banken in den kleinen Städten und in der Provinz. Ich weiß nicht, ob überhaupt die Möglichkeit für die Reichsbank besteht, da etwas zu tun. Aber ich glaube doch feststellen zu müssen, daß, wenigstens soweit es mein Dienstbereich erweist, zum Teil mit einer absolut wucherischen Gebarung der Zinssätze für Wechsel jetzt zu rechnen ist, und ich wäre dankbar, wenn der Herr Reichsbankpräsident vielleicht ganz kurz sagte, wie er die Entwicklung beurteilt und ob nicht vielleicht doch die Reichsbank durch eine gewisse Kreditrestriktion bei Stellen, die sich einer solchen wucherischen Wechselgebarung schuldig machen, vorgehen könnte.

Reichsbankpräsident Dr. Schacht: Wenn ich mit dem letzten anfangen darf, so kann ich mir nicht denken, daß man der Reichsbank eine Aufgabe überträgt, die darin besteht, gewisse Wucherer dadurch zu bestrafen, daß man sie vom Kredit ausschließt; denn das würde bedeuten, daß die Reichsbank festzustellen hat, wer Wucher treibt, und ich glaube, daß alle Versuche, die in der Richtung eines Wuchergesetzes gehen oder eines Ersatzes für ein Wuchergesetz, doch sehr große Bedenken nach der moralischen und politischen Seite hin haben. Ich würde eine solche Aufgabe für die Reichsbank, offen gesagt, nicht gern übernehmen, ganz abgesehen davon, daß die Leute, die sich bewuchern lassen, alles Interesse daran haben, die Dinge nicht zur Kenntnis der Reichsbank kommen zu lassen. Denn wenn wir in der Tat – ich stimme Herrn Grafen Kanitz darin durchaus bei – heute eine anziehende Tendenz in den Zinsen sehen, so ist die Ursache dafür meines Erachtens darin gegeben, daß die Güte der Wechsel und die Güte der Kredite nachgelassen hat, d. h. es geht der deutschen Wirtschaft schlecht, es kommt jetzt der Moment, wo aus der deutschen Wirtschaft eine Reihe von Betrieben ausscheiden müssen, und bevor diese Betriebe sich zum Selbstmord verurteilen, versuchen sie noch, mit allen möglichen Hilfsmitteln sich durchzusetzen und über Wasser zu halten, und versprechen dabei unter Umständen Zinsen, die sie gar nicht tragen können und die in erster Linie zu Verlusten seitens der Geldgeber führen müssen, wogegen diese sich natürlich durch hohe Risikoprämien zu schützen suchen. Ich glaube, daß diese Dinge so sind, daß sie nicht durch eine willkürliche Handhabung der Reichsbankpolitik beseitigt werden können, sondern daß das ein natürlicher Ausleseprozeß[975] ist, der nur dadurch geändert werden kann, daß die Wucherer ihr Geld verlieren und der Bewucherte kaputtgeht, d. h. daß nur diejenigen, die gute Sicherheiten für Kredite, seien es Spezialsicherheiten, seien es in der Art ihres Geschäftsbetriebes liegende, bieten können, überhaupt noch kreditfähig bleiben und Kredite bekommen. Ich glaube, daß irgendeine andere Möglichkeit gar nicht vorhanden ist.

Ich möchte betonen, daß die Ausführungen des Herrn Grafen Kanitz durchaus in der Richtung gegen eine Herabsetzung des Reichsbankdiskonts liegen, wie er ja selbst auch vorhin gesagt hat, daß er nicht der Ansicht sich unbedingt anschließen kann, daß eine Herabsetzung des Diskonts nützlich ist. (Reichsminister Graf v. Kanitz: Weil gewisse Voraussetzungen nicht gegeben sind!) – Sie sagen vollkommen richtig, es vollziehen sich hier Geldgeschäfte, die von der Reichsbank vollständig unabhängig sind, sich im geheimen und in Winkelgeschäften abspielen und gar nicht zur Kenntnis der Reichsbank kommen, auf die infolgedessen auch die Herabsetzung des Diskonts gar keinen Einfluß haben kann. Dieses selbe Moment trifft in einem gewissen Umfange zu auf die Frage der Habenzinsen. Es wird keine Regelung stattfinden können, die alle Geldgeber umfaßt, und neben den anständigen Banken, den anständigen Sparkassen und Girokassen usw., die sich einer allgemeinen Regelung anschließen, werden sich immer andere finden, die es nicht tun; und wenn es die Banken nicht sind, dann wird das Geld von privaten Geldhändlern und Wucherern herangezogen. Das sind Dinge, die sich in ihrer natürlichen Auslese auswirken müssen und wo der Reichsbank tatsächlich eine Aufgabe zugemutet wird, die man nicht übernehmen kann.

Ich darf bemerken, daß seitens des Reichswirtschaftsministeriums regelmäßig für eine gewisse Erhöhung der Habenzinsen eingetreten worden ist, um die Sparkraft zu erhöhen und die Anlegung flüssiger Geldbestände bei den Banken zu stärken. Im übrigen ist ja bekannt, daß die Banken in diesen Dingen eine Vereinigung haben, und soweit in den Kreisen der Girokassen und Kommunalbanken diese Bewegung nach einheitlicher Regelung der Habenzinsen unterstützt werden kann, würde ich es außerordentlich begrüßen. Wir sehen aber, daß die meisten Auswüchse sich konstatieren lassen – ich sage nicht, daß sie vorhanden sind, sondern sich konstatieren lassen – gerade bei kommunalen Anstalten und Sparkassen. Wenn in einem Schreiben von uns zum Ausdruck gebracht worden ist, daß wir in erster Linie an der Herabsetzung der Debetzinsen interessiert sind, so soll damit keineswegs gesagt sein, daß wir an sich einer generellen Erhöhung der Habenzinsen ablehnend gegenüberstehen. Wir sind in dieser Beziehung mit dem Reichswirtschaftsministerium eigentlich immer ziemlich einig gewesen, unterscheiden uns vielleicht nur darin etwas, daß wir keine Zwangsmaßnahmen sehen, die nach der Richtung hin wirken können.

Was die Postgelder anlangt, so würden, wenn diese Gelder wirklich für gute wirtschaftliche Zwecke verwendet worden sind, bei einer Krediterweiterung der Reichsbank keine Bedenken bestehen, diese Zwecke ihrerseits nunmehr zu übernehmen und die Post damit von ihren Anlagen zu befreien.

[976] Was die Reserve der Banken bei der Reichsbank anlangt, so haben wir selbstverständlich diesen Gesichtspunkt bei unserer ganzen Kreditbemessung im Auge. Wir werden selbstverständlich die Inanspruchnahme am Monatsende sowohl wie die eventuell notwendige Inanspruchnahme durch die Banken im Auge behalten bei der Ausdehnung unserer Kreditgewährung, und ich glaube, auch hier sagen zu können, um auf die ersten Ausführungen von Herrn Grafen Kanitz zurückzukommen, daß wir die allgemeinen Auswirkungen, die aus einer reichlicheren Kreditgewährung eventuell erfolgen können, sehr sorgfältig im Auge behalten werden.

Bayerischer Finanzminister Dr. Krausneck: Meine Herren! Der Herr Reichsbankpräsident hat die Frage der Beschaffung von Betriebsmitteln durch die Reichsregierung berührt und hat darauf hingewiesen, daß die Ansammlung der öffentlichen Gelder dadurch beeinflußt ist, daß das Reich nicht in der Lage ist, sich ein Betriebskapital anstelle des verlorengegangenen zu beschaffen, weil es mangels entsprechender Rediskontierungsmöglichkeit nicht zur Ausgabe der Schatzwechsel schreiten konnte. Er hat erfreulicherweise in Aussicht gestellt, daß nach dieser Richtung eine Änderung eintreten wird. Das Reich wird also dann in der Lage sein, Schatzwechsel auszugeben und sich auf diese Weise die nötigen Betriebsmittel dadurch zu beschaffen, daß die Rediskontierungsmöglichkeit bei der Reichsbank besteht. Ich darf aber ohne weiteres annehmen, daß das, was er hier für das Reich in Aussicht stellt, auch für die Länder eintreten wird; denn bekanntlich haben alle Länder auch Betriebskapitalien gehabt, die durch die Inflation verlorengegangen sind. Wir sind jetzt in der sehr unangenehmen Lage, daß wir aber auch keine 100 M Betriebskapital neu ansammeln konnten, und ich glaube, auch die übrigen Länder, selbst Preußen, das sich vielleicht in günstigerer Lage befindet, werden sich in der Lage sehen, daß die Überschüsse der letzten Jahre durch das Defizit des vergangenen Jahres wieder aufgezehrt werden, und werden infolgedessen auch ihr Betriebskapital verlorengegangen sehen. Sie werden also ebenfalls vor der Frage stehen: Wie soll in Zukunft bezüglich der Betriebsmittel verfahren werden? Es ist klar, daß kein öffentlicher Haushalt arbeiten kann, wenn er nicht eine gewisse Stütze auf ein Betriebskapital hat, sei es auch nur in mäßigem Umfang. Ich kann also annehmen, daß der Herr Reichsbankpräsident ohne weiteres auch für die Länder eine derartige Rediskontierungsmöglichkeit für Schatzwechsel zulassen wird.

Damit stehen in einem gewissen Zusammenhang die Ausführungen, die er bezüglich der Anleihen der Länder bei der Post gemacht hat. Meine Herren, das ist, soweit es geschehen ist, gerade darauf zurückzuführen, daß eben ein Betriebskapital bisher gefehlt hat, daß es nicht möglich gewesen ist, langfristige Anleihen aufzunehmen. Und nun möchte ich fragen: Auf welche Weise sollte das nötige Betriebskapital beschafft werden? Wie sollten die Betriebsmittel bisher beigebracht werden? Wenn es möglich ist, Schatzwechsel mit der Rediskontierungsmöglichkeit auszugeben, so wird es ohne weiteres auf diesem Wege möglich sein, sich die nötigen Betriebsmittel zu beschaffen. Also diese beiden Fragen stehen in einem gewissen inneren Zusammenhang, und eine Rückzahlung der aufgenommenen Kredite ist nicht eher möglich, bis nicht eben ein[977] Ersatz für das verlorengegangene Betriebskapital auf dem von dem Herrn Reichsbankpräsidenten angedeuteten Wege ermöglicht ist.

[…]

Staatssekretär im Reichsfinanzministerium Dr. Fischer: Meine Herren! Das Projekt, welches aus den Mitteilungen über den Beschluß des Generalrates ersichtlich ist, interessiert ja natürlich in allererster Linie die Reichsfinanzverwaltung, die sich mit der Angelegenheit naturgemäß noch nicht beschäftigt hat. Es ist daher vollkommen unmöglich wie auch nicht der Zweck der Sache, hier dazu Stellung zu nehmen. Ich möchte nur noch einmal – es ist ja schon so oft darauf hingewiesen worden – auf folgende Punkte hinweisen.

Es ist richtig, daß die Reichsfinanzverwaltung augenblicklich über gewisse Beträge verfügt, die ja der Reichsbank zum allergrößten Teil anvertraut sind; gewisse landwirtschaftliche Kredite sind ja auf anderem Wege gegangen. Das sind Gelder, von denen Sie ja alle wissen, daß sie nicht langfristig zur Verfügung stehen werden, sondern daß sie in verhältnismäßig raschem Tempo verschwinden müssen; denn sie sind für Ausgaben bestimmt, die in den Etats stehen und die etatstechnisch gesprochen zum guten Teil Ausgabenreste sind. Ich erinnere z. B. bloß an die bekannten 150 Millionen für die Durchführung eines gewissen Teils des Anleiheablösungsgesetzes41. Das Geld ist natürlich da, es ist noch nicht ausgegeben, es wird aber ausgegeben. Ich erinnere an die Summen für die Durchführung, die nach den Entschädigungsrichtlinien da sind, aber noch der Verwendung harren42. Und so sind eine ganze Reihe von anderen Posten, die zusammenaddiert das ergeben, was die Reichsfinanzverwaltung augenblicklich als Betriebsmittel hat.

Nun sind diese Gelder auf dem eben erwähnten Wege wieder als kurzfristiges Geld, zum Teil als Tagesgeld, in die Wirtschaft geflossen und erwecken, wie ja bekannt ist, den Anschein, als ob auf die Dauer sehr viel kurzes Geld da wäre. Beweis dafür ist die Situation auf dem Privatdiskontmarkt. Augenblicklich könnte ich mir vorstellen, daß die Banken, wenn man die Dinge so ließe, wie sie sind, in der Lage wären, kurzfristige Schatzwechsel zu kaufen. Aber wie die Banken in der Lage sein sollen, später, wenn alle diese Ausgabenreste einmal getilgt sind und die Reichsfinanzverwaltung dem Markte dieses Geld also nicht mehr zur Verfügung stellen kann und wenn das Reich selbst mit Ausnahme eines den Bedürfnissen zweifellos nicht genügenden Betriebsfonds kein weiteres Geld mehr hat, wie die Bankwelt dann in der Lage sein soll, kurzfristige Schatzwechsel des Reiches so aufzukaufen, wie sie es heute vielleicht könnte, das ist meines Erachtens die Frage, die sich die Reichsfinanzverwaltung bei der Erörterung des Projektes, welches hier bekannt geworden ist, zu überlegen haben wird.

Aber so oft ich in diesem oder in einem ähnlichen Kreise die Möglichkeit hatte zu sprechen, habe ich nicht versäumt und möchte ich auch hier die Gelegenheit[978] nicht versäumen, wiederum festzustellen, daß die Dinge nicht so liegen, wie die Zeitungen es sich vorstellen und wie es in vielen Köpfen auch außerhalb des Zeitungskreises sich darstellt, als ob etwa eine Überbesteuerung auch jetzt noch vorliege. Das ist eben nicht der Fall, sondern alles, was in den Übergangsjahren nach der Währungsstabilisierung passiert ist, das ist in den Nachwirkungen und dem Auslauf vom Standpunkt der heutigen Steuergesetzgebung, vom Standpunkt des heutigen Finanzausgleichs gelegen. Die Dinge sehen für das Reich total anders aus, und das wird sich sehr bald auswirken. Und erst wenn diese Auswirkungen sich einmal klar übersehen lassen, dann wird meines Erachtens die Frage der Führung der Reichsfinanzverwaltungsgeschäfte und die Frage, welche Lasten man dem Reiche aufpacken kann und auch der Wirtschaft aufpacken kann, in das richtige Licht gesetzt sein. Die Schwierigkeiten bestehen eben heute darin, daß diese Dinge für die Betrachtung des großen Publikums und auch eines großen Teils der Herren in den Fraktionen noch undurchsichtig gemacht sind oder undurchsichtig erscheinen durch das, was ich die Nachwirkungen und den Auslauf eben bezeichnet habe. Aber, wie gesagt, das sind Dinge, die eigentlich überhaupt nicht hierher gehören. Ich wollte nur sagen: Die Reichsfinanzverwaltung wird selbstverständlich diese Gedanken, die außerordentlich interessant sind, wie sie der Generalrat eruiert hat, sich sehr ernstlich zu Gemüte führen. Aber ich glaube, man wird zu einer klaren Erkenntnis dieser Dinge erst kommen, wenn man weiß, wie die Ausgaben sind und wie diese Ausgaben durch die Steuern gedeckt werden.

Reichsbankpräsident Dr. Schacht: Meine Herren, was das Stenogramm der heutigen Sitzung anlangt, so glaube ich, daß es nach einer Durchsicht doch unbedenklich den Herren mitgeteilt werden könnte43; selbstverständlich nur vertraulich.

Ausdrücklich betonen möchte ich nochmals, daß ich die Anleihe der Post oder die Zwecke, die die Post mit ihrem Plane verfolgt, für unbedingt erforderlich und notwendig halte, daß ich aber glaube, daß man bei der Durchsprechung dieser Dinge die Regelung der Frage der Anlage der Postgelder nicht zurückstellen darf; und da diese Dinge für die Ländervertreter von großer Bedeutung sind, so habe ich geglaubt, doch wenigstens hier darauf hinweisen zu müssen, damit die Ländervertreter nicht vor Überraschungen gestellt werden.

Im übrigen habe ich auch geglaubt, die Fragen, die im Generalrat besprochen worden sind, hier vorbringen zu müssen, weil es schließlich eine Angelegenheit ist, die, wie auch die Ausführungen des Herrn Finanzministers Dr. Krausneck beweisen, die Länder im höchsten Maße interessieren.

Was die Rediskontierung von Schatzwechseln der einzelnen Länder betrifft, so sind die Länder ja in einer sehr viel besseren Situation insofern, als sie die Staatsbanken44 zur Verfügung haben, denen ihrerseits die Reichsbank[979] wiederum von Zeit zu Zeit helfen kann. Wenn ich mit einem solchen Plan heute vor den Generalrat getreten wäre, wäre ich selbstverständlich einer glatten Ablehnung begegnet, und ich würde damit auch das Projekt, wie es jetzt vorliegt, zu Fall gebracht haben. Ich glaube, daß das taktische Vorgehen eine andere Maßnahme nicht erlaubte.

Im übrigen möchte ich zu den Ausführungen, die Herr Staatssekretär Fischer eben gemacht hat, empfehlen, daß wir uns nun erst einmal zwischen Reichsbank und Reich über diese Frage eingehend unterhalten, bevor wir in die Details hineingehen.

Bayerischer Finanzminister Dr. Krausneck: Zu den letzten Ausführungen des Herrn Reichsbankpräsidenten möchte ich nur sagen, daß auch die Staatsbanken in den Ländern nicht in der Lage sein werden, die Schatzwechsel aufzunehmen, wenn nicht die Möglichkeit der Rediskontierung bei der Reichsbank besteht. Also es wird zur Voraussetzung haben, daß auch für die Länder in dieser Weise ein Weg geschaffen wird, um den Schatzwechseln die Wege zu ebnen. Wenn das nicht der Fall ist, sehe ich nicht ein, wie in der Tat für uns der Weg der Schatzwechsel gangbar sein soll.

Der Herr Staatssekretär Fischer hat mit Recht darauf hingewiesen, daß die Steuerüberschüsse wohl sehr bald verschwunden sein werden. Ich bin durchaus derselben Meinung. Wenn das Ergebnis der Steuerveranlagung einmal zutage treten wird, dann, glaube ich, wird sehr wenig von diesen Steuerüberschüssen zu spüren sein. Dann wird an das Reich in gleicher Weise wie an die Länder die Frage herantreten: Wie soll denn nun vom geldlichen Standpunkt aus gewirtschaftet werden? Wie sollen Reich und Länder über die Schwierigkeiten hinwegkommen, die durch den Verlust des Betriebskapitals eingetreten sind? Das Reich hat früher, glaube ich, 400 oder 600 Millionen Betriebskapital gehabt, wir rund 100 Millionen. Dazu war noch die Möglichkeit der Schatzwechselausgabe, und außerdem konnten die Erfordernisse des außerordentlichen Budgets ganz leicht im Wege einer langfristigen Anleihe gedeckt werden. Alle diese Wege sind jetzt verschlossen. Das Betriebskapital ist durch die Inflation erledigt. Schatzwechsel können, solange nicht die Rediskontierungsmöglichkeit besteht, nicht mit Erfolg ausgegeben werden, und langfristige Anleihen stehen auch nicht zur Verfügung. Der Versuch, wenigstens soweit die produktiven Verwaltungen in Betracht kommen, Vorlagekredite zu erhalten, ist, wie der Herr Reichsbankpräsident sich erinnert, leider gescheitert. Es ist mir auch selbst noch zweifelhaft, ob es möglich ist, aus dem Inland selbst für die Schatzwechsel die nötigen Mittel zu bekommen. Wenn man auch zugeben kann, daß, wenn die Steuern nicht mehr in dem Maße angespannt sind, dann mehr Geld in der Wirtschaft ist, die sich dann die Schatzwechsel kaufen kann, so scheint es doch fraglich zu sein, ob es in solchem Umfange der Fall ist, daß die Schatzwechsel in nennenswertem Umfange verlangt werden. Das ist ein sehr heikles Problem, und es kann leicht sein, daß dadurch die öffentlichen Körperschaften in die allerschwierigste Situation kommen. Man muß sich nur vorstellen, daß die Ausgabe vielleicht laufend geleistet werden muß, während die Einnahmen zu ganz verschiedenen Zeiten einkommen. Daraus kann sich eine unmittelbare akute Geldkrise ergeben, und das wird in umso stärkerem Maße hervortreten, je[980] weniger mit Überschüssen aus den Steuern zu rechnen ist. Darum möchte ich den Herrn Reichsbankpräsidenten dringend bitten, diese Frage ja nicht bloß für das Reich zu prüfen, sondern auch für die Länder.

Der Herr Staatssekretär Fischer hat noch auf einen Gesichtspunkt hingewiesen. Er hat gesagt, aus der Überschußwirtschaft ist eine gewisse psychologische Stimmung hervorgerufen worden; man meint, die Sache müßte so fortgehen und man könnte infolgedessen auch viele Ausgaben bewilligen. Meine Herren, tatsächlich besteht zur Zeit eine derartige Lage, die zu den größten Besorgnissen Anlaß geben muß. Es ist erfreulich, wenn wir von dem Herrn Reichsbankpräsidenten hören, daß das Ausland sehr gern sein Geld auch bei uns anlegt, wenn sich auch jetzt gewisse Zurückhaltungen bemerkbar machen. Aber, meine Herren, wenn wir das ganze Gebaren ansehen, wie es sich jetzt im Reichstag und auch in den einzelnen Parlamenten kundgibt, dann haben wir Ursache, die allerlebhaftesten Besorgnisse zu erheben, wo das hinführen soll. Wenn man auf der einen Seite mit allem Nachdruck eine Steuerverminderung verlangt und auf der anderen Seite sich gegenseitig in der Bewilligung von Ausgaben überbietet, dann sehe ich wahrhaftig nicht ein, wie wir vor einer katastrophalen Lage bewahrt werden sollen.

Also, meine Herren, die Dinge sind außerordentlich ernst, und wenn wir auch in dieser Betriebsmittelfrage nicht die genügende Stütze bekommen, dann kann eine Krise eintreten, von deren Ausmaß man sich heute noch keine Vorstellung macht.

Reichsarbeitsminister Dr. Brauns: Wir kommen damit bald in die hohe Politik hinein. Ich weiß nicht, ob wir in dieser Weise fortfahren sollen, denn alle diese Fragen enden letzten Endes in der Regierungsbildung, welche Parteien mittun müssen usw., damit wir übertriebene Forderungen bekämpfen. Wir kommen auf ein sehr weites Gebiet. Ich will das nur andeuten, um zu sagen, daß die Diskussion am Samstagabend eine Grenze hat. Ich glaube, viele Herren werden diese Andeutung begrüßen.

Meine Herren, ich muß leider die Sitzung verlassen. Herr Graf Kanitz wird die Geschäfte weiterführen.

(Reichsminister Graf v. Kanitz übernimmt den Vorsitz.)

Braunschweigischer Finanzpräsident Dr. Stübben: Meine Herren, wir nehmen dankend Kenntnis von der Mitteilung des Herrn Reichsbankpräsidenten, daß die Reichsbank den Staatsbanken der Länder hier und da helfen wolle, wenn die Postkredite zurückgezogen würden. Aber es steht doch wohl fest, daß diese Hilfe nur dann möglich ist – und da folge ich den Ausführungen des Herrn bayerischen Finanzministers –, wenn eben die Reichsbank sich in der Lage sieht, in gewissem Umfange Schatzwechsel der einzelnen Länder zu rediskontieren. Wir kommen sonst in den einzelnen Ländern, die Postkredite haben, doch in eine ganz außerordentlich gefährliche Situation. Der Anleiheweg ist versperrt, nicht aus der allgemeinen wirtschaftlichen Lage heraus, sondern weil die Reichsbank die Länderanleihen nach dem Reichsbankgesetz nicht mehr lombardieren kann. Es ist Ihnen bekannt, daß auf dem letzten Bankiertage gefordert worden ist, daß die sämtlichen öffentlichen Anleihen, also auch diejenigen[981] der Staaten, unter das Votum der Zulassungsstelle45 zu kommen hätten. Ich nehme an, daß auf diesem Gebiet auf seiten der Länder eine ziemlich einmütige Ablehnung vorhanden sein wird. Aber Sie sehen, wie diese Tendenz mehr und mehr dahin geht, die Kreditmöglichkeiten der Länder, die ohnehin stark erschüttert sind, weiter zu vermindern. Wird nun auch noch das Postgeld den Ländern weggezogen, dann befinden sich die Länder in einer ungleich schlechteren Situation als das Reich, dem die Rediskontmöglichkeit eröffnet werden soll46, und so möchte ich hoffen, daß die Ausführungen über die Zurückziehung der Postgelder nicht das letzte Wort gewesen sein mögen, sondern daß sich da Mittel und Wege finden lassen, die den außerordentlich gerechtfertigten Länderbelangen ihrerseits gerecht werden.

Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft Graf v. Kanitz: Der Herr Reichskanzler hat mich noch gebeten, eine Frage zu stellen, die er schon gestellt hat, die aber wohl noch nicht beantwortet ist, nämlich die Nichtausnutzung der Kreditkontingente bei der Reichsbank. Sie sagten wohl selbst, und dem Herrn Reichskanzler ist es auch bekannt, daß gewisse Kontingente nicht ausgenutzt werden. Der Herr Reichskanzler wäre dankbar zu wissen, ob das zutrifft und in welchem Maße das zutrifft.

Reichsbankpräsident Dr. Schacht: An sich machen wir die Beobachtung, daß die Nichtausnutzung der Kontingente im wesentlichen darauf zurückzuführen ist, daß die ganze Situation der Industrie sich erheblich verschlechtert hat, und der Versuch, den wir machen wollen, ist, ob wir eventuell durch eine Erleichterung der Kreditgewährung denjenigen Industrien aufhelfen können, die es verdienen, die aber jetzt einfach durch die Kontingentsbegrenzung an die Quelle überhaupt nicht herankommen. Das erfordert eine gewisse individuelle Auslese, die durch die einzelnen Anstalten vorgenommen werden muß, und ich glaube, daß die Reichsbank zu irgendwelchen weiteren Schritten nicht Stellung nehmen kann, bevor nicht einmal durch die Praxis festgestellt worden ist, ob reichsbankfähiges Wechselmaterial noch vorhanden ist, das bisher durch die Kreditrationierung ferngehalten wurde.

[…]

Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft Graf v. Kanitz: Meine Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir sind deshalb am Schluß. Ich danke nochmals dem Herrn Reichsbankpräsidenten für seine Ausführungen.

(Schluß der Sitzung 18.45 Uhr.)

Fußnoten

1

Der RbkPräs. war von Luther durch Kempner mit Schreiben vom 27. 11. um alsbaldige Berichterstattung über folgende Fragen gebeten worden: „a) Wie ist die augenblickliche Kreditlage der Reichsbank und welche Möglichkeiten stehen zur Zeit der Reichsbank noch offen, um den Kreditbedürfnissen Rechnung zu tragen? Welchen Einfluß wird insbesondere der Abschluß der Locarnoverträge auf die Kreditpolitik der Reichsbank ausüben? b) Wie beurteilt die Reichsbank die künftige Kreditgewährung des Auslandes an Deutschland? Werden sich die Zins- und Provisionsbedingungen des Auslandes künftig leichter gestalten? c) Hat die Reichsbank im Hinblick auf die Locarnoverträge und die Gestaltung des Goldmarktes in Deutschland, vor allem im Hinblick auf die Ermäßigung der Sätze am Privatdiskont die Möglichkeit, den Reichsbankdiskont herabzusetzen? Bejahendenfalls, wann wird dies geschehen können?“ (R 43 I /634 , Bl. 201).

2

Das Protokoll ist nicht unterzeichnet. Es wurde vor seiner Zustellung an die Sitzungsteilnehmer (6.1.26) dem RbkPräs. zur Durchsicht übergeben und von diesem mit einigen sachlichen und zahlreichen stilistischen Änderungen versehen (R 43 I /634 , Bl. 215-294, 297 f.).

3

Lt. beigefügter handschrl. Anwesenheitsliste.

4

Derartige Berichte des RbkPräs. hatten in der Amtszeit des Kabinetts Luther – allerdings vor kleinerem Teilnehmerkreis – bisher zweimal stattgefunden, und zwar am 26. 2. und 14.8.25. S. Dok. Nr. 29 und 146.

5

Der Reichsbankdiskont beträgt seit 26.2.25 (bis dahin 10%) 9%. Er wird im Januar 1926 auf 8% herabgesetzt.

6

S. Anm. 26 zu Dok. Nr. 146.

7

Zur Frage der Prolongation der umlaufenden Düngemittelwechsel und zur Gesamtsituation auf dem Gebiet des landwirtschaftlichen Kreditwesens s. Dok. Nr. 227 und 229, P. 3.

8

Reichsbankgesetz vom 30.8.24 (RGBl. II, S. 235 ).

9

S. dazu Anm. 10 zu Dok. Nr. 29.

10

S. dazu Anm. 11 zu Dok. Nr. 146.

11

S. Anm. 8 zu Dok. Nr. 146.

12

S. Anm. 16 zu Dok. Nr. 29.

13

Parker Gilbert, Generalagent für Reparationszahlungen.

14

Vgl. Anm. 4.

15

Vgl. die Ausführungen des RbkPräs. in der Besprechung mit Ländervertretern am 2. 10. (Dok. Nr. 169).

16

Die Dt. Rentenbank hatte bei ihrer Errichtung durch VO vom 15.10.23 (RGBl. I, S. 963 ) das Recht erhalten, Rentenbankscheine bis zu 2,4 Mrd. Rentenmark auszugeben, von denen 1,2 Mrd. als Kredit an das Reich und 1,2 Mrd. als Kredit an die Privatwirtschaft gewährt werden sollten. Diese Tätigkeit endete mit dem Erlaß des „Gesetzes über die Liquidierung des Umlaufs an Rentenbankscheinen“ vom 30.8.24 (RGBl. II, S. 252 ), das die Rentenbank verpflichtete, die erwähnten Kredite allmählich abzuwickeln und – in Zusammenarbeit mit der Rbk – die noch im Umlauf befindlichen Rentenbankscheine (1924: 1,7 Mrd., 1925: 1,5 Mrd., 1926: 1,2 Mrd., 1930: 376 Mio) binnen zehn Jahren einzuziehen.

17

Der nachfolgende Bericht des RbkPräs. über seine Verhandlungen in den USA, wo er sich seit Mitte Oktober mehrere Wochen aufgehalten hatte, ist größtenteils auch abgedr. in: ADAP, Serie B, Bd. I, 1, Dok. Nr. 7 (insges. 13 Seiten).

18

Über Errichtung und Aufgaben der Dt. Rentenbank-Kreditanstalt s. Anm. 18 und 19 zu Dok. Nr. 16 und Dok. Nr. 76, P. 2.

19

Gemeint sind Hypothekenpfandbriefe, die mit einer Gold- oder Feingoldklausel ausgestattet sind, welche bestimmt: Der Schuldbetrag ist in Gold- oder Feingold zu entrichten. Feingold muß mindestens 750/1000 reines Gold enthalten.

20

Vgl. den Bericht des RbkPräs. vom 14. 8. (Dok. Nr. 146, s. dort auch Anm. 35).

21

Zum Transfer der Reparationszahlungen s. „Die Berichte der von der Reparationskommission eingesetzten beiden Sachverständigenkomitees vom 9. April 1924“ (Sachverständigen-Gutachten), S. 37 f. und 137 ff.; s. auch das „Gesetz über die Londoner Konferenz“ vom 30.8.24 (RGBl. II, S. 289 ).

22

Das Dawes-Abkommen sieht lediglich die wirtschaftliche Räumung des Ruhrgebiets vor, d. h. die Beseitigung der nach dem 11.1.23 von den Besatzungsmächten verordneten Beschränkungen der dt. fiskalischen und wirtschaftlichen Gesetzgebung. Vgl. das Sachverständigen-Gutachten (s. Anm. 21), S. 4 f. und das „Gesetz über die Londoner Konferenz“ (RGBl. 1924 II, S. 329 ). Allerdings hatten die MinPräs. Frankreichs und Belgiens in einem gemeinsamen Schreiben, das sie am Schlußtage der Londoner Dawesplan-Konferenz (16.8.24) an RK Marx richteten, die Räumung des Ruhrgebiets binnen Jahresfrist zugesichert, falls Dtld. seine in London übernommene Verpflichtung zur Durchführung des Sachverständigen-Gutachtens unverzüglich erfüllen würde (Ursachen und Folgen, Bd. VI, Dok. Nr. 1262 a).

23

Vgl. den Bericht des RbkPräs. vor diesem Gremium am 14. 8. (Dok. Nr. 146).

24

S. dazu Anm. 15 zu Dok. Nr. 29.

25

Eine derartige Änderung des Bankgesetzes (s. Anm. 8) erfolgt im Juli 1926, wobei der jeweils bei der Rbk zulässige Bestand an Schatzwechseln des Reichs auf 400 Mio RM festgelegt wird. S. dazu Dok. Nr. 322, P. 3.

26

Vgl. die Ausführungen Schachts vor den MinPräs. am 2. 10. (Dok. Nr. 169).

27

Beratungsstelle für Auslandskredite, geschaffen nach Übereinkunft zwischen RReg. und Länderregg. vom 23.12.24. S. dazu die „Richtlinien über die Aufnahme von Auslandskrediten durch Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände.“ MinBlPriV, S. 131; abgedr. auch in dieser Edition: Die Kabinete Marx I/II, Dok. Nr. 381. Näheres zum Wirken dieser Institution s. in der vom RFMin. am 28.12.26 dem RT vorgelegten „Denkschrift über das Arbeitsgebiet und die Tätigkeit der Beratungsstelle für Auslandskredite vom 1. Januar 1925 bis zum 30. September 1926“ (RT-Drucks. Nr. 2897, Bd. 413 ).

28

Parker Gilbert, Generalagent für Reparationszahlungen.

29

Maltzan. Zur Mitteilung Schachts an die RReg. s. Anm. 33.

30

Strong.

31

Auf Grund des Dawesabkommens im Herbst 1924 geschaffener Ausschuß, dessen Aufgabe darin besteht, die von Dtld. auf das Rbk-Konto des Generalagenten einzuzahlenden Beträge in die Währungen der all. Gläubigerstaaten umzuwandeln und an diese zu überweisen. Dem Transferkomitee gehören sechs Vertreter der all. Staaten an, Vorsitzender ist der Generalagent. Näheres dazu im Sachverständigen-Gutachten (s. Anm. 21), S. 137 ff.; s. auch: RGBl. 1924 II, S. 311  f.

32

Besonders betroffen war hiervon u. a. die Stadt Dresden, deren OB Blüher am 3. 11. an den RK geschrieben hatte: Dresden habe vom RFMin. im Januar 1925 auf Grund eines Gutachtens der Beratungsstelle für Auslandskredite die unbefristete Genehmigung zu einer Auslandsanleihe in Höhe von 21 Mio RM erhalten. Die Stadt habe die Angelegenheit jedoch nicht beschleunigt betrieben, weil begründete Hoffnung bestanden habe, daß sich die Bedingungen der Auslandsanleihen im Laufe der Zeit bessern würden. So sei der Auftrag zur Beschaffung der Anleihe unter Beifügung der Genehmigung des RFMin. erst im September 1925 an ein amerikanisches Bankhaus gegeben worden. Völlig unerwartet sei nun eine Verfügung des RFM eingegangen, „durch welche diese Genehmigung zurückgezogen wird, und zwar deswegen, weil die Beratungsstelle sich auf den Standpunkt gestellt habe, daß eine solche Genehmigung keine längere Gültigkeitsdauer als eine solche von 6 Wochen [!] haben dürfe“. Die damit erzwungene Zurücknahme des Beschaffungsauftrags werde „nicht nur in amerikanischen Finanzkreisen hinsichtlich der Vertrauenswürdigkeit bei Kreditverhandlungen die vernichtendsten Folgen auslösen“, sondern auch für Dresden von unübersehbaren wirtschaftlichen Konsequenzen sein.

Der RK antwortet Blüher mit Schreiben vom 12. 12.: Die Beratungsstelle habe auf seine Veranlassung hin den Dresdener Anleiheplan nochmals geprüft und erneut befürwortet (R 43 I /653 , Bl. 216 f., 360).

33

Schacht hatte am 21. 10. einen kurzen Bericht über seine Verhandlungen in den USA durch Botschafter v. Maltzan nach Berlin übermitteln lassen. Er erläutert darin einleitend die oben erwähnte Intervention des State Department, weist auf die Absicht des US-Schatzministeriums hin, auch seinerseits auf die New Yorker Banken einwirken zu wollen, und fährt dann fort: „Ich habe neue Zusammenkunft mit Treasury Mitte nächster Woche verabredet und wäre dankbar, wenn bis spätestens dahin Beschluß gefaßt werden könnte, daß negotiations and marketing of loans issued by State Governments, municipalities and political organisations must first receive joint approval of the German Government and Reichsbank. Obige Form würde hiesigen Anregungen entsprechen und anderweitige hiesige Aktion erübrigen.“ Antwort der RReg. erging mit Telegramm vom 27. 10. an die Dt. Botschaft in Washington, worin es heißt: Verhandlungen zwischen AA, RFMin., RWiMin. und Rbk hätten ergeben, daß die vorgeschlagene Neuregelung bei der Genehmigung der Auslandsanleihen nicht gangbar wäre. Sie würde in die Finanzhoheit der Länder eingreifen und ein Reichsgesetz notwendig machen, das Zweidrittelmehrheit erfordern würde. Es wird sodann aber zugesichert, daß RFMin., RWiMin. und Rbk in der Beratungsstelle künftig die strengsten Maßstäbe anlegen würden, um die Aufnahme weiterer Kommunalanleihen soweit als möglich zu verhindern. Außerdem werde der RFM die Länder und Gemeinden veranlassen, schon vor Anknüpfung von Anleiheverhandlungen die grundsätzliche Entscheidung der Beratungsstelle einzuholen (diese Telegramme abschrl. in R 43 I /2359 , Bl. 117-122).

34

Das am 12. 11. getroffene Abkommen über die Regelung der ital. Kriegsschulden sieht vor: Die USA gewähren Italien von seiner Gesamtschuld einen Nachlaß von 80%. Die Restschuld von 435 Mio Dollar ist in 62 Jahresraten abzuleisten (s. Egelhaaf 1925, S. 150).

35

Gemeint ist das Fehlschlagen der von Caillaux im Sept./Okt. in Washington geführten Verhandlungen über die Regelung der frz. Kriegsschulden (4 Mrd. Dollar). Näheres dazu in: Egelhaaf 1925, S. 148 ff.; s. auch die Ausführungen Schachts weiter unten.

36

Zur Überreichung der am Vormittag beschlossenen Rücktrittserklärung des Kabinetts. Vgl. Dok. Nr. 243, s. auch „Tägliche Rundschau“ vom 6. 12.

37

Kanitz meint offenbar die Kabinettsberatung zum GesEntw. über den Vergleich zur Abwendung des Konkurses (Dok. Nr. 242, P. 2). Die erwähnte Meinungsäußerung ist im betr. Protokollteil jedoch nicht wiedergegeben.

38

Vgl. oben Anm. 5.

39

S. das „Gesetz über Zolländerungen“ vom 17.8.25 (RGBl. I, S. 261 ).

40

Vgl. Dok. Nr. 242, P. 1 und 2.

41

S. dazu § 47 des „Gesetzes über die Ablösung öffentlicher Anleihen“ vom 16.7.25 (RGBl. I, S. 143 ). Zur Kabinettsberatung s. Dok. Nr. 53.

42

Vgl. Anm. 9 zu Dok. Nr. 17.

43

Vgl. oben Anm. 2.

44

Die öffentlichen, dem Landesrecht unterstehenden Bankinstitute: Preußische Staatsbank, Sächsische Staatsbank, Bayerische Staatsbank, Thüringische Staatsbank, Braunschweigische Staatsbank.

45

Durch „Börsengesetz“ vom 27.5.08 (RGBl., S. 215 ) bei den großen Börsen eingerichtete Kommission, die über die Zulassung von Wertpapieren zum Börsenhandel zu entscheiden hat. Dt. Reichs- und Staatsanleihen sind nach § 39 dieses Gesetzes von der Zulassungsüberprüfung ausgenommen.

46

Vgl. oben Anm. 25.

Extras (Fußzeile):